Kultur

Nachruf Johannes Grüschow

Der Verein „Stolpersteine Bruchsal e. V.“ trauert um sein ältestes Mitglied, um Johannes Grüschow. Er lebte in Reinbek bei Hamburg und...
Johannes Grüschow
Johannes GrüschowFoto: privat

Der Verein „Stolpersteine Bruchsal e. V.“ trauert um sein ältestes Mitglied, um Johannes Grüschow. Er lebte in Reinbek bei Hamburg und war dem Verein kurz nach dessen Gründung im Dezember 2023 beigetreten. Es war ihm auch im Alter von fast 97 Jahren wichtig, die Gedenkarbeit für die Aufarbeitung des Holocaust und die Erinnerungskultur speziell hier in Bruchsal zu unterstützen, und er verfolgte aufmerksam bis wenige Tage vor seinem Tod die Vorbereitungen für die diesjährigen Stolpersteinverlegungen. Für zwei Onkel seiner Frau werden im Mai Stolpersteine verlegt: am 22. Mai für Hugo Straus und dessen Familie in Pforzheim, am 23. Mai für Arthur Straus in Bruchsal (ab 11.45 Uhr, Schlossstraße 3).

Johannes Grüschow wurde am 2. Februar 1926 geboren und lernte nach eigener Kriegserfahrung im Jahr 1946 seine spätere Frau Ruth kennen und lieben, die als sogenannte „Halbjüdin“ in Deutschland versteckt überlebt hatte. Trotz des Widerstands seines auch nach 1945 offen antisemitischen Vaters führten die beiden ein langes und glückliches gemeinsames Leben. Bereits in den 1980ern machten sie sich gemeinsam auf den Weg nach Bruchsal, um Ruths jüdischen Vorfahren nachzuspüren. Der Großvater Gutmann Straus hatte vor fast 170 Jahren eine Hopfenhandlung gegründet, die unter seinen Söhnen weitergeführt wurde. Die für Sohn Max erbaute Villa (Franz-Bläsi-Straße 18) gibt bis heute Zeugnis ihres Erfolgs. Für Sohn Lazarus, den weltweit anerkannten Kakteenzüchter, wurde 2021 eine Gedenktafel in der Bruchsaler Schlossstraße 3 im Beisein von Johannes Grüschows Tochter enthüllt (vergleiche: Gedenkschrift zur Stolpersteinverlegung 2021, S. 21ff.). Da Johannes Grüschow die Ergebnisse seiner Familienforschung in einem Online-Portal zur Verfügung stellte, konnte ihn der heutige Vereinsvorsitzende Florian Jung im April 2020 ausfindig machen und anrufen. Dem wird immer in Erinnerung bleiben, wie sich der alte Herr am anderen Ende der Leitung auf typisch norddeutsche Art freute: „Na, ich sehe schon, das wird ein sehr interessantes Telefonat werden.“ Zu den Stolpersteinverlegungen in Pforzheim und Bruchsal werden seine drei Kinder und etwa 15 weitere Mitglieder der Familie Straus kommen, und Johannes Grüschow war schon sehr gespannt auf deren Berichte. Nun starb er aber am 24. April 2025 im Alter von 99 Jahren.

Es war eine Ehre für unseren Verein, mit Johannes Grüschow ein Mitglied zu haben, das den Nationalsozialismus und seine Schrecken erlebt hatte.

Erscheinung
Amtsblatt Bruchsal
Ausgabe 18/2025
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