Post

Der Postbote Gottlob Holzwarth, „Boten GottIob“ genannt, übte das anstrengende Amt des Postboten aus. Bei diesem Amt, das er fast 4 Jahrzehnte ausübte,...

Der Postbote Gottlob Holzwarth, „Boten GottIob“ genannt, übte das anstrengende Amt des Postboten aus. Bei diesem Amt, das er fast 4 Jahrzehnte ausübte, halfen ihm seine Geschwister, später auch seine Frau. Er brachte die abgehende Post mit dem Einspännerwägele zum Postamt Marbach und holte dort umgekehrt die eingehende Post ab. Unterwegs erledigte er auch die Post für den Rundsmühlhof, die Bugmühle und den Buchhof. Außer Rielingshausen mussten auch der Vorder- und Hinterbirkenhof und der Lehrhof mit Post versorgt werden. Diesen Dienst machte er zu Fuß. Welche Strapazen das waren bei den holprigen, oft schmutzigen oder verstaubten Landstraßen und Feldwegen, lässt sich heute kaum mehr ermessen. Bei alledem blieb der "Boten-GottIob" guter Dinge, grüßte gar freundlich, indem er den rechten Zeigefinger an den Mützenschild erhob und ging gerne auf die Leute ein. Ja, die blaue Schildmütze! Sie gehörte zu seiner Uniform, wie sein blauer Amtskittel und die Rohrstiefel. Die jungen Mädchen, die eine heimliche Liebe mit sich herumtrugen, schauten besonders interessiert auf diese Schildmütze. Denn, wenn der Bote einen Liebesbrief für das Mädchen hatte, von denen die Eltern nichts wissen durften, so brachte er den Brief nicht in der schwarzen Umhängetasche, sondern unter der Mütze und wenn er das Mädchen geschickt am Brunnen oder in der Küche allein antraf, nahm er die Mütze ab und überreichte mit einem verschmitzten Augenzwinkern den ersehnten Brief. Postschalter, Büro und Gepäckraum, Telefonzelle, das alles hatte und brauchte man damals hier noch nicht; auch keine Schalterstunden. Das Wohnhaus neben der "Krone" war zugleich Poststelle, die Wohnstube an der Straßenseite war das Büro. Gleich an der Tür links stand ein extra Tisch, auf dem Federhalter und Bleistift lagen; Tintenfass, Stempelkissen und Stempel sowie eine Briefwaage ergänzten die amtlichen Utensilien. An der Wand war der altmodische Fernsprechapparat befestigt (Sprechmuschel und Hörer waren getrennt). Lange Jahre war dieser Apparat außerdem Telefon in der "Krone" und auf dem Rathaus der einzige am Ort. Was wäre der "Boten-Gottlob" ohne sein Wägele, denn der Postbote tat nämlich zugleich Dienst als Güterbeförderer zwischen Rielingshausen und Marbach. Allzu viel gab es bei den täglichen Fahrten nicht zu transportieren: Da musste er einen Sack Zwiebeln vom Bauern in Rielingshausen für Frau Fabrikant in Marbach besorgen oder er brachte aus der Jägerschen Ölmühle in Marbach einer Bäuerin in Rielingshausen die mit Mohnöl gefüllte Kanne; den Mohnsamen hatte er ein paar Tage zuvor in die ÖImühle gebracht. Oft wurde er beauftragt, Fracht oder Expressgut für einen Rielingshäuser auf dem Bahnhof in Marbach aufzugeben. Dass er auch die Arzneien aus der Palm'schen Apotheke besorgte, versteht sich ebenfalls. Das alles tat er für sehr, sehr wenig Geld. Armen Leute tat er den Dienst umsonst. Traf er unterwegs einen Rielingshäuser oder Marbacher Fußgänger, so lud er ihn freundlich zum Mitfahren ein. Das Postamt teilte 1922 der Gemeinde mit, dass der Landpostbote Holzwarth wegen Rückgang des Paketverkehrs künftig zu Fuß gehen sollte. Dagegen wehrte sich der Gemeinderat energisch. Um das Postbotenfuhrwerk nach Marbach beizubehalten, wurde beschlossen, bei der nächsten Gemeindegüterverpachtung an bedürftige Ortsangehörige auch an Holzwarth ein Stück Gemeindeland zu seiner Unterstützung zu verpachten. Sein Enkel Kurt Holzwarth führte lange Jahre die Rielingshäuser Poststelle weiter.

Quelle: z.T. aus den Heimatbüchern von 1973 und 1996

Uli Lauterwasser

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Stadt Marbach am Neckar - Mitteilungsblatt für den Stadtteil Rielingshausen
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Ausgabe 25/2025
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