Gaststättengeschichte

Public Viewing gab es schon 1954

Eine besondere Stadtführung gibt Einblicke in die spannende Vergangenheit der örtlichen Gastronomiebetriebe.
Bernd Lörcher hatte Bierkrüge der ehemaligen Adlerbrauerei dabei.
Bernd Lörcher hatte Bierkrüge der ehemaligen Adlerbrauerei dabei.Foto: kaa

Eislingen hat eine reiche Gaststättengeschichte. Was Stadtarchivar Martin Mundorff und Fotograf Paul Kottmann in dem Buch „Gaststätten in Eislingen“ niedergeschrieben haben, greift eine Führung der Volkshochschule auf. Der Termin im April war so stark nachgefragt, dass eine Zusatzführung am 28. Juni angesetzt wurde. Über deren erste Hälfte der Führung haben wir bereits berichtet, heute ist der zweite Teil dran. Wir machen uns zusammen mit Eberhard Schmid, den man bereits von anderen geschichtlichen Rundgängen kennt, und dem Ur-Eislinger Walter Lörcher auf den Weg.
„Public Viewing“ kennt man in Eislingen schon sehr lange, wenngleich man es nicht so nannte. Im „Lindenhof“, im Café Vogelgarten und einer weiteren Wirtschaft standen die einzigen Fernsehapparate in der Stadt, und dort wurde 1954 ganz sicher mit vielen Emotionen die Fußball-WM erlebt. Der Lindenhof wurde später zur ersten Pizzeria weit und breit, das von einem italienischen Gastarbeiter geführte „Bella Roma“. Noch später war er eine Musikkneipe. Dieses Gasthaus, ein hübsches Ziegelsteingebäude mit Türmchen, gibt es samt seinem Biergarten heute noch: Es ist das „Maultäschle“ in der Ulmer Straße.
Den Adler gibt es schon seit der Frühen Neuzeit
Überhaupt ist in Eislingen-Nord noch etwas mehr alte Bausubstanz erhalten als im südlichen Teil. Der Adler, heute „D’Onofrio“ (noch immer mit einem Adler auf dem Schild), ist eine der beiden ältesten Wirtschaften in der Stadt. Er wurde 1493 erstmals urkundlich erwähnt, in ihm ist ein Arbeiter- und Bauernrat ebenso gegründet worden wie die NSDAP-Ortsgruppe, die SPD und die CDU. Das Backsteinhaus, wie es heute dasteht, wurde um 1900 erbaut, seine großen Fenster im ersten Stock weisen auf den Saal hin, in dem zahllose Veranstaltungen und Feste stattfanden. Mit dem Adler verbunden war die Brauerei „Adlerbier“, die bis 1971 bestand. Bernd Lörcher hatte zwei ihrer Bierkrüge dabei – ein Überbleibsel aus Zeiten, als in der Stadt noch Bier gebraut wurde.
Sehr alt ist der heutige Marstall. Die ehrwürdigen Mauern von 1769 gehörten ursprünglich zum Schloss und dienten als Remise, Reithaus und Pferdestall. Später waren hier Sozialwohnungen, heute kann man gehoben italienisch speisen.
Bei vielen Rundgangsteilnehmern wurden im Zuge der Führung Erinnerungen wach, auch an Gaststätten, die schon lange nicht mehr bestehen wie das Germania samt Kinosaal, den ehemaligen „Pferdestall“ - die Kellerbar des Schönblick, die „dunkel und verraucht“ gewesen sei. Apollo oder Schluckspecht waren weitere Namen, die an eher düstere Lokale denken ließen. Der Schriftzug des früheren „Schützen“, in dem sich katholische Honoratioren trafen und gern Wurstsalat nach Art des Hauses aßen (bestehend aus fünf Rädle Wurst mit Essig und Öl) ist noch vorhanden, auch wenn er heute ein China-Restaurant beherbergt.
Das jetzige Zeus war früher der Pflug und trug den Spitznamen „Vatikan“, weil viele Katholiken nach der Messe dort einkehrten. Das Lamm war bekannt für seinen singenden Wirt und Metzger, Josef Grupp, und das Waldhorn wurde wegen seiner Wirtinnen als Drei-Mädel-Haus bekannt und gern von in Göppingen stationierten Soldaten besucht.
Der singende Wirt und das „Drei-Mädel-Haus“
Im Ochsen konnte man ein „Handbrot“ bestellen, zwei Scheiben Brot mit Leberkäs, was man wohl als Vorläufer des heißen Lkw sehen kann. Und die einstige Schildwirtschaft zum Ritter St. Georg heißt heute, nach verschiedenen Namens- und Besitzerwechseln, Meschugge und ist ein griechisch-deutsches Gasthaus mit Nostalgieflair, schon allein wegen der zahlreichen alten Email-Schilder. Die „Scheuer“ nebenan wird von der gleichen Familie betrieben. Ein paar Meter weiter beim ehemaligen „Fässle“ steht noch das Backstein-Nebengebäude, die einstigen Kegelbahn. Das allerdings ist schon lange nicht mehr in Betrieb. kaa

Erscheinung
exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUM
17.06.2025
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.
Orte
Eislingen/Fils
Kategorien
Bildung
Panorama
Volkshochschulen
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto