Von Susanne Hilz-Wagner
Von meinem Hohen Turm auf dem Turmberg habe ich vernommen, dass am Freitag, den 15. November, ab 20 Uhr der 11. Grötzinger Holzkopf-Poetry-Slam stattfinden soll. Da bin ich doch sehr neugierig geworden und habe ihn besucht. Von diesem sehr anspruchsvollen literarischen Abend berichte ich euch heute.
Im Südwesten des deutschen Sprachraums haben sich über Landesgrenzen hinweg Poetinnen und Poeten gefunden, um nach eigenen Angaben „ein kulturelles Netzwerk für kleine feine Veranstaltungen aufzubauen“. Inzwischen zählt die Gemeinschaft über 40 Poet*innen (eigene Schreibweise), die meist an Bühnen in ihrer Umgebung auftreten. Für gegenseitige Besuche bilden sie umweltschonende Fahrgemeinschaften oder nutzen den ÖPNV. Sie legen nach eigenen Angaben auch Wert darauf, Kultur für ihr Publikum erschwinglich anzubieten. Daher werden Eintritte moderat angesetzt. Jedoch sollte es verständlicherweise auch kein Minus geben – ein eventuelles Plus wird gemeinschaftlich geteilt. Der Verein „Landkulturschaffende Südwest e.V.“ ist ein gemeinnütziger Verein für Kulturentwicklung. Sie kümmern sich bei Veranstaltungen um das Bühnenprogramm und die Mitwirkenden. Der jeweilige Mitorganisator stellt die Bühne zur Verfügung. Sie treten meist in kleineren Städten auf, in denen man einfach das Kulturleben bereichert, ohne Gewachsenes zu zerstören. Auch eher ungewöhnliche Auftritte in Gefängnissen, Altenheimen oder Jugendanstalten gehören dazu. Gemeinsam leben sie Leidenschaft für die Kultur und für die Bühne in drei verschiedenen Bereichen: Leseveranstaltungen, Lesebühne oder Poetry Slam.
Am Freitag, den 15. November, fand der 11. Grötzinger Holzkopf-Poetry-Slam ab 20 Uhr im Bürgersaal des Rathauses Grötzingen statt. Den Abend eröffnete Ortsvorsteherin Karen Eßrich. Durchs Programm moderierte der Regionalpoet von Nordbaden, Slammaster Rolf Suter, der selbst Mitglied im Verein bei den Landkulturschaffenden Südwest ist. Zunächst klärte er die anwesenden Gäste im voll belegten Bürgersaal über das Prozedere auf, denn die einzelnen Sitzreihen im Saal sollten sich auf eine gemeinsame Abstimmung von 1-10 (höchste Stufe) einigen. Geübt wurde auch kräftiges Klatschen bis hin zum Toben vor Begeisterung, je nach Bewertung der 7 angetretenen Poet*innen im Saal mit der jeweiligen entsprechenden Einstufung. Vorgetragen wurden kurzweilige Texte zum Nachdenken und Nachvollziehen aus vielen Bereichen des Lebens, bei denen jeweils sieben Minuten zur Verfügung standen.
Um die Reihenfolge des Vortrags der angetretenen sieben Poet*innen festzulegen, wurden deren Namen auf Zettel geschrieben, die aus einer Schale von sieben Gästen im Saal gezogen wurden. Als Nummer Eins im Poetry Slam trug „Hope“ aus Mauer ihr Gedicht vor und machte sich Gedanken, „was ist das, was übrig bleibt, wenn man mal nicht mehr ist“. Sie schließt mit Wiederholung ihres ersten Satzes: „Am Ende zählt doch nur der Punkt“ und fügt am Ende dazu: „… und nicht der wahre Grund“. Ihr Vortrag brachte ihr insgesamt 37 Punkte der anwesenden Gäste. Nummer Zwei im Poetry Slam war Thomas Ring aus Stuttgart. Unter dem Tenor „Menschenwürde für ein Euro“ schilderte er, wie es einem ergehen kann, wenn man vor einer Autobahntoilette steht und kein Geld dabei hat. Eine unwürdige Verrenkung unterhalb der ein Meter hohen Absperrung sollte das Hineinkriechen zur Erleichterung ermöglichen. … Und die Mär von dieser G´schicht: „Wenn andere sich in Dir erkennen, darfst du sie auch einen Idioten nennen.“ Für diesen Vortrag hat er 30 Punkte erhalten. Nummer Drei in dieser Runde war Georg Felsberg aus Karlsruhe. Er teilte gleich mit, dass es kompliziert wird, denn woher sollte er wissen, was er denkt, bevor er es gesagt hat. Er machte sich gleich Gedanken: „... aber sage ich wirklich, was ich meine?“ Seine Fragen über Fragen brachten ihm 43 Punkte in der Gästebewertung ein. Nummer Vier vor der Pause war Nadja Ksiazek. Sie überlegte: „Wie geht denn nun Leben – zwischen dem Alltäglichen und Globalen. Ist das Leben ein Spiel – …?“ Philosophische Überlegungen kamen hinzu, dahingehend, ob das Schicksal einem in die Wiege gelegt wird oder ob man sich jeden Tag neu entscheiden kann …? Die Lösung teilte sie am Ende mit: „In jedem Atemzug liegt die Antwort, die jeder hier kennt“. Die Gästebewertung brachte ihr 41 Punkte. Nummer Fünf an diesem Abend war Sarah Reinholz. Sie schilderte ihren Weg, wie sie von ihrem zunächst angestrebtem Schönheitswahn das Leben entdeckte, das außerhalb der Perfektion liegt. Ihr Vortrag brachte ihr 43 Punkte in der Gästebewertung. Nummer 6 war die in Grötzingen lebende Christiane Stork. Sie beschrieb das massenhafte Auftreten von „SUV´s“, die als Blechgigant ihr Leben mit großer Traurigkeit in der Stadt oder in der Garage verbringen. Ihr pointierter Vortrag in Versform brachte ihr 45 Punkte. Mit Nummer Sieben trat Semulina aus Landau, geboren als Badenerin in Bruchsal, als letzte Poetin auf. Ihre Überlegungen zur Halbzeit im Leben führen sie zu Menschen mit Demenz. Sie kommt dabei zum Schluss: „Du bist, wer du bist – bis zum letzten Atemzug“. Sie erhielt 40 Punkte von den Gästen.
Guntram Prochaska konnte wegen einer Terminüberschneidung leider nicht anwesend sein, ließ aber Grüße ausrichten und überließ seinen mit Kettensäge geschaffenen Holzkopf-Preis für den/die Punktesieger*in des Abends. Diesen konnte Ortsvorsteherin Karen Eßrich am Ende dann an die Siegerin des Abends, an Christiane Stork, überreichen. Den zweiten und dritten Platz belegten punktegleich mit jeweils 43 Punkten Sarah Reinholz und der Karlsruher Georg Felsberg. Ich habe den Abend als große Bereicherung im sonst schon kulturreichen Leben Grötzingens empfunden und wünsche dem Verein weitere erfolgreiche Veranstaltungen. Herzlichst, eure „Weiße Frau vom Turmberg“.