Im Interview spricht Dr. Rebecca Ziegler über ihr Programm, die Themen Wohnen, Alter, Jugend, Wirtschaft und Tourismus.
SW: In Ihrem Wahlprogramm steht, Sie wollen Schwetzingen aus den Augen der Bürger sehen. Können Sie Beispiele nennen, wo Sie in Ihrer Amtszeit die Bürger besser beteiligen können?
Ziegler: Ich nehme das auf, was mir die Bürgerinnen und Bürger zutragen. Ich habe bereits die Aktion „Meine Beste Idee für …“ durchgeführt und hierauf sehr viele Rückmeldungen erhalten. Zudem habe ich in den vergangenen Wochen sehr viele Gespräche geführt, allein etwa 45 mit Vereinen, Verbänden und Unternehmen. Bei diesen Gesprächen wurde geäußert, dass Transparenz und Bürgerbeteiligung in der Vergangenheit nicht so gelebt worden seien, wie die Bürgerinnen und Bürger sich das gewünscht hätten. Ich möchte in meiner Amtszeit die bereits begonnene Verfahrensweise fortsetzen: Mehr Transparenz, mehr Bürgerbeteiligung und mehr Offenheit in allen Prozessen.
Wie soll das aussehen?
Ziegler: In wegweisende und sehr streitige Entscheidungen möchte ich die Bürgerinnen und Bürger aktiv einbeziehen. Aber es geht vor allem darum, immer an den Bürgerinnen und Bürgern dran zu bleiben. Ich bin jemand, der mit allen Menschen der Stadt Schwetzingen offen kommuniziert. Ich möchte die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger permanent aufnehmen und in meine Arbeit umsetzen.
Das Thema Wohnen liegt Ihnen sehr am Herzen. Wie gravierend ist die Situation der Leerstände derzeit in Schwetzingen?
Ziegler: Aufgrund meiner Haustürbesuche bin ich in sehr vielen Wohngebieten und auch in der Kernstadt herumgekommen. Dabei habe ich einiges an Leerstand gesehen. Es gibt Häuser, aber auch städtische Liegenschaften, die leer stehen. Wie viele dies insgesamt sind, kann ich nicht sagen. Ich gehe allerdings von einer erheblichen Anzahl aus. In anderen Städten, die Leerstände katastermäßig erfassen, wurden Leerstände von bis zu 10 % des Wohnungsbestandes festgestellt.
Sie sprechen von alternativen Wohnformen, vor allem für ältere Menschen. Wie könnte sowas aussehen?
Ziegler: Es geht beispielsweise um betreutes Wohnen, Mehrgenerationenhäuser oder Senioren-WGs. Ich möchte, dass ältere Menschen möglichst lange in einem sozialen Verbund bleiben, so dass die Kontakte aufrechterhalten werden können. Dies, damit sie im Alter weiterhin eine gewisse Unterstützung erfahren und nicht vereinsamen. Im Hebelhaus, was über 44 Apartments mit betreutem Wohnen verfügte, wurde meines Wissens der Betreuungsvertrag durch das Deutsche Rote Kreuz gekündigt. Insofern gibt es aktuell nur sehr wenige Wohnungen mit betreutem Wohnen in Schwetzingen. Es ist zwar in den Schwetzinger Höfen diesbezüglich etwas geplant, ob das kommen wird, ist aber fraglich. Mehrgenerationenhäuser und andere alternative Formen des Zusammenlebens gibt es in Schwetzingen derzeit noch nicht.
In den Schwetzinger Höfen wurde jetzt Wohnraum geschaffen. Halten Sie das Projekt für gelungen?
Ziegler: Fakt ist, dass der Wohnraum, der geschaffen wurde, sehr teuer ist. Die sozial geförderten Wohnungen werden für 14 Euro den Quadratmeter angeboten. Die restlichen Wohnungen sind noch teurer. Mein Eindruck nach den Haustürbesuchen ist, dass dort hauptsächlich Menschen aus dem Umland wohnen, weil beispielsweise die Mieten in Heidelberg unerschwinglich sind. Es ist also nicht so, dass das jetzt Wohnräume für Schwetzinger wären. Die Rechnung der Stadtspitze, dass Schwetzinger in diese Wohnungen einziehen und dann an anderer Stelle in der Stadt wieder Wohnungen frei werden, geht meines Erachtens nicht auf.
Haben Sie vor, sozialen Wohnraum zu erweitern?
Ziegler: Ich möchte „bezahlbaren“ Wohnraum schaffen. Für junge Menschen, die erstmals von zu Hause ausziehen, für Familien, für Seniorinnen und Senioren, deren Rente stetig an Kaufkraft verliert, oder auch für Berufsgruppen, die vergleichsweise wenig verdienen, wie Altenpfleger, einfache Polizisten oder Erzieher. Das ist mir ein großes Anliegen. Ich würde mich an diesen unteren Einkommensgruppen orientieren. Dabei soll insgesamt nicht mehr wie ein Drittel des Nettoeinkommens für Wohnraum aufgewendet werden, sodass die Miete stand heute bei etwa 10 Euro pro Quadratmeter liegen würde. Dieser bezahlbare Wohnraum muss subventioniert werden, insofern ist der Stadt natürlich auch nach unten eine Grenze gesetzt.
Was die Jugendarbeit angeht, es gibt ja schon das Go In als Jugendzentrum. Warum wollen Sie ein komplett neues Jugendzentrum schaffen?
Ziegler: Ich möchte ein weiteres Jugendzentrum einrichten, weil das Go In nur begrenzt geöffnet hat und es Probleme mit den Anwohnern gibt, die sich an den Geräuschen der Kinder und Jugendlichen stören. Viele Jugendliche treffen sich am Abend im öffentlichen Raum, zum Beispiel am Heckerplatz oder am Bolzplatz in der Nordstadt oder auch am Privatgymnasium. Ich möchte daher ein Jugendzentrum, das länger geöffnet hat. Die Jugendlichen sollen die Möglichkeit haben, dort bis zum späten Abend und an den Wochenenden zu grillen oder eine Geburtstagsfeier zu veranstalten. Was mir auch wichtig ist, dass es Fitnessgeräte gibt, an denen sich junge Menschen auspowern können, und weitere attraktive Angebote. Ich würde das endgültige Konzept gemeinsam mit einem neu einzurichtenden Jugendgemeinderat erarbeiten wollen.
Welche Aufgaben hat der Jugendgemeinderat?
Ziegler: Er kann zu allem Stellung nehmen. Mir wurde zugetragen, dass es früher einen Jugendgemeinderat gab, dessen Beschlüsse nicht ernst genommen wurden. Für Jugendliche ist es zudem schwer zu begreifen, dass wenn sie heute einen Beschluss fassen, dieser erst nach Jahren umgesetzt wird, unter Umständen wenn sie schon längst nicht mehr im Jugendgemeinderat sind. Es sollten daher schon heute finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, sodass die Jugendlichen auch das Gefühl haben, in der Stadt etwas bewirken zu können.
Sie wollen, dass Mitarbeiter der Stadt Senioren Besuche abstatten. Wie ist das personell zu stemmen, wenn das Verwaltungspersonal, wie in vielen anderen Städten, am Limit läuft?
Ziegler: In anderen Städten wird das bereits praktiziert, also scheint es nicht unmöglich zu sein. Es ist so, dass man sich ganz genau anschauen muss, was der einzelne Bedienstete macht, ob man Bürokratie abbauen kann und ob man Verwaltungsverfahren vereinfachen oder digitalisieren kann, sodass Kapazitäten freiwerden, um sich neuen oder wegweisenden Aufgaben in der Kommune zu widmen. Ich denke, dass ich dafür die Richtige bin: Ich war ja in meiner Zeit in der Oberfinanzdirektion für Fragen der Organisation und Digitalisierung der Finanzämter in Baden-Württemberg zuständig.
Sie wollen auch das Gewerbe ankurbeln. Zum Tompkins Areal selbst mal eine offene Frage. Sie werden Oberbürgermeisterin: Wie sieht das Areal im Jahr 2030 aus?
Ziegler: Es ist mir wichtig, dass ausreichend Fläche für finanzstarke und innovative Familienunternehmen verwendet wird, die attraktive Arbeitsplätze bieten und sich in der Region engagieren. Diese Unternehmen müssen auch die Möglichkeit der späteren Erweiterung haben. Die hierdurch entstehende Wertschöpfung führt zu Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt. Auch die maßvollen Ansiedlung von Start-Ups ist sinnvoll, weil das eine Stadt attraktiv und dynamisch hält. Die Errichtung des geplanten Solarparks ist ebenfalls in meinem Interesse. Die finanzielle Situation in Schwetzingen sieht nicht gut aus. Wir haben zwar derzeit keine Schulden, aber die Maßnahmen, die vom Gemeinderat bereits beschlossen wurden, und der Instandhaltungsrückstau, den wir in Schwetzingen haben, führt dazu, dass uns finanziell die Hände in den nächsten Jahren gebunden sind, wenn wir nicht schleunigst gegensteuern.
Was heißt das?
Ziegler: Dass keine finanziellen Mittel mehr für irgendetwas anderes zur Verfügung stehen, außer den laufenden Betrieb.
Der Tourismus ist für Sie eine Säule der Stadtkasse. Wie wollen Sie ihn fördern?
Ziegler: Die Besucherzahlen im Schloss sprechen dafür, dass Schwetzingen attraktiv für Touristen ist. Mir geht es darum, dass wir die Touristen, die vor Ort sind, besser nutzen. Das heißt, dass diese vermehrt in die Innenstadt geleitet werden, die Geschäftsstraßen beleben und vor Ort einkaufen. Mit den Schwetzingern allein werden wir den Einzelhandel auf Dauer nicht halten und seine Qualität auch nicht verbessern können. Es ist nun einmal so, dass der Online-Handel nicht aufzuhalten ist.
Mir liegt es außerdem am Herzen, dass die Kurpfalz als solches nach vorne gebracht wird. Ich möchte daher im Laufe meiner Amtszeit die Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste erneut angehen. Dies geht selbstverständlich nur im Einverständnis mit der Landesverwaltung, der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg.