„Es ist auch getötet und gestorben worden“, daran erinnert Dr. Peter Güß gleich zu Beginn seines Vortrags. Der promovierte Historiker und ehemalige Lehrer spricht im Bürgersaal des Durlacher Rathauses über „Als die Preußen kamen – 175 Jahre Gefecht an der Obermühle (25.06.1849)“. Organisiert wird die Veranstaltung vomFreundeskreis Pfinzgaumuseum - Historischer Verein Durlach e. V.
Eigentlich, so Peter Güß, sei die 1848er-Revolution Ende Juni 1849 schon vorbei gewesen. Allerdings hätten sich in Baden durch die Revolutionen in Frankreich die Ideen von Freiheit, Demokratie und nationaler Einheit gut gehalten.
Wegen Unruhen in Offenburg und Rastatt sei Großherzog Leopold auf preußisches Territorium geflohen und dann vom preußischen König militärisch beim Marsch auf Baden unterstützt worden. Zwar habe sich der neue Oberkommandierende, der polnische General Mieroslawski, widersetzt. Jedoch seien die Badener bei Waghäusel geschlagen worden. Der badische Heerzug sei über eine Ostflanke zurück nach Durlach marschiert. Am 24. Juni 1849 sei als letzte die Truppe von Johann Philipp Becker angekommen. „Die Soldaten waren insgesamt erschöpft und demoralisiert, und so befahl Mieroslawski den regulären badischen Truppen den Abmarsch“, so Peter Güß. „Zurück blieben diverse Freischaren und einige Volkswehreinheiten.“ Becker habe am 25. Juni Barrikaden, meist aus umgestürzten Bauernwagen und Reisigbündeln, errichten lassen. Sie hätten an den drei Pfinzbrücken, also der Eisenbahnbrücke, der heutigen Hubstraße und der Obermühle, beim heutigen Friedhof und heutigen Hengstplatz gestanden.
„Es ist jedoch irreführend, von ‚badischen Freiheitskämpfern‘ zu sprechen“, berichtet Peter Güß weiter. „Die regulären badischen Truppen waren ja schon weitermarschiert.“ Nur drei Durlacher seien als Teilnehmer bekannt, der Landwirt Karl Leußler, der Lehramtspraktikant Ochs und der Kaufmann Ludwig Feininger. Der Rest seien sogenannte Freischärler gewesen: das Mannheimer Arbeiterbataillon, die Deutsch-Schweizer Legion, die Schützenkompanie Karl Heuberger und die Deutsch-Polnische Legion. „Halb Europa tummelte sich in den Gassen Durlachs“, so Peter Güß. Unter den angreifenden Preußen habe es Männer aus Westfalen gegeben, die teilweise, etwa in Iserlohn, mit Waffengewalt zum Ausmarsch gezwungen worden seien.
Die Gefechte hätten von Rintheim bis Grötzingen und an den Turmberghängen stattgefunden. Nach vier Stunden hätten die Preußen die Barrikaden, auch an der Obermühle, genommen. Es habe insgesamt geschätzt 250 Verwundete gegeben.
In den Kirchenbüchern lassen sich die Toten recherchieren: Vier Freischärler, dreizehn Männer auf preußischer Seite, vier zivile Durlacher Opfer: Weingärtner Eder, Schuster Wagner, Eisenbahnwart Hutmacher und Zimmermeister Langenbach. „Es ist wichtig, Namen zu nennen, weil man sonst aus den Augen verliert, dass es sich um Menschen handelt“, sagt Peter Güß. Die Siegerjustiz sei hart gewesen: Carl Liede, Ziegler und Freischärler, verhaftet. Conrad Waldvogel, Kutscher, Gefechtsteilnehmer, verhaftet (...)“. Die Durlacher Bevölkerung sei, bis auf einige Ausnahmen, darunter Christian Hengst, mehrheitlich der demokratischen Bewegung gegenüber ungewöhnlich aufgeschlossen gewesen.
Ihn beeindrucke immer wieder die Begeisterung, der Mut und die Hartnäckigkeit, mit denen Menschen sich damals für Freiheit, eine gerechte Ordnung und solidarisches Miteinander eingesetzt haben. „Eine Haltung, die wir auch heute brauchen können“, sagt Peter Güß. (rist)