Geographische lokale Differenzierung aus alter Zeit
Für ältere Plänkschder sind die Begriffe Oberdorf und Unterdorf noch immer präsent und mit Leben erfüllt, für jüngere oder gar neu zugezogene Plänkschder entbehren die Begriffe vermutlich einer Sinnhaftigkeit, wenn sie überhaupt noch irgendwie zuordenbar sind.
Deshalb hier nochmal eine kleine Erinnerung:
da wusste jeder, was Oberdorf und Unterdorf war.
Das Oberdorf, das war der Ortsteil, der sich etwa südlich der Hauptstraße in Richtung Oftersheim und Schwetzingen erstreckte; das Unterdorf, das war der Ortsteil, der sich nördlich der Hauptstraße in Richtung Grenzhof und Mannheim erstreckte. Streng getrennt durch die Hauptstraße, also aus heutiger Schreibweise durch die Eppelheimer und Schwetzinger Straße, entwickelten beide Ortsteile ihre jeweils eigene Sichtweise auf den anderen Ortsteil.
Ausnahme: Eisenbahnersiedlung
Nicht einbezogen in diese Art der geographischen Beurteilung ist die frühere Eisenbahnersiedung (Bau ab den 20er Jahren bis 1950), die einen eigenen Ortsteil bildete und deutlich getrennt vom alten Ortsetter in westlicher Richtung fast schon in Schwetzingen lag, getrennt durch einen Feldflurstreifen, durch den der Brüher Weg in die Eisenbahnersiedlung führte. Diese Sonderstellung galt auch für die Bevölkerung, besonders für die Kinder. Die „Siedlinger“ spielten häufig für sich, allenfalls gab es vermehrt Kontakte zu Gruppen des Unterdorfs.
Da es sich um eine Siedlung für Arbeiter handelte und diese als solche eher politisch „links“ einzuordnen waren, wurden sie von den anderen Plänkschdern natürlich auch so beurteilt. Als besonders auffälliges Beispiel dafür sei die Arbeitsweise des katholischen Pfarrers Eugen Augenstein (Pfarrer in Plankstadt von 1919 bis 1933) genannt. Er überließ die seelsorgliche Betreuung der katholischen Bewohner der Siedlung grundsätzlich seinem jeweiligen Kaplan; persönliche Besuche in der Siedlung „bei den Roten“ lehnt er ab. Der Vorschlag eines Plankstädter Bahnbeamten, der auf Grund seiner Tätigkeit Anspruch auf eine Wohnung in der Siedlung gehabt hätte, wurde von dessen Ehefrau so beschieden: „Do kann’sch aloa nausziehje, ins Apacheverdel geh‘ isch ned mit!“
Aber sonst: Eindeutige Zuordnung durch die natürliche Beschaffenheit
Im alten Ort aber ging die Aufteilung sogar soweit, dass man die Hauptstraße nach den beiden Straßenseiten dem jeweils anderen Dorfteil zuordnen wollte – also beispielsweise lag die evangelische Kirche im Oberdorf, die Drogerie Ahlheim – direkt gegenüber der Kirche – schon im Unterdorf.
Und das „oben“ und „unten“ kam ja nicht von ungefähr: Von der Beschaffenheit her, verlaufen die Straßen, die von der Hauptstraße ins Unterdorf führen, etwas abschüssig – deutlich auch heute noch zu sehen beim Waldpfad, der Wilhelmstraße und der Ladenburger Straße. Im Gebiet zwischen Friedhof und Gänsweid sind alte Neckararme feststellbar, die naturgemäß etwas tiefer lagen. Man kann dies an den Erdschichten nachvollziehen, Kies- und Lehmschichten sprechen deutlich dafür. Und noch heute können Frühaufsteher den alten Flußlauf am Verlauf der Nebelschwaden in den frühen herbstlichen Morgenstunden erkennen.
Nun mag man ja argwöhnen, dies alles sei „ein Schmarren“ und damit auch völlig unwesentlich für das Leben im Dorf! Aber weit gefehlt! Sowohl die Kinder als auch Erwachsene waren von dieser Einteilung betroffen und in ihrem Denken geprägt – warum das so war, ist heute wohl nicht mehr nachvollziehbar. Ein paar Beispiele sollen dies verdeutlichen.
Auch Spielorte der Kinder waren involviert und zuzuordnen
Früher war die Straße der Spielplatz der Kinder; dort hielt man sich am Nachmittag auf, dort spielte man mit den anderen Kindern und von dort ging es nach Hause, spätestens wenn die Glocke um 19 Uhr vom Turm scholl. Dass die Spielkameraden dabei aus der Nähe der eigenen Wohnung kamen, war selbstverständlich. Und so hatte man schon weniger Kontakt mit den anderen, die weiter weg und vor allem „jenseits“ der Hauptstraße wohnten.
Die bevorzugten Abenteuerspielplätze der Kinder im Oberdorf war das Dolle-Loch, das Zeitze-Loch, die Bellen (an der Grenze zur Eppelheimer Gemarkung hinter dem heutigen Häckselplatz), das Gelände draußen entlang der Eisenbahnlinie und da vor allem auch die großen Hecken mit ihren „Höhlen“, die rechts und links der Bahnlinie zwischen Schwetzingen und Heidelberg wuchsen.
Für die Unterdorf-Kinder war die Gänsweid oder das freie Feld bei der Schützenhütte und im nahe gelegenen Grenzhöfer Wald ein bevorzugtes Territorium und natürlich – mehr noch als für die Oberdorf-Kinder der Sportplatz. Dieser war der Ort, wo sich alle trafen – egal ob Ober- oder Unterdorf.
Wie es damals so üblich war, bildeten die spielenden Kinder – besonders auch zwischen Ober- und Unterdorf - auch kleine „Banden“, die sich gegenseitig nicht besonders hold waren – allerdings waren dies harmlose Gruppen und keinesfalls zu vergleichen mit heute in Städten bekannten „Jugend-Gangs“. Da gab es oft kleinere Reibereien, wenn diese „Banden“ auseinandertrafen; allerdings waren außer „Koppelöchern“, kleinen „Bletzen“ oder Schürfwunden keine Verletzungen zu beklagen
Erinnerung an den früheren Eisenbahnbetrieb
Wenn ältere Plänkschder heute von „drauß an der Bahn“ sprechen, ist das für jüngere Plänkschder schon recht befremdlich. Die meisten haben heute keine Erinnerung mehr an den Bahnbetrieb auf den Schienen. Die Zuckerrübenverladeanlage am alten Plankstädter Bahnhof (auf dem Gelände des heutigen Spielplatzes „Bahnstraße“) war der eigentliche Grund für die längere Aufrechterhaltung der Strecke. Über Schwetzingen wurden die von den Bauern zur Verladeanlage gebrachten Zuckerrüben nach Waghäusel zur Zuckerfabrik gebracht.
Der letzte Personenzug alter Art mit Dampflokomotive fuhr nach dem Krieg noch Anfang der 50er Jahre, bevor zunächst der Schienenbus mit seinen zwei Wagen eingesetzt wurde. Die Bahnstrecke führte an Eppelheim und Pfaffengrund vorbei und querte in Höhe des alten Gaskessels (wo heute der neue Heißwasserspeicher steht) die Eppelheimer Straße und erreichte dort das Bahn – Betriebsgelände, wo die Gleise etwa beim heutigen BAUHAUS auf die Bahnstrecker Mannheim – Heidelberg trafen. Dann ging es weiter in Richtung des alten Heidelberger Hauptbahnhofs; die Trasse verlief etwa dort, wo wir heute die Kurfürstenanlage finden. Vom alten Hauptbahnhof, der auf dem Gelände des heutigen Mengler-Hochhauses lag, ging es ins Neckartal durch den Gaisberg- und Schlossbergtunnel, in denen heute reger Autoverkehr herrscht. Unvorstellbar, dass sich damals am Adenauerplatz ein großer beschrankter Bahnübergang befand, dessen Schranken sich bei jedem Zug schlossen, der aus dem Neckartal kam oder dorthin unterwegs war! - Auch Plankstadt hatte mehrere beschrankte Bahnübergänge: der am meisten frequentierte am Ende der Eisenbahnstraße wischen dem alten Kiosk und der Abfahrt zum NETTO-Parkplatz. Einen weiteren gab es am Ende der Paul-Bönner-Straße und am Bruchhäuserweg, wo es dann hinaus zum Häckselplatz geht.
Zurück zum Plänkschder Ober- und Unterdorf.
Bei vielen Gesprächen heutzutage mit älteren Plänkschdern kann man feststellen, dass immer dann, wenn es darum geht, wer früher wo gewohnt hat, wer kennt wen oder welche Familienzugehörigkeiten oder –besonderheiten es gab oder gibt, die alten Begriffe Ober- und Unterdorf wieder auftauchen. Dann zeigt sich auch immer wieder, dass man sich im jeweils anderen Ortsteil meist weniger auskannte und exakte Zuordnungen schwieriger werden. Sicher haben wir es hier aber mit einer Plänkschder Eigenart zu tun, die mehr und mehr der Vergangenheit angehört und irgendwann auch im Dunkel der Ortsgeschichte verschwunden sein wird.
Gemeindearchivar Ulrich Kobelke