Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. „1,8 Millionen Menschen leben bereits mit einer Demenz und bis zum Jahr 2050 werden es voraussichtlich 2,8 Millionen sein“, führte Klaus Heinzmann vom Organisationsteam Forum Bildungswerk der Seelsorgeeinheit Bad Schönborn-Kronau am vergangenen Donnerstag in ein Thema ein, das viele bewegt. War der Vortrag zum Thema Depression mit Dr. Fritz Ulrich Deuringer schon sehr gut besucht, füllten hier rund 140 Interessierte die Stühle im Edith-Stein-Haus in Mingolsheim.
Der Referent Professor Wolfgang Rössy, ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Neurologie sowie Geriatrie an den benachbarten St. Rochus Kliniken, ging zunächst auf die soziale und medizinische Definition der Krankheit ein, die mit dem Schwund von Persönlichkeitsmerkmalen einhergeht und einen hohen Pflegebedarf erfordert. Oft, wenn Patienten im Rahmen der Aufnahme getestet würden, stellten die Angehörigen fest, dass die ersten Symptome schon vor längerer Zeit auftraten. „Wenn man jahrelang nach Italien fährt und plötzlich die Ausfahrt verpasst, kann das schon ein Zeichen sein“, sagte er. Dass etwas nicht stimmt, merke man eigentlich immer selbst zuerst. Es gelte dann nachzuschauen, ob man nur einen schlechten Tag hat, zu wenig geschlafen hat oder sich eine erste Orientierungslosigkeit einstellt. Über 10 Prozent der Über-65-Jährigen seien erkrankt, mit einem exponentiellen Anstieg mit zunehmendem Alter. Von den 80-Jährigen sind es schon rund 50 Prozent, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.
Ein guter Test sei, einen Witz zu erzählen, denn hier brauche es schon kognitive Fähigkeiten, um diesen zu verstehen, wie Rössy an einem Beispiel zeigte. Obwohl Alzheimer die häufigste Form ist, gibt es auch noch die Frontotemporale, die Lewy-Body-Demenz oder die Vaskuläre. Wichtig sei es, auch andere mögliche Ursachen für eine Gedächtnisstörung abzuklären. Ziel sei es, die Phase eins so lange wie möglich zu manifestieren, weil es hier noch die effektivsten Möglichkeiten gibt, etwas zu bewirken. Hier stehe ein Medikament kurz vor der Zulassung in Deutschland, das allerdings bei einer vererblichen Form kontraindiziert sei.
Nach seinem informativen und sehr verständlichen Vortrag gab es noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen, was von den Besuchern rege genutzt wurde. „Ein toller Vortrag, aber auch desillusionierend“, so eine Zuhörerin, denn die Demenz bleibt eine Krankheit, die sehr belastend ist und gegen die man noch recht wenig tun kann. Studenten des KTI hatten einen Demenzparcours aufgebaut, so konnte man sich in einen Patienten hineinversetzen. Eine Ausstellung im Eingangsbereich „Wie aus Wolken Spiegeleier werden“ über den Künstler Carolus Horn zeigte anschaulich den Verlauf einer Erkrankung. Als einst Deutschlands erfolgreichster Werbegrafiker kreierte Horn Sprüche wie „Nur Fliegen ist schöner“ für Opel, „Packen wir es an“ für Esso oder „Alle reden vom Wetter, wir nicht“ für die Bahn. Im Laufe der Zeit veränderten sich seine Bilder immer mehr.
Nach diesem Vortrag, der sich mit der Demenz aus der Sicht eines Mediziners befasste, bestand großes Interesse für einen Vortrag, der Hinweise für den Umgang mit Patienten gibt. 2016 gab es einen Demenztag an den St. Rochuskliniken, der ebenfalls auf großes Interesse stieß. Es wurde in Erwägung gezogen, den Tag zu wiederholen. Die Frage Rössys, ob jemand einen Menschen mit Demenz kenne, wurde überwiegend mit Ja beantwortet. (cm)