
60 Regalmeter Archivmaterial aus mehr als 200 Jahren der Zinzendorfschulen – und mittendrin Kartons und Akten ohne System: Eine Herausforderung, der sich die Diplom-Archivarin Barbara Reeb mit großem Engagement angenommen hat.
Fotos, Akten, Briefe, Personalakten, Broschüren, Jahrbücher, Abiturzeitungen, Poesiealben von Internatsschülerinnen und -schülern, Zeichnungen von Klassenfahrten oder Manuskripte von Festreden – die Zahl der Archivalien schätzt sie auf 2000 Stück.
Beharrlich arbeitet sich die ehemalige Archivarin des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, Abteilung Münster, durch die Bestände im Keller des Verwaltungsgebäudes. Dort sortiert sie alle Archivalien, zuletzt lose Fotos aus den Jahren 1870 bis 2015 – von offiziellen Studioaufnahmen bis zu privaten Schnappschüssen.
„Es ging darum, zeitliche Schnitte zu setzen“, erklärt Reeb. Die Geschichte der heutigen Zinzendorfschulen beginnt 1809 mit der Gründung der Mädchenanstalt im Schwesternhaus. Kurz darauf folgte die Knabenanstalt, die nach dem Zweiten Weltkrieg in das Zinzendorfgymnasium umbenannt wurde. Aus der Mädchenanstalt gingen die Frauenschulen hervor; 1974 kam die Realschule hinzu, und seit 1986 treten alle Schularten unter dem gemeinsamen Namen Zinzendorfschulen Königsfeld auf.
Im Oktober trat Barbara Reeb bereits zu ihrem vierten Archiv-Einsatz an, ein fünfter Abschnitt ab Februar kommenden Jahres wird dann zum Abschluss führen. Vier Wochen am Stück arbeitet sie jeweils vor Ort, sortiert, ordnet und dokumentiert. Jedes Foto erhält eine Nummer, wird in Archivkartons abgelegt und digital erfasst – mit Angaben zu Motiv, Thema, Fotograf, Technik, Größenangabe und soweit möglich, Entstehungsjahr. Die Datierung vieler Aufnahmen erfordert detektivisches Gespür.
Zwischen Akten und Bildern stößt Reeb immer wieder auf spannende Fundstücke, etwa die Unterlagen eines „begnadeten Dichters“, der nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Geschichtsunterricht in Reimform gestaltete, als Geschichtsbücher verboten waren, oder auf charmante Festreden aus verschiedenen Epochen.
Besonderheiten sind Prospekte aus dem Jahr 1860 in Englisch, Französisch und Dänisch – Zeugnisse der internationalen Ausrichtung der Schule. „Vor dem Ersten Weltkrieg kamen rund ein Viertel der Internatsschüler aus dem Ausland“, berichtet Reeb, die in Königsfeld aufgewachsen ist und 14 Jahre lang in Herrnhut lebte und 9 Jahre davon im Unitätsarchiv Herrnhut tätig war.
Zum Handwerkszeug der Archivarin gehören Laptop, säurefreie Mappen und Papiere, weicher Bleistift, Lineal aber auch ein Staubsauger gleichermaßen – denn Sauberkeit, eine Temperatur von 15-17 Grad und eine Luftfeuchtigkeit um die 50-55 Prozent sind Grundvoraussetzungen für den Erhalt der Materialien. Etwas wärmer darf es nur in den Stunden sein, die sie im Archiv verbringt.
Das Archiv der Zinzendorfschulen ist nicht das Erste, das Reeb nach ihrem Ruhestand systematisch ordnet: Bereits in Basel, im Archiv der Brüder-Unität, hat sie ähnliche Arbeit geleistet. Die Königsfelder Bestände seien jedoch „eine noch größere Herausforderung“ gewesen. Bei der Reproduktion der unzähligen Fotoalben bekam sie Unterstützung eines ehemaligen Schülers. Markus Glatzle, der dem Schulwerk schon vor einigen Jahren bei der Digitalisierung des Königsfelder-Grußes behilflich war, fotografierte emsig die Fotos aus 22 privaten und offiziellen Alben.
Barbara Reebs großer Wunsch für die Zukunft ist: „Dass die Arbeit am Archiv fortgeführt wird – damit die Geschichte der Zinzendorfschulen lebendig bleibt.“