Das Thema Windkraft steht in der Gemeinde gerade wieder in großem Fokus. Hintergrund ist die zweite Offenlage der Teilfortschreibung durch den Verband Region Karlsruhe. Die Redaktion hat die Fraktionen um eine Stellungnahme zum Thema gebeten.
Die zweite Offenlage zeigt im Flächennutzungsplan Änderungen der Vorranggebiete. Darin zeigt sich eine Verschiebung nach Norden, wodurch die Offenlandflächen der Gemarkung Weingarten stärker einbezogen werden. Das hätte auch zur Folge, dass weniger gemeindeeigene Waldflächen – wie im gültigen Regionalplan vorgesehen – für Windkraft ausgewiesen wären, sondern vor allem privatere Grundstücksflächen. Ursprünglich war durch einen interfraktionellen Antrag der Grünen Liste, der SPD und Teilen der WBB im Gespräch, gemeindeeigene Waldflächen am Hinteren Heuberg zu verpachten und so auch zusätzliche Einnahmen zu generieren. Diesem Antrag wurde auch zugestimmt. Vor einer möglichen Ausschreibung muss zunächst jedoch noch über den Bürgerentscheid abgestimmt werden.
Aufgrund der Änderungen im Flächennutzungsplan wurde nun aber die Entscheidung über einen Bürgerentscheid zur Verpachtung gemeindeeigener Flächen auf die nächste Sitzung am 19. Mai verschoben, um zunächst eine Stellungnahme zur zweiten Offenlage des Flächennutzungsplans abzugeben. In der Sitzung vom 19. Mai soll dann zunächst auch über die Teilfortschreibung und die Ausschreibungskriterien entschieden werden.
In seiner Stellungnahme äußert sich die Verwaltung insgesamt kritisch über die Verschiebung der Vorrangfläche. Zudem habe dies auch keine Auswirkungen auf bereits begonnene Projekte, wie den geplanten Windpark der EnBW.
Die Fraktion der Grünen Liste Weingarten lehnt die geänderte Teilfortschreibung ab und ergänzt dazu: „Sollte die Änderung erfolgen, würden Windräder näher an Weingarten und an Jöhlingen heranrücken können. Dies wollen wir nicht. Im geänderten Vorranggebiet liegen zudem fast ausschließlich private Flächen. Der Gemeinderat Weingarten hätte keine Möglichkeit mehr zu entscheiden, ob und wenn ja, unter welchen Auflagen Windkraftanlagen errichtet werden könnten.“ Dadurch würden die „lukrativen Pachteinnahmen“ an private Grundstückseigentümer gehen, die Gemeinde Weingarten würde nicht profitieren, heißt es.
Die SPD, Partei und Fraktion, betonen, dass sie von Anfang an für die Errichtung von Windenergieanlagen waren. „Windkrafträder mit allen ihren Pros und Contras bieten eine Möglichkeit, den Lebensstandard in Weingarten zu erhalten und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten“, heißt es. Sie befürworten zudem den anvisierten Bürgerentscheid, da so „die Entscheidung für oder gegen Windkraft von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen wird“. Die SPD-Gemeinderatsfraktion stehe diesem offen gegenüber, soweit sich der Gemeinderat auf eine einvernehmliche Fragestellung einigen könne.
Die SPD weist zudem auf die finanziell angespanntere Haushaltslage der Gemeinde hin. Für den, nach einer fachlichen Prognose, wohl mittelfristig zusätzlich drei Millionen Euro zum Ausgleich benötigt würden. Zusätzliche Einnahmen durch Verpachtung des Gemeindewaldes wären da sehr nützlich.
„Ohne entsprechende Einnahmen steht zu befürchten, dass in Zukunft bauliche Investitionen verschoben, freiwillige Leistungen für die Einwohnerschaft gekürzt und über Erhöhungen der Grundsteuer und von Kinderbetreuungsgebühren nachgedacht werden muss“, so die Fraktion.
Bezüglich der Teilfortschreibung, die Gegenstand der nächsten Gemeinderatssitzung sein wird, plädiert die SPD-Fraktion daür, an der bisherigen Ausweisung der Vorrangfläche gemäß gültigem Regionalplan – einschließlich der gemeindeeigenen Waldflächen – festzuhalten. „Die Veränderung der Teilfortschreibung, die anstelle des Forstes zusätzliche private Grundstücksflächen umfassen würde und noch näher an unsere Nachbargemeinde Walzbachtal heranrückt, halten wir für nicht vertretbar."
Die Weingartener Bürgerbewegung (WBB) betont, dass in den vergangenen Jahren das Pro und Contra rund um Windenergie in Weingarten umfassend geprüft worden sei. Alle offenen Fragen seien geklärt. Die Gutachten seien zu dem Schluss gekommen, dass eine Genehmigungsfähigkeit der Windkraftprojekte gegeben sei, so die Fraktion in der Begründung des oben bereits thematisierten interfraktionellen Antrags. Die WBB appelliert dabei auch noch einmal an eine umfassende und transparente Information der Bürger über die potenziellen Einnahmen bei Verpachtung gemeindeeigener Flächen und der damit verbundenen Chancen sowie möglichen Belastungen.
Der in der zweiten Offenlage neu ausgewiesenen Fläche steht die WBB kritisch gegenüber: „Wir lehnen einstimmig die neue Fläche ab, da diese deutlich größer ist, näher an die Bebauungen Walzbachtals und Weingarten rückt, sowie mögliche Einnahmen 100 % privatisiert werden, die Gemeinde verfügt über keinerlei Grundstücke in dem neuen Bereich“, so die WBB. Auch die Begründung selbst sei zweifelhaft, liegen doch bereits zwei Naturschutzgutachten vor (EnBW + Gegenwind), die beide die Genehmigungsfähigkeit von 5 Windrädern im bisherigen Gebiet (inkl. Waldfläche) bescheinigen.“
Der FDP-Ortsverband sieht die Planungen für das Errichten von Windkraftanlagen kritisch. Bereits Ende 2020 habe man sich in einer Mitgliederversammlung „nahezu einstimmig ablehnend zu dem Vorhaben positioniert“. Diese Haltung vertrete man nach wie vor, heißt es von der Fraktion. Begründet wird dies u. a. mit dem hohen Flächenverbrauch, dem Verlust eines wertvollen Erholungsraumes in einer dicht besiedelten Region und die „ohnehin schon hohe Belastung der Weingartener Gemarkung durch verschiedenste Infrastruktur“. Außerdem könne Windenergie „mit einer gesicherten Leistung von nur einem Prozent unsere Versorgung nicht garantieren“.
„Die FDP-Fraktion sieht in der Herausnahme der Weingartener Waldflächen im Rahmen der Teilfortschreibung des Regionalplanes ihre Einschätzung zur hohen artenschutzrechtlichen Wertigkeit dieses Naturraumes in vollem Umfang bestätigt.“ Gleichzeitig haben die Ratsmitglieder Holzmüller, Hüttner und Görner schon sehr frühzeitig ihre Unterstützung des von Bürgermeister Bänziger zu Jahresbeginn eingebrachten Vorschlages eines Bürgerentscheids zur Lösung eines schon über fünf Jahre währenden Dissenses signalisiert. „Eine derart weitreichende Entscheidung gehört in die Hände der Betroffenen, und die Bürgerinnen und Bürger Weingartens sind auch mündig genug, das Für und Wider verantwortungsvoll abzuwägen“, teilt die Fraktion mit. (haf)