
So schnell war selten ein ökumenischer Jahresausflug ausgebucht! Der Grund dafür: Bei seinem Bildbetrachtungsvortrag zu dem Werk „Der Kampf zwischen Fastnacht und Fasten“ von Pieter Bruegel d. Ä. im März dieses Jahres in Dossenheim hatte der emeritierte Professor für Volkskunde an der Universität Freiburg eine große Zuhörerschaft in seinen Bann gezogen. Sein Angebot, Interessierte gerne einmal durch seine Heimatstadt Rottweil zu führen, nahm Pfarrer Ronny Baier sofort freudig an und so war das Ziel des diesjährigen ökumenischen Ausflugs von Dossenheim und Schriesheim gefunden.
Am Morgen des 11. Oktobers machte sich eine erwartungsfrohe Gruppe mit dem Bus auf in die älteste Stadt Baden-Württembergs.
Wieder einmal hatte Ronny Baier für alle Mitreisenden ein liebevoll gestaltetes Andachtsheft mit Liedern, Bildern und Texten vorbereitet, und so startete die Fahrt mit einem Morgenlob samt Reisesegen. An der Raststätte Sindelfinger Wald wurde ein köstliches Buffet aufgebaut, mit gefüllten Hörnchen, überbackenen Laugenstangen, Äpfeln, Hefezöpfen, Sekt und Wasser. Kein Wunder, dass bei solch einem verlockenden Angebot die Pause länger ausgedehnt wurde als geplant und wir daher (und aufgrund einiger Umleitungen) etwas verspätet unser Ziel erreichten.
Bei herrlichem Sonnenschein empfing uns Herr Mezger am Heilig-Kreuz-Münster und tauchte mit uns im Innern des Gotteshauses in dessen über 900-jährige Geschichte und in die Rottweils ein. Gebannt lauschten alle seinen äußerst kurzweiligen, oft humorvollen Ausführungen, garniert mit der ein oder anderen persönlichen Anekdote. Beeindruckend war zu erfahren, dass nach dem großen Stadtbrand von Rottweil im Jahr 1696, bei dem 96 Häuser zerstört und Dachstuhl und Turm der Kirche stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, in einem gemeinsamen Kraftakt der Bürger und vor allem der Zünfte der Schaden an Heilig-Kreuz rechtzeitig vor dem nahenden Winter behoben werden konnte.
Für Schmunzeln sorgten Mezgers Anmerkungen zum Marienaltar: Die Marienstatue stammt aus der ehemaligen Dominikanerkirche, der heutigen evangelischen Predigerkirche. Bei der Belagerung von Rottweil 1643 sollen Betende eine Antlitzveränderung bei Maria wahrgenommen haben, sie habe ihre Augen hin und her gewendet. Rottweil wurde gerettet, seitdem wird sie „Madonna von der Augenwende“ genannt. Nachdem das Kloster bei der Säkularisation an den Staat gefallen war und die Kirche evangelisch wurde, fand die Madonna Anfang des 19. Jahrhunderts ihren Platz im Münster. 2016-17 kehrte die Madonna an den Hochaltar der Predigerkirche zurück, als im Münster Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden. Den evangelischen Christen fiel nach Abschluss der Arbeiten an Heilig-Kreuz der Abschied von Maria so schwer, dass sie eine Spendenaktion für eine Kopie der Madonna ins Leben riefen. Tatsächlich steht diese nun in der Predigerkirche, wie wir uns überzeugen konnten.
Nach einer gemeinsamen Andacht im Münster folgte ein Rundgang mit unserem Experten zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Kirche wie dem überlebensgroßen spätgotischen Kruzifix von 1515, das dem Nürnberger Künstler Veit Stoß zugeschrieben wird, und den verschiedenen Altären, darunter der frühgotische Apostelaltar. Aber auch auf leicht zu übersehende Kostbarkeiten wurden wir hingewiesen: So erspähten wir beim Blick in das Gewölbe des südlichen Seitenschiffs einen Dudelsack spielenden Narren aus dem Jahr 1497, die erste Narrendarstellung in Rottweil, und auch die wunderschön verzierten Stuhlwangen aus dem 18. Jahrhundert erfreuten unsere Gemüter. Neben Hasen und Engeln gefiel besonders der Narr, der sein Kind mit Narrenbrei füttert.
Unsere nächste Station war die bereits erwähnte Predigerkirche, anschließend ging es zum Dominikanermuseum, wo wir sowohl in die Welt der Römer eintauchten (die Siedlung Arae Flaviae hatte Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. als einziger Ort im Land römisches Stadtrecht erhalten) und bestaunten die Abteilung „Sakrale Kunst des Mittelalters-Sammlung Dursch“: Skulpturen, Tafelbilder und Reliefs aus der Zeit des späten 13. bis frühen 17. Jahrhunderts wurden ab 1836 vom späteren Rottweiler Stadtpfarrer und Dekan Johann Georg Martin Dursch zusammengetragen und sind in dieser Zweigstelle des Landesmuseums Württemberg zu bestaunen.
Nach einem kleinen Rundgang durch Rottweil vorbei an prachtvollen Bürgerhäusern mit schön verzierten Erkern, an Brunnen, am schwarzen Tor, dem letzten erhaltenen Stadttor der ehemaligen Stadtbefestigung, und dem Pulverturm mit Ausblick auf den Testturm für Aufzüge war die Kapellenkirche unser letztes Ziel vor dem Abendessen. Leider konnten wir die oft gerühmte Schönheit des gotischen Kirchturms, ein markantes Wahrzeichen der Stadt Rottweil, nicht bewundern, da dieser aufgrund von Restaurierungsarbeiten für längere Zeit verhüllt bleibt. Der Innenraum wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Jesuiten in barocker Form umgestaltet. Der Jesuit Joseph Firtmair, ein Schüler des berühmten Malers und Architekten Cosmas Damian Asam, schuf die barocken Altar-, Wand- und Deckenbilder.
