Der Gemeinderat hat die Verlängerung der Turmbergbahn an die B3 beschlossen. Wolfgang Artmann vom Verein „Zukunft Turmbergbahn e. V.“ hat Grötzingen Aktuell Fragen zur Verlängerung beantwortet. Er ist Vermessungsingenieur und Gutachter und hatte die Turmbergterrasse für den Neubau, den Eurotunnel, die Neubau-Bahnstrecke Stuttgart-Mannheim und vieles mehr vermessen.
Grötzingen Aktuell: Wie wird die verlängerte Turmbergbahn an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden sein?
Wolfgang Artmann: Die neue Turmbergbahn stellt keine formale Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) dar. Dazu bräuchte es eine Zielvorgabe und einen Anschluss. Sie ist eine rein touristische Bahn, so auch der Originalton der VBK. Die Frage ist, ob das Land Baden-Württemberg wirklich bereit ist, Subventionen in Millionenhöhe für eine touristische Bahn zu geben.
GA: Apropos Subventionen: Könnte es auch welche ohne eine Verlängerung der Bahn geben?
Artmann: Die VBK hat über Jahre unrichtig behauptet, es gebe Subventionen nur bei Verlängerung. Dabei ist ebenfalls seit vielen Jahren bekannt, dass es Subventionen auch geben könnte, wenn die bestehende Strecke renoviert und behindertengerecht ausgebaut wird.
GA: Es soll über eine Million Euro im Jahr kosten, einen Bus von der Endstation über die alte Talstation weiter auf seiner Linie zu führen. Ist das so?
Artmann: Ich halte diese Berechnungen für falsch. An den Sonntagen wurde bisher einmal in der Stunde ein Bus, Nummer 29, für die Strecke Endstation bis Talstation eingesetzt. Er fuhr von der Endhaltestelle die Bergbahnstraße hoch und später weiter auf den Geigersberg. Die zusätzlichen Kraftstoffkosten für diesen möglichen Umweg von wenigen hundert Metern würden sicher nicht bei einer Million pro Jahr liegen. Auch für die Anwohner wäre ein solcher Bus ein echtes ÖPNV-Angebot, das sie bis zur Talstation im Alltag nutzen könnten. Eine Mittelstation lehnt die VBK ab.
GA: Ist das nicht der Barrierefreiheit geschuldet?
Artmann: Wer es ernst meint mit der Behindertenfreundlichkeit, würde auch mobilitätseingeschränkte Anwohner berücksichtigen. Behinderten Besuchern würden Planer, die es ernst meinen, keinen Fußweg über zwei Ampeln von der Endstation zur geplanten neuen Talstation zumuten. Das jedoch soll den mobilitätseingeschränkten Menschen jetzt nach dem Gemeinderatsbeschluss zugemutet werden. Wer behindertengerecht planen würde, würde direkt bei der Straßenbahn und den Bussen einen Zubringerbus einsetzen. Das könnte ein autonomer, kleiner Elektrobus sein oder eben ein Linienbus nach Stupferich, Geigersberg, Zündhütle oder Grötzingen, der die Haltestelle Talstation anführe. Davon abgesehen gibt es an der Endhaltestelle gar keine barrierefreien Ausstiege aus der Straßenbahn.
GA: Wie sonst wäre ein behindertengerechter Zugang zur alten Talstation möglich?
Artmann: Den haben wir ja tatsächlich gehabt. Das wurde nur niemals berücksichtigt oder erwähnt. An der Haltestelle Karl-Weysser-Straße kann barrierefrei in die Straßenbahn ein- und ausgestiegen werden. Von dort führt ein Weg über die Turmbergstraße zur alten Talstation. Das Gefälle liegt hier auf der ganzen Strecke unter sechs Prozent, entspricht also den Vorgaben für Barrierefreiheit. Ein behindertengerechter Umbau der bestehenden Talstation ist leicht zu realisieren. Dass die Endhaltestelle nach VBK-Plänen mittelfristig von ihrem jetzigen Standort wegverlegt werden könnte, wurde auch nie thematisiert.
GA: Nun prognostiziert die VBK ja hunderttausende von Besucher*innen im Jahr. Würde der Bus das leisten können?
Artmann: Bisher war der Bus 29 meist leer. Den Menschen waren die 200 Meter Weg zur Talstation also nicht zu beschwerlich. Die prognostizierten Fahrgastzahlen sind aus meiner Sicht nicht real. Tatsächlich hat die VBK nach langem Zögern ihre eigenen Zahlen über die Zeit immer weiter nach unten korrigiert. Zuerst behauptete sie, dass jährlich 120.000 Menschen mit der Turmbergbahn fahren. Erst nach den vom Verein „Zukunft Turmbergbahn e. V.“ durchgeführten Zählungen, die 40.000 bis 50.000 Fahrgäste pro Jahr ergeben haben, veröffentlichte sie die folgenden Fahrgastzahlen: 61.000 Fahrgäste in 2020, 47.000 Fahrgäste in 2021, 95.000 in 2022, 104 000 in 2023, 100 000 Fahrgäste in 2024, also immer deutlich weniger, als sie behauptet hatte. Dass die VBK zuerst höhere Zahlen genannt hat, ist deshalb brisant, weil die Förderung unter anderem von den Fahrgastzahlen abhängt. Das Berechnungsverfahren ist sehr kompliziert. Das Gutachten, das die VBK in Auftrag gegeben hat, hat ergeben, dass die für die Förderung erforderlichen Zahlen erreicht werden. Das Gutachten, das wir vom Verein in Auftrag gegeben hatten, hat das Gegenteil erbracht. Wäre es nicht wichtiger, die vielen Millionen Euro in den Ausbau des ÖPNV auf dem Land zu stecken?
GA: Die Erwartungen der VBK sind also zu hoch?
Artmann: Mit einer nun geplanten verlängerten Turmbergbahn könnten 1,7 Millionen Personen im Jahr auf den Turmberg befördert werden. Die VBK geht von 263 000 Menschen pro Jahr aus. Sie hätten allerdings keinen so tollen Blick ins Tal mehr und müssten mehrheitlich stehen, da in den Bahnen vor allem Stehplätze geplant sind. Zum Vergleich: Im Februar 2025 gab das Bayrische Finanzministerium bekannt, dass 2024 Schloss Neuschwanstein von 1.082.816 Menschen, also von gerade mal viermal so vielen wie die VBK auf dem Turmberg erwarten, besucht wurde.
GA: Wie hat die VBK die Besucherzahlen berechnet?
Artmann: Sie beruhen auf Schätzungen von vor sieben, acht Jahren und wurden nicht angepasst. Es gibt keinen belastbaren Hinweis darauf, dass in Zukunft mehr Menschen kommen. Der Turmberg wurde nicht durch neue Sensationen attraktiver gemacht. Unter der Woche und zur kalten Jahreszeit wird die Turmbergbahn weiterhin schwach genutzt sein. An den Wochenenden und Feiertagen in der Sommersaison und an Silvester mag das anders sein. Bedenklich finde ich, dass das alles nicht so an die Öffentlichkeit kommuniziert wurde. Sie konnte sich kein realistisches Bild machen. (rist)