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Interview mit dem Kandidat der PDF

MdB Dr. Jens Brandenburg (FDP): "Keine Ängste schüren"

Vor der Wahl zum Bundestag am 23. Februar stellt Nussbaum Medien einige Kandidaten des Wahlkreises 277 Rhein-Neckar vor. Mit dabei: Jens Brandenburg.
Dr. Jens Brandenburg, seit 2017 für die FDP im Bundestag, in seinem Wahlkreisbüro in Wiesloch.
Dr. Jens Brandenburg, seit 2017 für die FDP im Bundestag, in seinem Wahlkreisbüro in Wiesloch.Foto: sd

Vor der Wahl zum Bundestag am 23. Februar stellt Nussbaum Medien einigen Kandidaten des Wahlkreises Rhein-Neckar zehn Fragen zu Themen, die die Wählerinnen und Wähler bewegen. Heute: MdB Dr. Jens Brandenburg für die Freien Demokraten.

Nussbaum Medien (NM): Was sind Ihrer Meinung nach die größten Sorgen der Menschen in Ihrem Wahlkreis?

Dr. Jens Brandenburg: Es ist die wirtschaftliche Lage bundesweit, aber auch hier in der Region, die zu großer Verunsicherung bei vielen Menschen beiträgt. Der private Konsum ist rückläufig und generell ist die Stimmung allerorts nicht gut – und das bedrückt mich sehr. All dies macht was mit der Stimmung der Leute, und dem muss entgegengewirkt werden.

„Investitionen müssen getätigt werden“

Investitionen müssen trotz des schwierigen Umfelds getätigt werden, der Blick sollte und muss nach vorne gerichtet sein. Eine wichtige Aufgabe der Politik ist es, mit geeigneten Maßnahmen Mut zu machen. Dabei spielt sicherlich Vertrauen in die handelnden Personen eine große Rolle. Sollte dies verloren gegangen sein, muss es durch sinnvolle und nachvollziehbare Entscheidungen zurückgewonnen werden.

NM: Was würden Sie im Rückblick auf die vergangenen vier Jahre als bisher größten erzielten Erfolg für die Region bezeichnen und wo sehen Sie aktuell Handlungsbedarf?

Brandenburg: Da gibt es einige Beispiele. Unter anderem der jetzt auf den endgültigen Weg gebrachte Neubau der Mehrzweckhalle im Wieslocher Ortsteil Frauenweiler, dazu zählen die entsprechenden Fördergelder, die hoffentlich alsbald genehmigt werden. Oder Bildungseinrichtungen in Leimen, was mich als Politiker, der sich der Bildung verschrieben hat, besonders freut. Dies ist von großer Bedeutung, vor allem im Hinblick auf die Ergebnisse der Pisa-Studien in den zurückliegenden Jahren. Wichtig ist vor allem, die Digitalisierung überall zu forcieren und die Infrastruktur zu stärken.

NM: Die (Neu-)Verschuldung der Kommunen steigt rasant an. Gerade kleinere Kommunen haben es immer schwerer. Braucht es neue Finanzierungsmodelle für die Städte und Gemeinden?

Brandenburg: Dazu sehe ich verschiedene Ansätze. Zunächst einmal ist es wichtig, dass Kommunen ihre Haupt- und Pflichtausgaben aus eigenen Mitteln bestreiten – und dies, wenn möglich, ohne Steuern zu erhöhen. Dafür ist es wichtig, dass die Unterschiede bei den kommunalen Steuern nicht zu hoch sind. Vielleicht könnte es auch einen „Ausgleich untereinander“ geben, da die Unterschiede auf der steuerlichen Einnahmeseite doch teilweise hoch sind.

„Wettbewerb untereinander soll bestehen bleiben“

Aber: Der Wettbewerb untereinander soll auf jeden Fall bestehen bleiben. Bei klammen Kassen muss oberstes Gebot sein, Prioritäten festzulegen, also für was und wann man unbedingt Gelder ausgeben muss.

NM: Mieten, Lebensmittel und Energiekosten – die Preise in diesen Bereichen bleiben nach wie vor auf hohem Niveau. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Preise wieder zu senken?

Brandenburg: Klar gestecktes Ziel muss es sein, dass Erwerbstätigen wieder mehr Netto-Gehalt verbleibt. Darüber hinaus müssen die Energiekosten auf allen Ebenen sinken, hohe bürokratische Auflagen sollten minimiert werden und mehr Wohnraum zu bezahlbaren Mieten ist zwingend notwendig. All dies ist jedoch nur möglich, wenn sich unsere Wirtschaft nicht nur erholt, sondern wieder wächst. Wir müssen wegkommen von zum Teil hohen Auflagen, die sich oftmals als Hemmnisse erweisen.

NM: Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen, ob in Pflege, Handwerksbetrieben oder an Schulen und Kitas – Tendenz steigend. Wie wollen Sie gegensteuern?

Brandenburg: Wir müssen mehr Menschen in qualifizierte Ausbildungen bringen. Das ist dringend notwendig, denn derzeit haben wir etwa drei Millionen Personen, die in der Altersspanne von 16 bis 34 Jahren ohne Ausbildung sind. Entscheidend dabei ist, dass sich die Ausbildung lohnen muss und man eben nicht nur auf das Bürgergeld vertraut.

Junge Leute wollen wieder „einen Beruf erlernen“

Derzeit erkenne ich bei jungen Leuten den positiven Trend, wieder einen Beruf zu erlernen. Ein erlernter Beruf, egal in welchem Bereich, ist ein wichtiger Fakt in der gesamten Gesellschaft und stärkt außerdem das Selbstwertgefühl. Daher muss ein besonderes Augenmerk auf die gesamte Bildungspolitik gerichtet werden.

NM: Was der Wirtschaft zunehmend zu schaffen macht, ist die überbordende Bürokratie. Gleichzeitig haben viele Versuche, Bürokratie abzubauen, das Gegenteil bewirkt. Was schlagen Sie vor?

Brandenburg: Wir haben mit der inzwischen aufgelösten Koalition auf Bundesebene bereits erfolgreich einige Dinge auf den Weg gebracht, so beispielsweise die Aufbewahrungspflichten von vielen Unterlagen und Dokumenten spürbar verkürzt. Aber gerade im kommunalen Bereich ist noch einiges zu tun.

„Vorschriftenflut auf europäischer Ebene eindämmen“

Ich mache mich für eine Förderung der Städte und Gemeinden stark, um so Abläufe schneller zu machen. Dazu gehört sicherlich der verstärkte Ausbau der Digitalisierung, aber da sind einige bereits auf einem guten Weg. Wichtig wird es zudem sein, die Vorschriftenflut auf europäischer Ebene einzudämmen. Das liegt dann im Verantwortungsbereich des Europaparlaments. Am Ende ist es das Ziel, die Bürgerschaft nicht mit unnötigen Vorschriften zu verärgern.

NM: Der Deutschen Rentenversicherung zufolge gibt es nach 2030 keine Untergrenze mehr für das Rentenniveau. Gleichzeitig werden junge Menschen historisch hohe Beiträge zahlen müssen. Wie kann die Politik dem begegnen?

Brandenburg: Ich wiederhole mich gerne: Die Wirtschaft in unserem Lande muss wieder gestärkt und eine zukünftige Perspektive aufgezeigt werden. Das ist ein aus meiner Sicht sicherer Hebel für Rentensicherheit. Zudem sollte die private und auch die betriebliche Altersvorsorge breit unterstützt werden. Auch Aktienfonds, wie von unserem Parteivorsitzenden Christian Lindner schon mehrfach vorgeschlagen wurden, wären eine Möglichkeit der künftigen Absicherung und dies nach dem Vorbild in Skandinavien.

NM: Deutschland hinkt vor allem im Verkehrssektor seinen Klimazielen hinterher. Welche Schritte müssten unternommen werden, um dies zu ändern?

Brandenburg: Dem Klimaschutz ist es letztlich egal, woher der CO₂-Ausstoß herkommt. Entscheidend wird es sein, die fossilen Brennstoffe soweit es geht weiter zu minimieren. Dies gilt sowohl für die Heizung als auch für die Kraftstoffe in Autos. Auch das Beladen von Batterien für E-Autos könnte ja über erneuerbare Energien geschehen und eben nicht mit fossilen Brennstoffen. All dies soll ohne ideologische Begleitmusik über die Bühne gehen.

„Infrastruktur über Jahrzehnte vernachlässigt“

Die Infrastruktur auf der Straße und auf und neben der Schiene wurde über Jahrzehnte vernachlässigt, jetzt zahlen wir, insbesondere bei maroden Brücken, einen hohen Preis dafür. Da muss künftig früher und damit kostengünstiger gehandelt werden.

NM: Populistische Forderungen, Tendenzen zu extremistischen Positionen und eine Verrohung der politischen Debatten sind in Deutschland immer häufiger zu beobachten. Mit welchen konkreten Maßnahmen will Ihre Partei diesem Umstand entgegenwirken?

Brandenburg:Die beste Investition in die Demokratie ist der Weg, sie zu stärken. Dazu gehört vor allem der Mut, aktuelle Probleme, die viele Menschen betreffen und somit beschäftigen, sinnvoll zu lösen. Wenn dies nicht auf lange Sicht gelingt, verlieren die Menschen das Vertrauen in die Politik und diejenigen, die sie umsetzen.

Stärkung des Bundesverfassungsgerichts

Positiv bewerte ich jetzt die jüngst getroffene Entscheidung, das Bundesverfassungsgericht zu stärken. Und nochmals, wir benötigen eine gute Stimmung in allen Bereichen, um Deutschland als Wirtschaftsstandort wieder attraktiv zu gestalten.

NM: Worin sehen Sie das Scheitern der bisherigen Regierung und was kann die Politik daraus lernen?

Brandenburg: Das „Aus“ für die Koalition ist aus meiner Sicht eine konsequente Entscheidung, um so eine neue Chance für unser Land zu eröffnen. Immer mehr Schulden zu machen, kann sicherlich die Wirtschaft nicht retten, siehe Frankreich. Mit den jetzt terminierten Neuwahlen kann der Weg zu neuen Mehrheiten gegangen werden. Dies ist allemal besser als nur den Wunsch zu haben, an der Macht, sprich Regierung zu bleiben.

„Es wurden auch einige Dinge auf den Weg gebracht“

Dennoch: In den ersten beiden Jahren der Ampel-Regierung wurden auch einige Dinge auf den Weg gebracht. Der Lockdown wurde beendet und Steuern gesenkt. Die Koalition hat sich am Ende in aller Öffentlichkeit zerstritten, anstatt anstehende Sachthemen intern zu besprechen und eine machbare Lösung zu erreichen. Ängste zu schüren macht gerade in schwierigen Zeiten, in denen wir uns gerade befinden, sicherlich keinen Sinn. Was unser Land jetzt benötigt, ist einen Weg aufzuzeigen, wie unsere Wirtschaft aus der Talsohle herauskommt und hoffentlich wieder wächst. Nicht realisierbare Forderungen dagegen sind aus meiner Sicht nicht angebracht.

Zur Person

Dr. Jens Brandenburg (FDP) ist 38 Jahre alt und seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er war von 2021 bis 2024 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung. Brandenburg studierte bis 2010 Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim mit Bachelor- und Masterabschluss. Von 2010 bis 2014 promovierte er an der Graduate School of Economics and Social Science der Universität Mannheim. Nach der Promotion war Brandenburg für eine internationale Unternehmensberatung tätig. Seit 2006 ist Brandenburg Mitglied der FDP. Zuvor trat er 2005 den Jungen Liberalen bei. Seit März 2019 ist er Vorsitzender des FDP-Bezirksverbands Kurpfalz. Bei der Bundestagswahl 2021 kandidierte er erneut im Wahlkreis Rhein-Neckar. Er zog über die Landesliste in den 20. Deutschen Bundestag ein. Brandenburg wohnt in Walldorf.

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Neckarbote
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Ausgabe 05/2025

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