Pflegefamilien spielen eine entscheidende Rolle für Kinder und Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in ihren leiblichen Familien leben können. Im Enzkreis sind Pflegefamilien ein unverzichtbarer Bestandteil der Versorgung, wenn Kinder in Not sind. „Ohne Bereitschaftspflegefamilien geht es nicht. Für manche Kinder benötigen wir sehr kurzfristig eine Lösung“, sagt Susanne Wendlberger, die sich im Jugendamt des Landratsamtes um die Pflegefamilien kümmert. Der Landkreis verfügt derzeit über 17 Pflegefamilien, die dazu bereit sind, Kinder in akuten Notlagen aufzunehmen.
Typische Gründe für die Unterbringung in Pflegefamilien sind Gewalterfahrungen oder Verwahrlosung, die oft auf Suchtproblematiken der Eltern zurückzuführen sind, erläutert Wendlberger. In vielen Fällen sind es Kitas oder Schulen, die auf auffällige Kinder aufmerksam werden und dies dem Jugendamt melden. „Pflegefamilien müssen bereit sein, sich der Geschichte des Kindes anzunehmen und sich darauf einzulassen“, betont Wendlberger. „Die Kinder bringen ihr Päckchen mit.“
Elke Weigmann aus Wimsheim nimmt seit 1998 Pflegekinder auf. Aktuell leben neben ihrem Mann Dieter Grau und den eigenen zwei Söhnen das Vollzeitpflegekind Ramira, zwölf Jahre alt, sowie zwei Bereitschaftspflegekinder in der Familie. Heute ist zudem Kassandra zu Besuch. Die 24-Jährige hat rund zwei Jahre in der Familie gelebt, zu dieser Zeit Abitur gemacht und studiert jetzt Soziale Arbeit.
Elke Weigmann, selbst mit fünf Pflegegeschwistern aufgewachsen, hat im Laufe der Jahre etwa 30 Kinder in Pflege gehabt. Als die eigenen Söhne kamen, entschloss sie sich, Tagesmutter zu werden, um bei den eigenen Kindern bleiben zu können. 1998 kam das erste Mädchen in Dauerpflege, daraus wurden im Laufe der Jahre fünf Dauerpflegetöchter und rund 25 weitere Kinder in der Bereitschaftspflege. Sie erzählt, dass sich viele der Kinder auch nach dem Auszug noch bei ihr melden. So auch Kassandra.
Kassandra war zunächst ein Bereitschaftspflegekind. „Elke hat es mir leicht gemacht“, erzählt Kassandra. Die ersten Tage sei sie im Zimmer geblieben und habe Zeit zum Nachdenken gebraucht. Danach hat Elke Weigmann Kassandra peu à peu in den Familienalltag eingebunden.
Nach einigen Monaten versuchte Kassandra, in ihre Herkunftsfamilie zurückzukehren. „Das hat aber nicht geklappt“, erinnert sie sich. Umso dankbarer war sie, als sie zu ihrer Pflegefamilie zurückdurfte. „Die Zeit hier war sehr wichtig für mich“, sagt sie. „Hier konnte ich herausfinden, wer ich bin und was ich aus mir machen möchte.“ Susanne Wendlberger sieht diese Erfahrung auch in anderen Pflegefamilien bestätigt. „Über 90 Prozent der Pflegekinder machen einen Schulabschluss und haben eine berufliche Perspektive“, sagt sie.
„Ich denke, ich kann das gut“, antwortet Elke Weigmann lächelnd auf die Frage, was sie motiviert. „Ich wollte immer alle Kinder retten, das geht natürlich nicht. Aber zumindest Einzelnen eine gute Zeit schenken und eine Perspektive eröffnen, das kann ich leisten.“ (enz)
Unter Dauerpflege in Pflegefamilien versteht man die langfristige Unterbringung eines Kindes bei Pflegeeltern. In vielen Fällen erstreckt sich die Dauerpflege bis zur Volljährigkeit des Kindes und darüber hinaus. Das Ziel ist, dem Kind ein dauerhaftes Zuhause zu bieten und ihm somit die Möglichkeit zu geben, in einer stabilen Umgebung aufzuwachsen.
Bereitschaftspflege meint eine vorübergehende Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien, etwa wenn Kinder akut aus ihren Familien genommen werden müssen. In solchen Fällen werden Pflegeeltern für eine begrenzte Zeit – oft kurzfristig und unmittelbar – benötigt, um dem Kind Schutz, Unterstützung und ein vorübergehendes Zuhause zu bieten.
Hier gibt’s mehr zum Thema:
www.kvjs.de/fileadmin/publikationen/ratgeber/KVJS-Ratgeber-Pflegeeltern-R-Barrierefrei_02.pdf