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Neulußheim aus der Luft mit Bildern und Anekdoten des Heimatvereins

Die Gass nuff oder nunner und auch nüber naus. Noch bessere und eindeutigere Orientierungen gab es in den 60er-Jahren in Neulußheim wohl kaum. Eine Zeit,...

Die Gass nuff oder nunner und auch nüber naus. Noch bessere und eindeutigere Orientierungen gab es in den 60er-Jahren in Neulußheim wohl kaum. Eine Zeit, in der Neulußheim noch ländlich geprägt war, die Menschen sich untereinander kannten und wirtschaftlich mit der Bebauung im Aufbruch waren.

Das „Aktiv im Alter“-Team um Alexandra Özkalay begrüßte im vollbesetzten Gemeindesaal vom Heimatverein Brigitte Koch-Brömmer (1. Vorsitzende), Ingeborg Bamberg und Hanspeter Rausch, die die Gäste mit einer Luftbildpräsentation in die 60er- und 70er-Jahre mitnahmen. Dem unermüdlichen Wirken von Dieter Villhauer sei es zu verdanken, so Koch-Brömmer, dass zahlreiche alte Bilder gesammelt und von ihm archiviert wurden. Ein unschätzbarer Gewinn für den Heimatverein.

Er freue sich, so Hanspeter Rausch, ein kompetentes Publikum vorzufinden und bat gleichzeitig die liebevoll benannten „Eingeborenen“ um Kontrolle, ob beim Flug über Neulußheim alle Aussagen der Richtigkeit entsprächen. Freuen würde sich der Heimatverein, wenn noch in Kisten oder Kellern vorhandene Fotos oder Erinnerungsstücke dem Heimatverein zur Verfügung gestellt werden würden.

Und los ging der Flug mit einem Panoramafoto von 2019 und der Evangelischen Kirche um 1948 und dem alten Ortskern mit den Wirtschaften Adler und Bären. Wie gut, dass es alte Dokumente über humorvolle Anekdoten wie von Heinz Schmitt, Inge Steidel und dem verstorbenen Günter Langlotz gibt, von denen Brigitte Koch-Brömmer, Ingeborg Bamberg und Hanspeter Rausch zwischen den Aufnahmen berichteten. So ein Gast im Bären, der die Anzahl seiner Biere nicht mehr wusste, es aber anhand der Höhe seines übergelaufenen Nachttopfes dann doch nachvollziehen konnte. 11 Biere waren es. Oder als ein Gebiss ins Puhlloch fiel und der Totengräber am Stammtisch anbot, wenn keins der gefundenen Gebisse passe, er immer ein paar Gebisse dabei hätte.

Das Gebiet um die Waghäuseler Straße zeigte Bilder mit alten Scheunen, die Tankstelle Villhauer, den Messplatz mit der Turnhalle und dem kleinen Handballspielfeld, das Anwesen Teppich-Kuppinger, die Kazmaierstraße und in der St. Leoner Straße die alte Zigarrenfabrik sowie die Schulhäuser und Richtung Süden die Schreinerei Villhauer. Über die Bahn Richtung Reilingen die Sägefabrik Fischer, das Stellwerk und das Bahnwärterhäusel. Erinnerungen an die Firma Plasty in der Bahnhofstraße und das sog. Schwarzwaldhäusel, wo Sozialfälle wohnten, wurden ebenso wach, wie das Foto in der Schulstraße von Neulußheims 1. „Kinnerschul“, die keine Schule, sondern ein Kindergarten war.

Vor dem Krieg gab es an der Kreuzung keine Ampel und lediglich ein Stopp-Schild war angebracht. Als Ortspolizist Fritz Hafner einen Strafzettel für Lothar Matuszvic ausstellen wollte, wurde er verlegen, weil der dem schnellen Buchstabieren des Sünders nicht folgen konnte und ihn dann mit den Worten entließ „Heute lass’ ich dich noch mal fahren, ich kenn’ dich aber, du mit dem isemarierten Kittel“ (kariert).

Nelken gab es in allen Variationen beim Huber Gärtner in der Blumenstraße und bis Ende der 60er-Jahre gab es Ecke Schulstraße, Friedrichstraße noch Anwesen mit Hühnern, Stallhausen und Säuen. Der Strukturwandel erfolgte in den 70er-Jahren, es wurde gebaut und auf Luftbildern sah man den ersten Swimmingpool von Ewald Scheibel und extravagante Baustile wurden belächelt. In der St. Leoner Straße blickte man auf die Alten Schulhäuser, das ganze Viertel entwickelte sich rasant. Neben dem Baugeschäft Schweikart, dem Baustofflager Krauss und den Tankstellen von Walter Benz und Tankstelle Kerner an der Ortsausfahrt Hockenheimer Straße und dem Fuhrunternehmen Hagmann gab es mehr Geschäfte in Neulußheim als heute. In der Altlußheimer Straße Drogerie Reuss, Frisör und Mode Glass, in der Kornstraße die Milchmarie, die Ballreiche Eva, Wäscherei Hoffmann, das Anwesen Muschalik. 1911 eröffnete Heinrich Müller ein Fahrradgeschäft in der Hockenheimer Straße 39. 1906 hatte er mit seinem Vetter August Scheibel ein Auto gebaut, das nur wenige Kilometer am sog. Bachbuckel die Böschung herunterfuhr und ausbrannte. Die Folge war ein Spottlied der Neulußheimer.

Damals noch einsam auf dem Bild die beiden Anwesen Lenz und Stojakowitsch in der Tullastraße. Heute ist es ein eng bebautes, schmuckes Wohngebiet.

Eine weitere Anekdote gab es um einen Tanzschüler der Tanzschule Hermann Steidel, später besser bekannt als Dr. Michael Izso, der einen zweiten Kurs kostenlos absolvieren durfte und sich als Hausarzt in Neulußheim niederließ.

Auch die Geschichte der Schweinehändler, die Saihändler, die ausgerechnet am Heiligen-Drei-Königstag in Oberhausen Geschäfte machen wollten und zuvor in dem Moment das Gotteshaus betraten, als der Pfarrer von den drei Heiligen sprach, wurde an den Stammtischen belacht.

Auch zu den zahlreich gezeigten Bildern gehörte die Geschichte des katholischen Pfarrers, der seine Schäfchen aufforderte, viel zu spenden. Wer dies nicht tat, dem wünschte er Läuse und Flöhe und kurze Arme, damit sie sich nicht kratzen konnten. Zu Weihnachten bekam auch Friedel Langlotz einen Brief, indem er ihr verbot, Weihnachten in die Kirche zu kommen, weil sie die Liturgie stören würde, sie habe sich im Jahr so selten sehen lassen. Worauf sie am nächsten Tag aus der Kirche austrat und evangelisch wurde.

Und die Geschichte des Großvaters von Günter Langlotz, Afrikaner Seppel genannt, der nach der Arbeit beim Bau seines Hauses in der Wingertstraße von seiner Göttergattin das Bettzeug in die Reichskron mit den Worten gebracht bekam, „Wenn du es schon nicht nötig hast zum Nachtessen zu kommen, dann kannst du gleich im Gasthaus schlafen.“

Viel zu schnell war der Nachmittag, der mit Kuchen und Kaffee begann, zu Ende. Uschi Nitsche bedankte sich beim Heimatverein für die Gestaltung des Nachmittags, der mit zahlreichen alten Bildern und Geschichten viele schöne Erinnerungen aufleben ließ.

Bei der nächsten Aktiv im Alter Veranstaltung am Dienstag, 8. April, 15.00 Uhr, berichtet die Freiwillige Feuerwehr Neulußheim, die in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen hat.

Text und Bilder: Renate Hettwer

Erscheinung
Lußheimer Nachrichten
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Ausgabe 13/2025

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Kategorien

Panorama
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von Aktiv im Alter
27.03.2025
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