Auf der Entringer Gemarkung gibt es relativ viel absolutes Grünland, vorwiegend an den Schönbuchhängen, aber auch in den Wiesentälern. Damit das hier gewonnene Gras – bzw. als Heu, Öhmd oder Silage – sinnvoll verwertet werden konnte, wurde und wird bis heute Vieh gehalten – Pferde, Rinder, Schafe, Geißen und weitere Kleintiere.
Beim Rindvieh handelte es sich dank der Nähe zum Herrenberger Zuchtviehmarkt in der jüngeren Vergangenheit fast ausnahmslos um Fleckvieh. Für die Haltung von Vatertieren waren grundsätzlich die Gemeinden zuständig. Aber auch der örtliche Farrenhaltungsverein, bei dem ich der letzte Rechner war, sorgte durch den Kauf von zusätzlichen „Vereinsbullen“ dafür, dass im Farrenstall an der Tübinger Straße 34 immer eine gute Auswahl an Zuchttieren vorhanden war – bis im Jahr 1973 der Natursprung durch die künstliche Besamung verdrängt wurde. Auch gab es eine örtliche Solidargemeinschaft der Bauern, die jeweils aktiv wurde, wenn ein Tier notgeschlachtet werden musste. So wurde z. B.1905 durch den Amtsdiener Belser ausgeschellt: Von Rosine Brändle Witwe hat jedes Mitglied des Viehversicherungsvereines pro Stück Vieh ~ ¾ kg Fleisch zum Preis von 11 Pfennig pro Pfund sofort abzuholen.
Die Anzahl der Kühe, die in Entringen gehalten wurden, ist in der Kreisbeschreibung angegeben wie folgt: 1819: 289; 1853: 257; 1907: 320; 1960: 266; 1969: 209.
Bevor im Jahr 1929 die Entringer Milchverwertungsgenossenschaft gegründet und an der Mädlesbrück – beim Zusammenfluss von Käsbach und Rohrbach – die Milchsammelstelle gebaut wurde, gab es in Entringen mehrere private Molkereien, z. B. beim „Molker-Gottlob“ (Gottlob Schumacher), und zuletzt die beim „Vetter-Schorsch“ (Georg Vetter) in der Kirchstraße 4. Als hier noch niemand an die Ammertalbahn dachte, wurde die hier gesammelte Milch mit einem Fuhrwerk nach Tübingen gekarrt. Weil es nun aber hier die örtliche „Molke“ gab, wurde aus dem Platz davor der „Latschare“, vor allem abends. Hier wurden Neuigkeiten ausgetauscht, und auf einem Schwarzen Brett waren manchmal auch wichtige Dinge angeschrieben – wie z. B., wann und wo die nächste Viehuntersuchung stattfindet.
1970 wurden täglich noch ca. 1.800 l Milch angeliefert. Die Abendmilch wurde hier gekühlt und zusammen mit der Morgenmilch ins Milchwerk an der Tübinger Rappstraße transportiert. Die Milchmenge, die die einzelnen Bauern zur Molke brachten, wurde immer wieder auf Reinheit und Fettgehalt überprüft, auf Stempelkarten registriert, und nach Monatsende auf der Darlehenskasse in Mark und Pfennig gutgeschrieben. Das Milchgeld war eine der wichtigsten Einnahmequellen der Bauern. An „veredelten Naturalien“ gab es für die Milchlieferanten hin und wieder Butter, Käse und Magermilch aus dem Milchwerk.
Abends wurden ca. 150 l Milch an örtliche, hauptsächlich jugendliche Abholer verkauft. Dazu mussten zuvor oben im Dachgeschoss Milchmarken (zu ½ Liter u. 1 Liter) erworben werden. Weil je und dann – auf dem Platz vor der Molke – mit den vollen Milchkännchen die Fliehkraft getestet wurde, ging so mancher Tropfen auch „den Bach runter“.
Nachdem die Mitgliederzahl der Genossenschafter auf 31 zurückgegangen war, von denen nur noch 19 Milch angeliefert haben, wurde Ende Oktober 1980 die Milchsammelstelle geschlossen, die Molke an die Nachbarn Renate und Roland Grieb verkauft, und die Entringer Genossenschaft aufgelöst. Ab da holte das Tübinger Milchwerk bei 12 Bauern die gekühlte Milch direkt ab, einer verkaufte sie dann ab Hof, andere hörten mit der Milchviehhaltung auf. Seit 2017 gibt es keine Milchkühe im herkömmlichen Sinne mehr in Entringen.
Reinhold Bauer