Wir setzen die Veröffentlichung der Biografien der ermordeten Frauen und Männer, denen mit den neuen Stolpersteinen in Ettlingen gedacht wird, fort.
Franz Adalbert Blödt, Lange Str. 2, Schluttenbach
Franz Adalbert Blödt wurde am 3. April 1907 in Schluttenbach geboren. Er wohnte mit seiner Familie in der damaligen Hauptstraße 2. Sein Vater war Michael Blödt, der 1930 verstarb, seine Mutter Katharina Blödt, geb. Strickfaden. Als Vormund und Pfleger wurde Albert Blödt aus Schluttenbach bestimmt. Bei Franz Adalbert wurde „angeborener Schwachsinn“ diagnostiziert.
Das Erbgesundheitsgericht Karlsruhe beschloss 1936, dass seine Unfruchtbarmachung „im höheren Interesse der Volksgemeinschaft unvermeidlich“ sei. Der Vormund erhob dagegen Beschwerde, die aber zurückgewiesen wurde. Da Franz Adalbert mit seinem Vormund nicht zum angeordneten Termin im Städtischen Krankenhaus in Karlsruhe erschien, wurde er am 2. September 1936 von der Gendarmerie Ettlingen mit einem „von der Gemeinde Schluttenbach und auf deren Kosten zur Verfügung gestellten Personenkraftwagen“ ins Städtische Krankenhaus verbracht, wo die Unfruchtbarmachung durchgeführt wurde.
Zirka 400 000 „Erbkranke“ wurden zwangssterilisiert.
Franz Adalbert Blödt wurde am 22. September 1937 in die Hub, ein Pflegeheim in Ottersweier eingewiesen. Von dort wurde er am 21. Februar 1940 mit einem Transport nach Grafeneck „verlegt“ und im Rahmen der „Aktion T4“ in dieser NS-Tötungsanstalt ermordet.
Hunderte Männer und Frauen aus der Hub wurden von 1940/41 ermordet. Viele wurden erst zwangssterilisiert.
Hinweise auf Widerstand gegen die Transporte wurden nicht gefunden.
Aktion T4 ist eine nach 1945 gebräuchlich gewordene Bezeichnung für den systematischen Massenmord an mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1941 unter Leitung der Zentraldienststelle T4. T4 steht für die Tiergartenstraße 4 in Berlin. Von hier aus wurde dieser Massenmord organisiert. Diese Ermordungen waren Teil der Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus, denen über 200.000 Menschen zum Opfer fielen.
Ihr Leben wurde als „lebensunwert“ bezeichnet, ihre Ermordung hieß „Euthanasie“. Sie starben in den Gaskammern von Grafeneck, Brandenburg, Hartheim, Pirna, Bernburg und Hadamar. Ebenso durch geplanten Hunger und Gift.
Die Täter waren Wissenschaftler, Ärzte, Pfleger, Angehörige der Justiz, der Polizei, der Gesundheits- und Arbeitsverwaltungen.
Rassenhygienische Vorstellungen der Eugenik und kriegswirtschaftliche Erwägungen wurden zur Begründung der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ herangezogen
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Eugen Günter, Lange Straße 30
Eugen Günter wurde am 20. Februar 1906 in Schluttenbach geboren. Seine Familie wohnte in der damaligen Hauptstraße 30. Sein Vater war Bürgermeister. Er hatte vom 1. Weltkrieg eine Kopfverletzung und verstarb früh. Eugen wuchs als Halbwaise auf. Die Familie hatte noch drei weitere Kinder. Eugen war katholisch, ledig, als Beruf wurde in den Akten „Hilfsarbeiter“ angegeben.
Vom 24. August 1939 an war Eugen in der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch untergebracht. Von dort wurde er nach Grafeneck „verlegt“, wo er am 28. Juni im Rahmen der „AktionT4“ im Gas ermordet wurde.
Die von den psychisch Kranken so sehr gefürchteten grauen Busse der Gemeinnützigen Krankentransportgesellschaft (GeKraT) brachten die Männer und Frauen in die Tötungsanstalt Grafeneck. Dort wurden sie sofort entkleidet, einer ärztlichen Scheinuntersuchung unterzogen und anschließend gruppenweise in die Gaskammer gedrängt, wo sie einen qualvollen Tod durch Kohlenmonoxyd starben. Danach wurden die Leichen im Krematorium verbrannt und die Angehörigen mit fingierten Briefen vom Tod benachrichtigt.
Das Personal, das unmittelbar an den Krankenmorden beteiligt war, war zur Abschirmung nach außen kaserniert und wurde durch Ausflüge und gemeinsame Feiern abgelenkt, wobei dem geförderten Alkoholkonsum eine wichtige Funktion zukam. Diese Mordgehilf*innen wurden später in den Vernichtungslagern für die Ermordung der Juden eingesetzt. Die Ermordung der Kranken kann als Vorbereitung der späteren Ermordung der Juden angesehen werden.
Bereits im 19. Jahrhundert gab es die darwinistische Denkweise, dass gesellschaftliches Leben durch eine als „Kampf ums Dasein“ bezeichnete Auseinandersetzung gekennzeichnet ist, welche nur zum Überleben der „Tüchtigsten“ führt. Die Kosten für die notwendige Pflege Behinderter wurde als Last für das „Volk“ dargestellt.
Da Hitler nicht nur aufgrund seiner Massenbasis in den deklassierten Mittelschichten, sondern vor allem durch die Unterstützung der Industrie an die Macht gekommen ist, musste er dieser auch beste Verwertungsmöglichkeiten einräumen. Der Begriff der „Arbeitsfähigkeit“ war das Kriterium, das entschied, ob Kranke umgebracht wurden oder verschont blieben.
Wegen dem Anwachsen der Kriegsverletzten wurde zusätzlicher Lazarettraum benötigt. Dafür leerte man die Heilanstalten und ermordete die Patient*innen.