Wenn in früheren Zeiten Opa August ein schmerzhaftes Ziehen in seiner linken Schulter verspürte, wusste man, dass die Zeit für die Heuernte gekommen war. Natürlich hatte man schon im zeitigen Frühjahr die Sensen gedengelt und die abgebrochenen Zinken in den Holzrechen ersetzt. Man konnte also gleich am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang loslegen.
Ein geübter Mäher vermochte bei günstigen Bedingungen ein Drittel Hektar zu mähen. Daher leitet sich die alte Bezeichnung „ein Tagwerk“ ab. Viele Nebenerwerbslandwirte gingen nach der kräftezehrenden frühmorgendlichen Arbeit ihrer regelmäßigen Berufstätigkeit in der Industrie oder im Handwerk nach. Das Wenden des Schnittguts war dann Frauen- und Kinderarbeit. Oft ging die Sache schief, weil die sommerliche Hochdruckwetterlage doch nicht so stabil wie erwartet war. Kann bereits trockenes Heu nicht eingebracht werden und wird verregnet, verliert es deutlich an Qualität oder wird sogar völlig unbrauchbar.
Glücklicherweise hat sich die Treffsicherheit der Wetterprognosen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, eine Sache für Frühaufsteher ist das Mähen als erster Arbeitsgang immer noch geblieben. Natürlich ist der Grasschnitt mit modernen Scheibenmähwerken auch an einem heißen Nachmittag möglich, doch inzwischen geht der Heugewinnung regelmäßig eine Drohnenbefliegung der Wiesengrundstücke mit einer Wärmebildkamera voraus. Dies muss bei kühlen Temperaturen geschehen. Nur dann heben sich die warmen Körper der Rehe und ihrer Kitze deutlich genug von den kühlen Grünlandflächen ab. Lokalisierte Jungtiere werden außerhalb der zum Schnitt vorgesehenen Flächen in Sicherheit gebracht. Sie kennen noch keinerlei Fluchtinstinkt und sind darauf programmiert, regungslos an ihrer Stelle zu verharren. Für die Muttertiere ist es ein Leichtes, ihren Nachwuchs wieder aufzufinden, auch wenn er an einer anderen Stelle abgelegt wurde, allein der Geruch führt sie wieder zu ihren Kitzen.
Längst sind die Zeiten vorbei, in denen das Heu mit langstieligen Gabeln auf Wagen geladen und in den örtlichen Scheunen lose gelagert wurde. Auch die früher landschaftsprägenden Heuböcke auf den Grünlandflächen gehören der Vergangenheit an, und die Ära der gut zwanzig Kilogramm schweren Kleinballen geht ebenfalls zu Ende. Standard sind mittlerweile Rund- beziehungsweise Großballen mit einem Gewicht von rund 250 Kilogramm, die nach dem Pressvorgang mit Frontladern manövriert werden. Zwischen Schnitt und Pressung liegt der für die Qualität des Heus maßgebliche Trocknungsvorgang. Je nach Witterung muss das Schnittgut am besten zur Mittagszeit zwei- oder dreimal gewendet werden, jedoch nicht zu oft, da sonst die im Gras enthaltenen eiweißreichen Samenkörner zu Boden fallen. Das nach dem Wenden zu langen Streifen zusammengeschwadete und zum Pressen bereite Heu erzeugt an den Frühsommertagen ein sowohl malerisches als auch nur kurz währendes Landschaftsbild.
„Gutes Heu muss kleppere (klappern)“, sagte einst ein alter Landwirt, es muss sich geradezu spröde und völlig durchgetrocknet anfühlen. Selbst dann beträgt die Restfeuchte noch rund 13 Prozent, und in den mit Hochdruck gepressten Ballen findet ein rund sechs Wochen währender Fermentiervorgang statt. Erst dann kann es verfüttert werden, heutzutage zumeist an Pferde, da andere Nutztiere in unserer Region recht selten geworden sind. Nach dem ersten Schnitt wächst auf den Grünlandflächen – auf Weingartener Gemarkung sind es noch ungefähr 150 Hektar – weiteres sogenanntes Rauhfutter nach. Dies ist deutlich zarter und feiner. Das sogenannte Ohmed wird von Ziegen, Schafen und Jungrindern bevorzugt, denn auch in der Tierwelt gibt es Feinschmecker. Somit hoffen auch jetzt wieder die örtlichen Landwirte auf etwas Regen in den Sommermonaten, denn nur dann lohnt sich ein zweiter oder sogar manchmal noch ein dritter Schnitt. (gö)