Dies und das

Premiere von Amor Vincitore: "Reichst Du mir Deine Hand?"

Eine Aufforderung zu Begegnungen, Annäherung und zur Liebe Wiederentdeckungen bei den Festspielen sind immer wieder ein packendes Thema: dieses Mal wurde...
Maayan Licht (Alicidoro), Amor (Julia Riedler) und Julia Lezhneva (Dalisa) nehmen den begeisterten Applaus entgegen
Maayan Licht (Alicidoro), Amor (Julia Riedler) und Julia Lezhneva (Dalisa) nehmen den begeisterten Applaus entgegenFoto: aw

Eine Aufforderung zu Begegnungen, Annäherung und zur Liebe

Wiederentdeckungen bei den Festspielen sind immer wieder ein packendes Thema: dieses Mal wurde Johann Christian Bachs Kantate „Amor Vincitore“ nach 250 Jahren Archiv-Schlaf von den Festspielen in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Forschungszentrum Hof I Musik I Stadt ausgegraben und von Regisseur Sebastian Bauer und Lisa Florentine Schmalz von der Staatsoper24 zu einer fantastischen Hörtheater-Inszenierung zum Leben erweckt. Und durch eine Neukomposition von Patrick Schäfer und Texten von Pauline Jacob erweitert.

Die Aufführung holt die wunderbare Musik von Johann Christian Bach und das Thema Liebe in unsere heutige Zeit. Unter dem Dirigat von Jörg Halubek, Spezialist für Alte Aufführungspraxis und in Schwetzingen kein Unbekannter, formierte das Orchester IL GUSTO BAROCCO nach alter Sitzordnung um das Cembalo (Johannes Friedrich). Das Ballett im Original wurde ersetzt durch den EXTRACHOR der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim, der auch szenische Aufgaben bekam.

Wiedersehen nach 250 Jahren

Dass diese Produktion besonders auf die Bühne von Schwetzingen passte, wo sie 1774 zum ersten und einzigen Mal in Deutschland (Uraufführung zuvor in London) am Hof des Kurfürsten Carl Theodors aufgeführt wurde, lag am treffsicher konzipierten Bühnenbild von Sebastian Bauer, der Motive aus dem Schlossgarten auf die Bühne zauberte. Und den Raum öffnete für Begegnungen: von Mann und Frau, von Frau zu Frau, von Schnecke zu Schnecke, von Hand zu Hand.

Was Hände können

Denn die Hände spielen eine entscheidende Rolle: was können sie? Berühren, Streicheln, Schlagen, Packen, Kratzen, Halt geben! Wie viel Berührung lasse ich zu? Wann empfinde ich sie als übergriffig, wann als willkommen? Diese Fragen sind essenzieller Teil von Begebungen generell, hier zwischen Mann und Frau, und bestimmen die Nähe. Amor, burschikos gespielt von der freischaffenden Schauspielerin Julia Riedler, schießt seine Pfeile auch in dieser Geschichte, aber entscheidend ist der Handkuss den Alcidoro (dargestellt von Maayan Licht, ein aufstrebend-aufregender Sopranist der modernen Opernszene) seiner angebeteten Dalisa (Julia Lezhneva, eine weltweit hofierte Sopranistin) gibt.

Liebe auf den ersten Schuss

Die ist in der Natur alleine ganz glücklich, wie es Julia Lezhneva in ihrer Eingangsarie wunderbar besingt. Sie schläft im Wald, Alcidoro gesteht ihr seine Liebe, seine außergewöhnliche Stimme hierzu gibt der Sopranist in einer beeindruckenden Arie. Als Dalisa erwacht, ist sie verliebt, kann es selbst nicht verstehen, Amors Pfeil hatte sie getroffen. Die Erfüllung der körperlichen Liebe kennen auch Schnecken, die sich ungeschlechtlich je nach Gelegenheit paaren, oder Blatt und Blüte, die Bestäubung kennt jeder Biologieunterricht.

Erlebnis Gesang

So ideenreich und subtil dargestellt, schaffen dies das Bühnenbild mit Videoeinrichtung und die pointierten Kostüme von Hanna Roxane Scherwinski. Der Gesang in Verbindung zur ausdrucksstarken, anmutigen und empfindsamen Musik des „Mannheimer Bachs“ ist ein Erlebnis, hinzu kommen eingefügte Parts, die den Chor in einem anderen musikalischen Licht erleben lassen. Denn Nähe gelingt auch über das Hören, das empfindsame Ohr. Das Changieren des Wahrgenommenen, geflüstert, gesprochen, wird eingeteilt in Angenehmes oder Unangenehmes. Patrick Schäfers musikalische Untermalung und die hinzugefügten Texte von Pauline Jacob (Staatsoper24) philosophieren und transportieren die Sichtweise der Liebe in die heutige Zeit.

Platz für Reflektion

Und am Ende packt Amor seine Pfeile ein und überlässt es der Welt zu lieben. Und gibt die Frage an das Publikum: wie erleben Sie die Liebe? So sinniert er im letzten Bild vor dem geöffneten Fenster (hier wird die Besonderheit der Schwetzinger Bühne Richtung Garten genutzt) um allen auf der Welt möglichen Gedanken und Gefühlen, ihrer Vielfalt zu diesem Thema Platz zu geben. (aw)

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exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
26.05.2025
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