NUSSBAUM+
Dies und das

Perouser Dorfläden

Perouser Dorfläden – Erinnerungen von Gudrun Schultheiss Ich erinnere mich noch gut daran, dass es Anfang der 60er Jahre, als Perouse ungefähr 500...
Förstlestraße 9 - Elise Giengers Tante-Emma-Laden
Förstlestraße 9 - Elise Giengers Tante-Emma-LadenFoto: Gudrun Schultheiss

Perouser Dorfläden – Erinnerungen von Gudrun Schultheiss

Ich erinnere mich noch gut daran, dass es Anfang der 60er Jahre, als Perouse ungefähr 500 Einwohner hatte, noch sehr viele Einkaufsmöglichkeiten im Dorf gab. Dazu gehörte eine Bäckerei, eine Metzgerei, drei kleine Lebensmittelläden und ein Haushaltswarengeschäft. Außerdem gab es noch die Möglichkeit, bei den ortsansässigen Bauern regionales Obst und Gemüse einzukaufen.

In der Nähe meines Elternhauses war einer der kleinen Tante-Emma-Läden, deshalb wurde ich von meiner Mutter am häufigsten dorthin geschickt. Elise Gienger hieß die Besitzerin, eine stattliche Frau mit einem runden Gesicht und mit zu einem Nest zurück gekämmten Haaren. Wenn Mutters Einkaufsliste etwas länger war, dann reichte ich Elise meinen Zettel, den Mutter in „Sütterlin Schrift“ geschrieben hatte, auf Zehenspitzen stehend, über den Ladentisch. Zwei bis drei Einkaufswünsche konnte ich mir schon auswendig merken und sagte sie so lange vor mich hin, bis ich im Laden angekommen war.

Elise gab mir immer Rabattmärkchen mit. Diese sammelte meine Mutter in einem leeren Schuhkarton und regelmäßig wurde ich aufgefordert, sie in ein eigens dafür bestimmtes Heft zu kleben. Danach hatte ich kein gutes Gefühl mehr auf der Zunge.

Frau Gienger hatte auch Sammeltassen und sonstiges Haushaltszubehör zu verkaufen. So kam es, dass ich meiner Mutter über Jahre hinweg immer eine neue Sammeltasse mit hübschem goldenem Rand zum Muttertag schenkte.

Elise erzählte mir auch Dinge, die ich erst viel später, als ich älter war, verstand. Zur Geburt meines 7 Jahre jüngeren Bruders sagte sie, dass meine Eltern nun endlich den ersehnten Stammhalter bekommen hätten, denn Mädchen hätten keinen Wert.

Das Haus, in dem sie ihr Geschäft hatte, steht heute noch fast unverändert in Perouse in der Förstlestr. 9. Damals war das die „Gartenstraße“, weil sie entlang der Perouser Krautgärten verlief.

In der Perouser Hauptstr. 26 findet man heute noch originalgetreu, aber sehr in die Jahre gekommen, das Haus in dem Frau Waibel ebenfalls einen Gemischtwarenladen hatte. Sogar das Schaufenster gibt es noch, es wurde aber irgendwann innen mit Folie zugeklebt.

Auch bei ihr habe ich gerne eingekauft und ich habe mich gefreut, wenn Nudeln auf Mutters Liste standen. Die Nudelfirma „Funck“ ließ sich zu der Zeit etwas Wunderbares für uns Puppenmütter einfallen: In jeder Nudelpackung versteckte sich ein kleines Geschirrteil in den Farben rosa oder blau. Von der Größe her passte es genau in meine Puppenstube und ließ meine Kinderaugen hell leuchten. Leider hat meine Mutter ihre Nudeln viel zu oft selbst hergestellt, aber mit den Jahren hatte ich trotzdem eine ordentliche Sammlung dieser Geschirrteilchen zusammen.

Der dritte Gemischtwarenladen im Dorf gehörte zur Bäckerei Eugen Rapp in der Hauptstr. 58. Auch dieses Gebäude ist noch vollständig erhalten und dient heute als Wohnraum für eine Perouser Familie.

Martha, die Frau des Bäckers, verkaufte in ihrem Laden alles, was man zum Leben brauchte. Von Klosterfrau Melissengeist bis hin zu Hosenknöpfen, Zeitschriften und Spielzeug war alles dabei, was die Perouser Bürger benötigten. Gerne denke ich noch an die kleinen Waffeltütchen, die mit einer Art Buttercreme gefüllt waren und eine Schokoladenhaube hatten. Köstlich haben sie geschmeckt.

Im selben Gebäude hatte ihr Mann Eugen Rapp seine Backstube, die sehr gut lief. Jede Woche musste ich eine Schüssel Mehl auf unserem Leiterwagen zu ihm fahren und am nächsten Tag die vier fertigen Brote abholen, die er daraus gebacken hatte. Es war immer eine Herausforderung, zwischen den vielen anderen Brotschüsseln die eigene wiederzufinden.

Im Sommer war ich dazu oft barfuß unterwegs und musste auf dem Weg zum Bäcker die geteerte Hauptstr. überqueren. Mit klebrigen, schwarzen Füßen kam ich wieder zuhause an, aber das war schon fast normal und rieb sich irgendwann auch wieder ab.

Schräg gegenüber in der Hauptstraße 55 eröffnete Frieda Vetter etwas später ihr Geschäft, in dem sie Haushaltswaren aller Art verkaufte. Gerne nahmen die Dorfbewohner dieses Angebot an und ließen sich von der freundlichen Frau gut beraten.

Perouse hatte vor 60 Jahren auch noch eine eigene Metzgerei. Soweit ich mich erinnern kann, gehörte sie Karl Rieker und seiner Familie und sie befand sich im Untergeschoss des Gasthauses „Ochsen“ in der Hauptstr. Ein separater Weg führte entlang des Gasthauses direkt in den Metzgerladen, in dem sich alle Bürger die nicht selber geschlachtet haben, mit frischem Fleisch und guter Wurst eindecken konnten. Wir Kinder bekamen immer ein Rädle Wurst geschenkt, das war damals noch etwas ganz Besonderes. Viele Generationen von Perouser Bürgern, auch meine Eltern, haben im Gasthaus „Ochsen“ ihre Hochzeit gefeiert und es gibt noch alte Fotos von Festzügen, die sich die Hauptstraße hoch in den bekannten Ochsen bewegten.

Sehr zu schätzen wussten die Perouser Bürger auch ihre Molkerei, die sich am unteren Ende der Henri-Arnaud-Straße befand. An der Stelle steht heute ein modernes Mehrfamilienwohnhaus. Im oberen Stockwerk, das man von außen über eine Treppe erreichen konnte, durften die Landwirte ihre frisch gemolkene Milch abliefern und die Menge auf ihrer persönlichen Stempelkarte festhalten. Diese wurde dann monatlich abgerechnet und den Bauern ausbezahlt.

Im Stockwerk darunter befüllte mein Opa Karl Hettich den Bürgern, die keine eigenen Kühe hatten, ihre mitgebrachten Milchkannen mit der gewünschten Menge frischer, unbehandelter Milch. Zeitlebens wurde er deshalb im Ort der „Milchkarl“ genannt. Es war sehr kalt in der Molkerei, das weiß ich noch und mein Opa hatte einen weißen Gummischurz an, der ihm bis zu den Knien reichte und immer nass war.

Bis hierher reicht mein Rückblick auf die vielen Einkaufsmöglichkeiten, die es Anfang der Sechzigerjahre im kleinen Dorf „Perouse“ gab.

Und wie sieht es heute in unserer Waldensergemeinde aus, die inzwischen auf ca. 1.350 Bürger angewachsen und ein Ortsteil der Stadt Rutesheim geworden ist?

Dank zweier großer Firmen in den Nachbarorten und dem damit entstandenen Durchgangsverkehr bekam Perouse im Jahre 2017 einen Discount-Laden am Ortseingang unserer Gemeinde.

Der Ortsteil wäre alleine von der Einwohnerzahl her zu klein, um so einen Einkaufsmarkt lukrativ betreiben zu können.

Und weiterhin sind wir in der glücklichen Lage, viele gut aufgestellte Hofläden und Landwirte im Dorf zu haben, die uns Bürger mit frischen Lebensmitteln versorgen können.

Gudrun Schultheiss

Erscheinung
Stadtnachrichten – Amtsblatt der Stadt Rutesheim
NUSSBAUM+
Ausgabe 25/2025
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.
Orte
Rutesheim
Kategorien
Dies und das
Panorama
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto