Liebe Leserinnen und Leser, was hat Martin Luther im katholischen Gebetbuch zu suchen? Ich meine, ziemlich viel! Denn sechs von Martin Luthers 38 Kirchenliedern finden sich eins zu eins auch im katholischen Gotteslob. Bei anderen Liedern heißt es „nach Martin Luther“ oder er hat zumindest eine der Strophen gedichtet. Der Reformator ist also auch im katholischen Gesangbuch prominent vertreten.
Ich denke da nur an den Weihnachtsklassiker „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ oder an die Psalmvertonung „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir, Herr Gott, erhör mein Rufen“, das oft in der vorösterlichen Bußzeit gesungen wird. Und dann ist da äußerst aktuell, damals wie heute das Lied „Verleih uns Frieden gnädiglich“.
Martin Luther hat gern den Kirchenvater Augustinus zitiert. Von diesem stammt der Satz: Wer singt, betet doppelt. Und so nahm Luther bekannte Melodien, auch Volksweisen und Bänkellieder, hat sie mit neuen Texten versehen, und so die neue kirchliche Lehre wirksam durch den Gesang verbreitet. Das kam an, denn die Menschen liebten Volkslieder.
Rundfunk und Fernsehen gab es ja noch nicht. Der 2021 verstorbene katholische Professor für Musik- und Liturgiewissenschaft Wolfgang Bretschneider bringt es so auf den Punkt: „Ohne Lieder würde unser Glaube schnell sang- und klanglos werden. Es gibt Texte, die man nicht sprechen, sondern nur singen kann.“
Warum erzähle ich das in einem Text, in dem ich noch einmal an das Hochfest der Aufnahme Mariens am 15. August erinnern möchte. Weil wohl nur wenige wissen, dass Luther ein großer Freund der Muttergottes war! Viele denken: Die Heiligen und auch Maria sind etwas für katholische Christen, evangelische lehnen das ab. Richtig ist: Der Reformator war gegen eine übertriebene Verehrung.
Vielleicht gefällt Martin Luther sogar oben im Himmel das Fest Mariä Himmelfahrt. Denn es ist ja quasi demokratisch im Jahr 1950 vom Papst als Dogma verkündet worden. Warum demokratisch, oder synodal, wie es heute in der Kirche heißt? Weil am 1. Mai 1946, kurz nach dem schrecklichen Weltkrieg, Papst Pius XII. alle Bischöfe der Welt fragte: glauben die Menschen, dass die Königin des Friedens, Maria, die Muttergottes, schon im Himmel ist; mit Leib und Seele, mit Haut und Haar?
Da es damals weder Fax noch das digitale Netz gab, dauerte es etwas, bis die Antworten eingingen. Das Ergebnis: Ausnahmslos alle Bischöfe hatten gesagt: Wir glauben das. Und vor 75 Jahren war das auch ein weltweiter Friedensappell. Und in Europa vielleicht noch mal besonders.
Denn 5 Jahre nach Verkündigung des Dogmas, also 1955, legten sich die Gründerväter Europas eine eigene Flagge zu. Die wenigsten wissen, dass die 12 Sterne auf blauem Grund von Darstellungen der Gottesmutter inspiriert worden sind. Maria trägt da in Anlehnung an die apokalyptische Frau im Buch der Offenbarung oft einen Sternenkranz mit zwölf Sternen, und sie trägt eigentlich immer blau. Wie auch immer: In vierzehn Ländern Europas ist zu Ehren Marias am 15. August arbeitsfreier Feiertag, sogar im laizistischen Frankreich. Die Hoffnung auf die Vollendung des eigenen Lebens in Gott muss man einfach feiern. Auch wir taten dies in einem festlichen Abendgottesdienst in Schriesheim. Und dabei wurde natürlich auch kräftig gesungen, denn frei nach Augustinus und Luther: Wer singt, betet doppelt. Und so schließe ich mit dem Text vom Lied 522 im Gesangbuch Gotteslob.
Ihr Pfarrer Ronny Baier
Maria aufgenommen ist, Halleluja, zu ihrem Sohne Jesus Christ, Halleluja.
Ihr Sohn, der Tod und Grab besiegt, Halleluja, er lässt im Tod die Mutter nicht. Halleluja.
Im Himmel ist sie Königin, Halleluja. und aller Welt ein' Trösterin. Halleluja.
O Zeichen groß: ihr Kleid die Sonn, Halleluja, ihr Schuh der Mond, zwölf Stern ihr Kron. Halleluja.
O große Freud, o Seligkeit! Halleluja, stimm ein, o ganze Christenheit! Halleluja.
Gelobt sei die Dreifaltigkeit, Halleluja, der eine Gott in Ewigkeit. Halleluja.