Dies und das

//Miniaturkutschen aus Bad Wildbad – und eine Verbindung zum großen Postzug-Raub von 1963//

Ein Dachboden voller Geschichten Zwischen Kisten, alten Bilderrahmen und sorgsam verpackten Erinnerungen schlummert auf dem Dachboden der Familie Dietrich...
Suchen ein neues Zuhause für die kleinen Meisterwerke: Jörg und Hildegard Dietrich mit Teilen der Sammlung von Heinz Dietrich (†).
Suchen ein neues Zuhause für die kleinen Meisterwerke: Jörg und Hildegard Dietrich mit Teilen der Sammlung von Heinz Dietrich (†).Foto: Maren Moster

Ein Dachboden voller Geschichten

Zwischen Kisten, alten Bilderrahmen und sorgsam verpackten Erinnerungen schlummert auf dem Dachboden der Familie Dietrich in Bad Wildbad eine ganz besondere Sammlung: liebevoll gefertigte Miniaturkutschen, jede einzelne ein Unikat, jede mit einer Geschichte – manche sogar mit einer kriminellen. Jetzt sucht die Familie nach einem neuen Zuhause für diese außergewöhnlichen Stücke. Nicht irgendwo – sondern dort, wo sie geschätzt werden, gepflegt und vielleicht sogar wieder öffentlich gezeigt.

Der Sammler mit dem Faible für Pferde, Holz und Historie

Heinz Dietrich (†) war kein Mann, der nach der Pensionierung einfach die Füße hochlegte. Der frühere Krankengymnast war bekannt für sein Engagement und seinen Ideenreichtum – und für seine große Leidenschaft: historische Kutschen. Anfang der 1980er-Jahre schaffte er sich zwei Pferde und einen Personentransportwagen an, mit dem er ältere und behinderte Menschen durch die Landschaft rund um Bad Wildbad kutschierte. Dabei entdeckte er nicht nur die Freude am Fahren, sondern auch am Forschen und Sammeln.

Was als praktisches Hobby begann, entwickelte sich bald zu einer regelrechten Leidenschaft. Gemeinsam mit seinem Freund Bernhard Dengler (†) begann Dietrich, historische Kutschenmodelle zu sammeln und auszustellen. 1994 eröffneten die beiden im Haus des Gastes (im heutigen Forum König-Karls-Bad) in Bad Wildbad eine Dauerausstellung.

Ein Hauch von Verbrechen – und viel Fingerspitzengefühl

Unter den mehr als 50 Modellen, die Dietrich im Laufe der Jahre zusammentrug, befinden sich einige ganz besondere: Miniaturkutschen, gebaut von einem Mann, der einst zu den meistgesuchten Kriminellen Großbritanniens zählte. Einer der Täter des berüchtigten Postzugraubs von 1963, bei dem eine Bande rund um Bruce Reynolds in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Postzug auf dem Weg von Glasgow nach London überfiel und 2,63 Millionen Pfund Sterling erbeutete, verbrachte zwei Jahrzehnte im Gefängnis – und nutzte die Zeit zum Basteln. Aus simplen Streichhölzern fertigte er kunstvolle Miniaturkutschen, detailreich und präzise. Heinz Dietrich erwarb mehrere dieser Werke – ein Stück Kriminalgeschichte en miniature. Besonders auffällig: Ein Wagen trägt die Aufschrift „HOVIS“. Was das bedeutet, weiß bis heute niemand genau – vielleicht ein Spitzname, ein Markenname, ein Geheimcode? Die Rätsel bleiben Teil des Charmes.

Schnitzkunst aus Könnerhand: Die Pferde von Theo Gütermann

Was wären Kutschen ohne Pferde? Auch hier blieb Dietrich seinem Anspruch an Authentizität treu. Alle Pferde, die vor den Miniaturkutschen gespannt sind, wurden von Theo Gütermann (†) aus Enzklösterle geschnitzt – in aufwändiger Handarbeit. Gütermann, selbst Künstler mit Leidenschaft, verlieh jedem Pferd Ausdruck, Haltung und Charakter. Er bemalte sie anschließend liebevoll, sodass sie wie lebendig wirken. Das Zaumzeug, die Geschirre, die Zügel: all das fertigte Heinz Dietrich selbst – teils in stundenlanger Feinarbeit, mit Faden, Leder, kleinen Ösen und Klemmen.

Eine Sammlung, die weiterleben soll

Nach dem Tod von Heinz Dietrich im Jahr 2005 übernahm seine Schwiegertochter Hildegard die Verantwortung für die Sammlung. Doch im Laufe der Jahre wurde klar: Die Familie selbst hat wenig Bezug zu den Stücken, und es wäre im Sinne von Heinz Dietrich, die Miniaturkutschen dorthin zu geben, wo sie weiterleben können – als Teil eines Museums, einer Schau, einer Geschichte.

Einige Kutschen fanden bereits neue Besitzer, darunter die Kutschenmanufaktur Haiterbach und das Kutschenmuseum in Marbach. Doch noch immer warten über ein Dutzend Modelle auf ein neues Zuhause.

Ein ungewöhnlicher Besucher – und ein Film mit Tappert

Dass die Sammlung auch über Bad Wildbad hinaus bekannt war, zeigt eine besondere Anekdote: Horst Tappert (†) – bekannt als „Derrick“ – stand 1966 für den Fernseh-Dreiteiler „Die Gentlemen bitten zur Kasse“vor der Kamera, der den Postzug-Raub thematisierte. Persönlich reiste der Schauspieler sogar nach Bad Wildbad, um sich nach dem Verbleib der Kutschen des einstigen Räubers zu erkundigen. Ein Filmstar auf Spurensuche – und mittendrin: Heinz Dietrich und seine Kutschensammlung.

Wer gibt den Kutschen ein neues Zuhause?

Noch sind einige Modelle erhalten – sorgfältig verpackt, unter dem Dach in Bad Wildbad. Es sind keine Spielzeuge, sondern kleine Kunstwerke, Zeitzeugen in Miniatur, zwischen Geschichte, Handwerk und Skurrilität. Wer sich für diese besondere Sammlung interessiert, darf sich gerne telefonisch bei Jörg Dietrich unter der Telefonnummer 07081-8571 melden. (mm)

Kriminell gut gebaut: Streichholzkutschen aus der Hand eines der berüchtigten Posträuber von 1963.
Kriminell gut gebaut: Streichholzkutschen aus der Hand eines der berüchtigten Posträuber von 1963.Foto: Maren Moster
Erscheinung
Wildbader Anzeigenblatt mit Calmbacher Bote und den Amtlichen Bekanntmachungen von Enzklösterle
NUSSBAUM+
Ausgabe 21/2025
von Stadt Bad WildbadRedaktion NUSSBAUM
23.05.2025

Orte

Bad Wildbad
Enzklösterle

Kategorien

Dies und das
Panorama
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto