Weil der Bund und das Land Baden-Württemberg aufgrund eines höchstrichterlichen Urteils die Grundlagen für die Berechnung der Grundsteuer geändert haben, wird es für die Haus- und Grundstücksbesitzer zum 1. Januar 2025 Veränderungen finanzieller Art geben.
In Bad Dürrheim sind sie besonders spürbar, weil hier die Bodenwerte in der Kernstadt im Vergleich zu denen in den sechs Ortsteilen zum Teil sehr hoch sind und es künftig aufgrund der veränderten Gesetzeslage nicht mehr darauf ankommt, wie hoch der Wert des Gebäudes ist, das auf dem Grundstück steht.
Fabian Goedecke, Leiter der Steuerstelle im Bad Dürrheimer Rathaus, weiß jetzt schon: „Die Grundsteuer für große Grundstücke in der Kernstadt wird deutlich steigern, während für Eigentümer von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern die Belastung sinkt“. Tendenziell günstiger kommen dagegen die Eigentümer von Gewerbegrundstücken weg. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Belastung sich im Einzelfall gegebenenfalls erhöht.
Wie der Leiter der Bad Dürrheimer Steuerstelle in einer Sitzung des Verwaltungsausschusses feststellte, müssen Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern in der Kernstadt, die auf großen Grundstücken stehen, in Extremfällen mit Mehrkosten von über 1.000 Euro pro Jahr rechnen, beispielsweise im Kurgebiet, etwa in der Sonnenstraße.
Wie Bürgermeister Jonathan Berggötz erläuterte, hängt dies damit zusammen, dass in der Kernstadt viele Grundstücke mit einem Bodenwert von um die 300 Euro pro Quadratmeter bewertet seien, in Hochemmingen dagegen um 120 und in den anderen fünf Ortsteilen von 55 oder 60. „Wer ein Einfamilienhaus besitzt, kann davon ausgehen, dass er künftig mehr zahlen muss“, so der Bürgermeister.
Deshalb erwartet die Stadtverwaltung, dass die Versendung der neuen Grundsteuerbescheide zu einer beträchtlichen Anzahl von Reaktionen führen wird, wie beispielsweise Rückfragen oder Einsprüche. „Wir gehen davon aus, dass zahlreiche Haus- und Grundstückseigentümer aus der Kernstadt bei uns anrufen werden“, erklärte der Bürgermeister.
Deshalb soll im Dezember eine Informationsveranstaltung für die Bürger angeboten werden. „Wir wollen darüber informieren, dass nicht die Stadt, sondern der Bund und das Land für die Grundlagen der neuen Steuerberechnung zuständig sind“, so der Bürgermeister.
Allein um die Einnahmen der Grundsteuer B in der bisherigen Gesamthöhe (3,1 Millionen Euro) zu erzielen, muss die Stadt Bad Dürrheim den Hebesatz von derzeit 500 auf 557 anheben – und wenn man noch einen kleinen Puffer für Ungenauigkeiten haben wollte, auf 565.
Nun hat Bürgermeister Jonathan Berggötz aber in Anbetracht der gewaltigen Investitionen, die für Bad Dürrheim in den nächsten zehn Jahren anstehen, eine weitergehende Erhöhung des Hebesatzes ins Spiel gebracht.
In der Sitzung des Verwaltungsausschusses legte der Bürgermeister die Karten auf den Tisch: Um die künftigen Aufgaben zu meistern, hält Jonathan Berggötz einen Hebesatz von 600 für notwendig. Letztlich entscheidet der Gemeinderat über die Höhe des Hebesatzes.
Bürgermeister Jonathan Berggötz bat die Fraktionen, über die Thematik zu diskutieren und seinen Vorschlag, der jährliche Mehreinnahmen von 241.000 Euro für die Stadtkasse bringen würde. „Viele Grundstückseigentümer werden bei einer Erhöhung des Hebesatzes auf 600 immer noch weniger zahlen als bisher“, kündigte er an.
Die Städte und Gemeinden können ihre Hebesätze selbst festlegen, die Grundsteuer fließt komplett in den städtischen Haushalt. Eine Hebesatzerhöhung müsse jetzt politisch diskutiert und dann entschieden werden, meinte der Bad Dürrheimer Bürgermeister und fügte hinzu: „Wir brauchen auf jeden Fall mehr Geld, im Hinblick auf den Haushalt müssen wir die Einnahmen erhöhen, denn wir haben Mammutaufgaben vor uns“. Bereits am 12. November soll im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates über den künftigen Hebesatz gesprochen werden, bevor der Gemeinderat ihn dann 16 Tage später festlegt.
Auch Bewohner, die kein eigenes Grundstück oder Haus haben, sind von der Grundsteuer betroffen, denn sie wird von den Vermietern in Form von Nebenkosten auf die Mieter umgelegt. Neben der Grundsteuer kann die Stadt auch die Hebesätze der Gewerbesteuer, der Fremdenverkehrsabgabe, der Vergnügungs- und Hundesteuer sowie der Zweitwohnungssteuer selbst bestimmen.
Allerdings muss die Stadt einen Teil der Gewerbesteuer wieder in Form einer Umlage an das Land abführen. Zudem machten Vertreter der Gemeinderatsfraktionen deutlich, dass im Moment eine Gewerbesteuererhöhung nicht angedacht ist. Dagegen hat die Stadt bereits vor wenigen Jahren die Zweitwohnungssteuer und die Vergnügungssteuer neu geregelt und erzielt hier deutlich mehr Einnahmen.
Die Bodenwerte, die bei der Grundsteuer in die Bewertung der einzelnen Grundstücke einfließen, wurden vom Gutachterausschuss festgelegt, der für Bad Dürrheim in Zusammenarbeit mit der Stadt Donaueschingen gebildet wurde.
Der Bodenrichtwert ist der durchschnittliche Lagewert innerhalb eines Gebietes mit ähnlicher Grundstücksnutzung, es ist also nicht der individuelle Wert eines einzelnen Grundstücks. Gegen diesen vom Gutachterausschuss festgelegten Wert kann grundsätzlich weder Einspruch beim Finanzamt noch bei der Stadt eingelegt werden.
In Bad Dürrheim und seinen sechs Ortsteilen werden für die Grundsteuer B, die für Wohngebäude gilt, rund 7.000 Grundstücke neu bewertet und für die Grundsteuer A rund 800 landwirtschaftliche Grundstücke. Zuletzt wurden die Grundsteuerhebesätze in Bad Dürrheim im Zusammenhang mit der Sanierung des Minara 2016 und 2017 von 420 auf 500 erhöht.
Fabian Goedecke legte den Stadträten und sachkundigen Einwohnern im Verwaltungsausschuss einige Beispiele aus der Grundsteuerveranlagung vor. Für ein Einfamilienhaus, das auf einem 600 bis 700 Quadratmeter großen Grundstück steht, sind heute 395 Euro Grundsteuer pro Jahr fällig. Bei gleichem Hebesatz (500) werden es ab dem kommenden Jahr 815 Euro sein, also 420 Euro mehr. Erhöht die Stadt nun den Hebesatz auf 600, würde die jährliche Belastung auf 978 Euro steigen.
Anderes Beispiel für ein ähnlich großes Grundstück mit einem Einfamilienhaus in einem Ortsteil: hier sind derzeit 650 Euro pro Jahr zu zahlen, ab dem nächsten Jahr wären es bei einem unveränderten Hebesatz nur noch 225 Euro, also 425 Euro weniger. Würde die Stadt den Hebesatz auf 600 erhöhen, müssten die gleichen Eigentümer 270 Euro pro Jahr zahlen, also immer noch 380 Euro weniger als bisher.
Für eine Eigentumswohnung in der Kernstadt, für die heute jährlich 360 Euro Grundsteuer fällig werden, müssen aufgrund der gesetzlichen Änderung ab 1. Januar 2025 genau 95 Euro pro Jahr bezahlt werden, also 265 Euro weniger. Würde die Stadt nun den Hebesatz auf 600 erhöhen, würde die Grundsteuer 114 Euro pro Jahr betragen, also immer noch 246 Euro weniger als bisher.
Sparen würden auch auf jeden Fall Wohnungseigentümer in den Ortsteilen: Für eine Wohnung, für die heute beispielsweise 205 Euro pro Jahr fällig sind, sind es ab dem nächsten Jahr nur noch 120 Euro und auch nach einer Erhöhung des Hebesatzes in Bad Dürrheim wären für die gleiche Wohnung nur 144 Euro fällig, also immer noch 61 Euro weniger als bisher.
Eine Gewerbefläche in der Kernstadt, für die im Moment jährlich 2.650 Euro Grundsteuer kassiert werden, wird durch die Umstellung ab dem kommenden Jahr nur noch mit 2.125 Euro belastet, wenn die Stadt den Hebesatz unverändert lässt. Erhöht sie ihn auf 600, zahlt der Eigentümer dann 2.550 Euro pro Jahr und damit immer noch weniger als bisher.
Stadtrat Wolfgang Kaiser (LBU) sagte, bei der Grundsteuer gehe es auch um Gerechtigkeit, der Gesetzgeber besteuere diejenigen höher, die mehr Fläche verbrauchen. Er machte darauf aufmerksam, dass die Kommunen neuerdings auch eine erhöhte Grundsteuer (Grundsteuer C) für baureife Grundstücke verlangen können, die noch nicht bebaut sind. Darüber solle man aber frühestens in den Haushaltsberatungen für 2026 sprechen, meinte Bürgermeister Berggötz.
„Wir haben nicht viele Möglichkeiten, die Einnahmen der Stadt zu erhöhen“, so Stadtrat Wolfgang Kaiser, und: „Eine Gewerbesteuererhöhung scheidet für meine Begriffe aus, die Struktur des Gewerbes in Bad Dürrheim gibt das nicht her“. Der Gemeinderat müsse bei der Diskussion um die Grundsteuer die finanzielle Gesamtsituation im Blick haben sowie die geplanten Investitionen in den nächsten Jahren wie die Realschulerweiterung für den Umzug der Werkrealschule in den künftigen Schulverbund und den Finanzbedarf der Kur- und Bäder GmbH, die das Solemar sanieren will.
Kaiser verwies darauf, dass der Gemeinderat bereits Einsparungen im Infrastrukturbereich beschlossen hat wie den Verzicht auf die Sanierung von Gemeindeverbindungsstraßen oder den Aufschub bei der Sanierung der Bahnhofstraße.
Dr. Klaus Götz (Freie Wähler) wies darauf hin, dass die Grundsteuer alle Bewohner trifft und mahnte: „Wir müssen schauen, ob wir auch Aufwendungen senken können und freiwillige Leistungen der Stadt“.
Can Zileli (SPD) verwies ebenfalls über die anstehenden Investitionen und meinte: „Wir werden nicht die einzige Stadt in der Umgebung sein, die die Grundsteuer erhöht“.
Hintergrundinfo: Die bisherige Grundsteuer ist ungerecht. Sie wird auf der Basis von Werten der Jahre 1935 oder 1964 berechnet. Das Bundesverfassungsgericht hat die alte Grundsteuer deshalb im Jahr 2018 verworfen. Der baden-württembergische Landtag hat dann im Jahr 2020 ein neues Landesgrundsteuergesetz verabschiedet, das ab 1. Januar 2025 umgesetzt wird. Deshalb wurde eine Art Inventur durchgeführt, Eigentümer mussten gegenüber dem Finanzamt Villingen-Schwenningen eine Erklärung abgeben und zum Beispiel angeben, ob das Grundstück überwiegend zum Wohnen genutzt wird oder nicht. Die erhielten dann einen Grundsteuer-Messbescheid, der auch für die Stadt Bad Dürrheim verbindlich ist. Die erste Vorauszahlung mit den neuen Sätzen ist am 15. Februar 2025 fällig.