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Dies und das

Ortsgeschichte im Bild Nr. 289: Einstige Entringer Sühnekreuze?

Nach einer kräftezehrenden, körperlich anstrengenden Arbeit kann es sein, dass demselben der Seufzer entfährt: „I bee iazt wia g’räderet!“ Falls...
Stiftskirche Tübingen - der Geräderte
Der Geräderte an der Stiftskirche TübingenFoto: Rolf Kern

Nach einer kräftezehrenden, körperlich anstrengenden Arbeit kann es sein, dass demselben der Seufzer entfährt: „I bee iazt wia g’räderet!“ Falls ihm dabei der Ursprung dieses Ausdrucks nicht bewusst ist, kann er in einem runden Fenster der Tübinger Stiftskirche einen geräderten Menschen entdecken: Der Hauptpatron Georg ist hier als Geräderter dargestellt – zu erkennen am oben angebrachten Georgskreuz.

Die im 30-jährigen Krieg begangenen Gräueltaten einmal außer Acht gelassen, findet sich im ältesten Entringer Totenbuch zumindest ein Hinweis auf einen begangenen Mord, der mit der Hinrichtung des Täters durch das Rädern bestraft wurde: Die 73-jährige Witwe Anna Häußler war 1688 „in ihrem eigenen Haus erbärmlich ermordet“ worden. Wer die Tat begangen hatte, war zunächst unbekannt. Etwas später konnte Pfarrer Hosch jedoch ergänzen: „Der Thäter war ein Schweitzer, welcher zu Tübingen lebendig gerädert worden“.

In den Jahrhunderten zuvor war es Brauch, Mord und Totschlag zu sühnen, indem die Täter dann u. a. auch Sühnekreuze zu errichten hatten. Diesen Zeitraum zu bestimmen ist jedoch nicht einfach. „Die ältesten Sühneverträge, in denen steinerne Kreuze genannt sind, stammen aus der Zeit nach 1350. Das Erlöschen des Brauches fällt in das frühe 16. Jahrhundert. Der ´Ewige Reichslandfriede’ von 1495 und die Halsgerichtsordnungen, beginnend 1508, schafften die Buße ab und setzten dafür feste Strafen. Noch bis zum Jahr 1530 mussten Mörder im Altwürttembergischen 30 Seelenmessen für den Ermordeten lesen lassen und diesem ein Steinkreuz setzen. In der württembergischen Landordnung von 1621 war die Totschlagsühne noch zugelassen“ (L. u. W. Hertle, aus „Steinkreuze im Ostalbkreis“, Theiss 1994, S. 72).

Hinweise auf Sühnekreuze, die auf Entringer Markung zumindest bis ins 18. Jahrhundert erhalten waren, finden wir in Archivalien wie dem altwürttembergischen Lagerbuch von Stadt und Amt Tübingen aus dem Jahr 1522, einem Eintrag im Entringer Totenbuch von 1704 und in dem 1722 angelegten Entringer Wiesen- und Gärtenregister:

  • „by den Crützen“ ist 1522 die Lage einer Wiese in der Nähe der ehemaligen Mühle beschrieben, „an dem Weg, so unden vom Dorf dem Eschbach zuget“. Aischbach wird heute das Gewann unterhalb der früheren Mühle bezeichnet; über die Aischbachbrücke gelangt man z. B. zum Aussiedlerhof Im Schönbronn.
  • 1522 wird eine Wiese als „die Crützwiß“ bezeichnet; das ist in der Nähe der „Cappel“. Diese, St. Peter geweihte Feldkapelle, lag am „Herrenberger Weg, so von der Cappel uffhin get.“ Gemeint ist die jetzige B 296 außerhalb des Orts, in Richtung Herrenberg. Im heutigen Sprachgebrauch ist hier immer seltener von der „Kreuzstraße“ die Rede, wie z. B. „mr fährt d’ Kreuzschtroß naus“ – oder „ganz dussa a d’r Kreuzschtroß“.
  • Anlässlich der Beisetzung einer Adeligen, die in Pfäffingen verstorben ist und 1704 in der Entringer Michaelskirche beigesetzt wurde, hielt der Pfarrer u. a. fest: „als man [den Leichenzug] sieht über das Schopfloch herkommen, wird allhier der Anfang gemacht mit dem Geläut, welches währt, bis die Leich völlig in die Kirch komme. Bei den Kreuz-Steinen [in der Nähe der Mühle] erwartet der Schulmeister samt seinen Sängern die Leich …“
  • 1722 befinden sich laut „Wiesen- und Gärtenregister“ 14 Wiesen „beim Creutzle“, dem wohl letzten Sühnekreuz aus vorreformatorischer Zeit.

Reinhold Bauer

Erscheinung
Amtsblatt der Gemeinde Ammerbuch
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Ausgabe 39/2025
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