Zum Schutz der Gesundheit der Menschen vor den Gefahren durch den Eichenprozessionsspinner wird von der Stadt Neuenstein nach §§ 1, 3 ff. Polizeigesetz (PolG) Baden-Württemberg verfügt:
1. Es werden biochemische Maßnahmen zur Bekämpfung des Forstschädlings Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processiones L.) durchgeführt. Die Bekämpfung unter Verwendung des Biozids Foray ES mit dem Wirkstoff Bacillus thuringiensis subspecies kurstaki erfolgt aus der Luft (Hubschrauber).
2. Als voraussichtlicher Zeitraum der Bekämpfung wird der 24. April bis 25. Mai 2025 festgelegt.
3. Die Bekämpfungsfläche befindet sich im Bereich des Waldgeländes um das Berghäusle auf Gemarkung Obersöllbach und umfasst die FlSt. 1140, 1141, 1623, 1624, 1629, 1630, 1635, 1636 (siehe beigefügten Plan).
4. Die Befliegung erfolgt auf einer Gesamtfläche von circa 2,5 Hektar.
5. Während des Einsatzes des Hubschraubers in dem jeweiligen Schadensgebiet ist der Aufenthalt im unmittelbaren Wirkungsbereich des Luftfahrzeugs verboten. Für die Zeit des Einsatzes können Straßen, Wege und Flächen bis zu 12 Stunden gesperrt werden. Den Weisungen der Bediensteten ist Folge zu leisten.
6. Die Ausbringung des Mittels Foray ES auf befallenen Eichen der Pflanzengattung Quercus erfolgt überwiegend auf Flächen privater Eigentümer und Institutionen. Sofern Bäume Dritter von der Bekämpfung betroffen sind, so ist dieser Einsatz zu dulden.
7. Die sofortige Vollziehung dieser ordnungsrechtlichen Verfügung wird im öffentlichen Interesse gemäß § 80 (2) Nr. 4 VwGO angeordnet.
8. Diese ordnungsrechtliche Verfügung gilt am Tage nach der Veröffentlichung als bekannt gegeben und ist ab diesem Zeitpunkt wirksam. Die ordnungsrechtliche Verfügung und die Kartenübersicht des Bekämpfungsgebiets können im Internet unter www.neuenstein.de eingesehen werden.
Begründung
Die Stadt Neuenstein nimmt gemäß § 105 (1), § 106 (1) Nr. 4, § 107 (4) und 111 (2) des Polizeigesetzes von Baden-Württemberg als Ortspolizeibehörde die Aufgaben der Gefahrenabwehr wahr und ist damit für den Erlass dieser ordnungsrechtlichen Verfügung sowohl sachlich als auch örtlich zuständig.
Im Befallsgebiet ist der Waldkindergarten „Eulennest“ der Stadt Neuenstein angesiedelt. Der Kontakt mit den Brennhaaren verursacht lokale Haut- und Augenentzündungen, wenn die Schleimhäute betroffen sind, sowie Atemwegsbeschwerden. Durch die zunehmende Verbreitung und das vermehrte Auftreten des Eichenprozessionsspinners sind die beschriebenen Beschwerden nicht nur als lokale Ereignisse einzustufen, sondern stellen zunehmend eine ernst zu nehmende gesundheitliche Gefährdung dar.
Der Erlass dieser ordnungsrechtlichen Verfügung dient dem Schutz der menschlichen Gesundheit vor den vom Eichenprozessionsspinner ausgehenden Gefahren. Der Befall von Bäumen durch den Eichenprozessionsspinner begründet die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens für die öffentliche Sicherheit, hier die Schutzgüter Leben und Gesundheit.
Aufgrund der Großflächigkeit und der Spezifik der Befallssituation sowie des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeitraums zur effektiven Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners ist die Bekämpfung aus der Luft dringend geboten.
Das zum Einsatz vorgesehene Mittel Foray ES mit dem Wirkstoff Bacillus thuringiensis subspecies kurstaki ist ein biologisches Insektizid. Es enthält ein Bakterium (Bacillus thuringiensis), welches bei den Raupen nach dem Fraß der benetzten Eichenblätter den Tod auslöst. Es ist bekannt, dass das Mittel nicht nur schädlich auf die Raupen des Eichenprozessionsspinners wirkt, sondern auch negative Auswirkungen auf andere
frei fressende Schmetterlingsraupen haben kann. Zur Bekämpfung wurde jedoch das aktuell mildeste verfügbare Mittel gewählt, um mögliche Auswirkungen auf Nichtzielorganismen so gering wie möglich zu halten. Das Mittel ist nicht bienengefährlich (Klassifizierung B 4) und im Sprühverfahren unschädlich gegenüber Wasserorganismen, Fischen und Fischnährtieren. Da jedoch auch allergische Reaktionen bei Menschen auf den Wirkstoff „Bacillus Thurigiensis“ (Dipel ES) bisher noch nicht aufgetreten und durch Untersuchungen auch nicht belegt, jedoch nicht ausgeschlossen sind, sollte man sich am Tage der Bekämpfung nicht unmittelbar im Bereich der zu behandelnden Eichen aufhalten. Zur allgemeinen Risikominderung sind von allen an der Bekämpfung teilnehmenden Personen und Institutionen die Anwendungsbestimmungen des Bundesamts für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin einzuhalten.
Nach umfassender Abwägung aller Faktoren sind die gesundheitlichen Gefahren durch den Eichenprozessionsspinner erheblich höher als die nicht belegten möglichen allergischen Reaktionen durch Foray ES einzuschätzen. Aus diesem Grund wird zur Abwehr gesundheitlicher Gefahren die Bekämpfung mit dem oben aufgeführten Biozid auf den vorgesehenen Bekämpfungsflächen zugelassen.
Die Maßnahme kann aufgrund der Besonderheiten des zum Einsatz kommenden Mittels nur in einem engen zeitlichen Rahmen der Schadinsektenentwicklung (1. und 2. Larvenstadium) in Zusammenspiel mit dem beginnenden Laubaustrieb der Eichen durchgeführt werden. Des Weiteren ist eine geeignete Wetterlage (trocken, wenig Wind, nicht zu heiß) entscheidend für den Bekämpfungserfolg. Aus diesem Grund wird ein zeitlicher Rahmen für die Einsatzzeiten festgelegt. Betroffene Gebiete sollten 12 Stunden nach der Befliegung gemieden werden.
Ein völliges Zurückdrängen des Eichenprozessionsspinners ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht möglich. Realistisch ist, die Gesundheitsgefahr an den Stellen möglichst stark einzudämmen, wo der Kontakt von Menschen mit den Brennhaaren des Eichenprozessionsspinners mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und Absperrungen sowie Warnungen nicht ausreichen.
Die Luftbekämpfung stellt das mildeste, aber geeignetste Mittel zur Bekämpfung dar.
Durch die Bekämpfungsmaßnahme werden erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgewendet.
In Ermangelung spezialgesetzlicher Regelungen ist eine Verordnung nach dem allgemeinen Ordnungsrecht (Polizeirecht) zu erlassen.
Die Maßnahme stellt sich insgesamt als geeignet, angemessen und verhältnismäßig dar.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgt gemäß § 80 (2) Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung entfällt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs und damit eine mögliche Verzögerung der Bekämpfungsmaßnahme. Die Maßnahme kann aufgrund der Spezifik des zum Einsatz vorgesehenen Mittels nur in einem bestimmten zeitlichen Rahmen der
Schadinsektenentwicklung wirksam durchgeführt werden.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei der Stadt Neuenstein, Schlossstraße 20, 74632 Neuenstein einzulegen. Die Frist ist ebenfalls gewahrt, sofern der Widerspruch beim Landratsamt Hohenlohekreis, Allee 17 in 74653 Künzelsau innerhalb der Widerspruchsfrist eingelegt wird.
Rechtsbehelfsbelehrung gegen Sofortvollzug
Gem. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit Sitz in Stuttgart Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden.
Neuenstein, 3. März 2025
gez. Karl Michael Nicklas, Bürgermeister