
Nach einer kräftezehrenden, körperlich anstrengenden Arbeit kann es sein, dass demselben der Seufzer entfährt: „I bee iazt wia g’räderet!“ Falls ihm dabei der Ursprung dieses Ausdrucks nicht bewusst ist, kann er in einem runden Fenster der Tübinger Stiftskirche einen geräderten Menschen entdecken: Der Hauptpatron Georg ist hier als Geräderter dargestellt – zu erkennen am oben angebrachten Georgskreuz.
Die im 30-jährigen Krieg begangenen Gräueltaten einmal außer Acht gelassen, findet sich im ältesten Entringer Totenbuch zumindest ein Hinweis auf einen begangenen Mord, der mit der Hinrichtung des Täters durch das Rädern bestraft wurde: Die 73-jährige Witwe Anna Häußler war 1688 „in ihrem eigenen Haus erbärmlich ermordet“ worden. Wer die Tat begangen hatte, war zunächst unbekannt. Etwas später konnte Pfarrer Hosch jedoch ergänzen: „Der Thäter war ein Schweitzer, welcher zu Tübingen lebendig gerädert worden“.
In den Jahrhunderten zuvor war es Brauch, Mord und Totschlag zu sühnen, indem die Täter dann u. a. auch Sühnekreuze zu errichten hatten. Diesen Zeitraum zu bestimmen ist jedoch nicht einfach. „Die ältesten Sühneverträge, in denen steinerne Kreuze genannt sind, stammen aus der Zeit nach 1350. Das Erlöschen des Brauches fällt in das frühe 16. Jahrhundert. Der ´Ewige Reichslandfriede’ von 1495 und die Halsgerichtsordnungen, beginnend 1508, schafften die Buße ab und setzten dafür feste Strafen. Noch bis zum Jahr 1530 mussten Mörder im Altwürttembergischen 30 Seelenmessen für den Ermordeten lesen lassen und diesem ein Steinkreuz setzen. In der württembergischen Landordnung von 1621 war die Totschlagsühne noch zugelassen“ (L. u. W. Hertle, aus „Steinkreuze im Ostalbkreis“, Theiss 1994, S. 72).
Hinweise auf Sühnekreuze, die auf Entringer Markung zumindest bis ins 18. Jahrhundert erhalten waren, finden wir in Archivalien wie dem altwürttembergischen Lagerbuch von Stadt und Amt Tübingen aus dem Jahr 1522, einem Eintrag im Entringer Totenbuch von 1704 und in dem 1722 angelegten Entringer Wiesen- und Gärtenregister:
Reinhold Bauer