Für jeden Automobilisten und Oldtimerfreak ist ein Zwischenstopp in Wiesloch ein absolutes Muss bei Ausfahrten, egal ob Schnauferlclub, die MG-Fans oder wie aktuell die „NSU Ro 80“-Liebhaber – die erste Tankstelle der Welt wird gerne angesteuert, um nachzuspüren, was vor mehr als 125 Jahren durch Bertha Benz angestoßen wurde.
Am vergangenen Sonntag trafen sich mehr als 80 Liebhaber und Besitzer des Ro 80 und parkierten ihre Schätzchen publikumswirksam in der Innenstadt. Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Dr. Adolf Suchy vor der historischen Stadt-Apotheke, die es später zu besichtigen galt. Aufgrund der Teilnehmergröße konnte Dr. Suchy mit den Besuchern ins Rathaus ausweichen, wo er einen fundierten Vortrag hielt über die Bedeutung der Stadt-Apotheke und Bertha Benz für Wiesloch.
Die Neuvorstellung des NSU Ro 80 sorgte 1967 auf der IAA für großes Erstaunen und Furore, welcher vom damals kleinen Hersteller NSU aus Neckarsulm produziert wurde. Namensgeber Felix Wankel war 1951 auf NSU gestoßen. Der gelernte Verlagskaufmann hatte weder eine fundierte technische Ausbildung noch eine mathematische Begabung, aber viele geniale Ideen.
Durch eine Kooperation mit dem Heilbronner Unternehmen wurde der Rotationskolbenmotor entwickelt, der ab 1954 zum Einsatz kam, und später zum Kreiskolbenmotor oder auch „Wankelmotor“ weiterentwickelt wurde. Danach setzte ein regelrechter Run auf die Lizenzrechte aus aller Welt ein.
Sein zukunftsweisendes Design sorgte dabei für noch mehr Aufsehen. Da der PKW noch nicht voll ausgetestet war, die Lizenznehmer und auch die Kreditgeber aber ein marktfähiges Modell forderten, wurde der Ro 80 präsentiert, jedoch viel zu früh, wie sich später herausstellte.
Im Gespräch mit den teilnehmenden Ro 80 Liebhabern wurde diese Thematik auch besprochen. Die meisten davon haben 3 bis 5 Modelle in der Garage stehen und erfreuen sich an eben solchen Treffen wie diesen in Wiesloch.
„Ich liebe dieses Auto, deshalb habe ich auch 5 davon gesammelt, zwei davon dienen als Ersatzteillager“, so Heiko Rossnagel. Steffen Hofmann verwies auf die einmalige Sammlung im Museum AutoVision in Altlußheim, wo der Besitzer, selbst Liebhaber des Fahrzeugs, 85 Motoren ausgestellt hat.
„Der Wankelmotor war in jeder Hinsicht seiner Zeit voraus und hat als Quasi-Turbine die damalige Technologie und die verfügbaren Werkstoffe überfordert. Da musste noch viel Aufwand in die Weiterentwicklung gesteckt werden, war aber durchaus verständlich ist, denn der 4-Takt-Motor („Schüttelhuber“ lt. Felix Wankel, der eine lineare Bewegung erst in eine Rotation umsetzen muss) hatte ja damals schon 80 Jahre Entwicklung hinter sich. Kein Wunder, dass die Automobilindustrie vor dieser mit Risiken behafteten Herausforderung zurückgeschreckt ist“, so Dr. Suchy.
Auf die Frage, ob der Einbau nach einer Weiterentwicklung des Wankelmotors auch heute noch denkbar wäre, antwortet Dr. Suchy: „Dies ist eigentlich eine Frage nach der Wirtschaftlichkeit für den Hersteller wie auch für den Nutzer. Wankelmotoren wurden nach der Einstellung des Ro 80 weiterhin in einer Kleinserie von Mazda in Sportwagen eingebaut. Dort waren dann eigentlich die Kinderkrankheiten überwunden.“
Ein Manko des Ro 80 war der erhöhte Kraftstoffverbrauch. Dem gegenüber wurden die Verbräuche bei den Otto-Motoren in den letzten Jahren in erstaunlicher Weise gesenkt, sodass auch dieser technologische Vorsprung erst einmal aufzuholen wäre.
Der Ro 80 war in jeder Hinsicht ein futuristisches Fahrzeug, nicht nur, was den Antrieb angeht, sondern auch im Design. Das Fahrzeug war seiner Zeit weit voraus.“ Die „Ro 80“-Fahrzeughalter, die aus allen Teilen Deutschlands, und auch aus Österreich und der Schweiz angereist waren, waren begeistert von Wiesloch und der Stadt-Apotheke, wo ihnen auch eine Urkunde ausgehändigt wurde, ehe die Fahrt sie im glänzenden NSU Ro 80 wieder in Richtung Heimat führte. (chs)