Waldbrandrauch aus Kanada, Saharastaub aus dem Süden – vergangene Woche zeigte sich der Klimawandel über Hemsbach so sichtbar wie selten. Doch in vielen Lokalmedien fehlt die klare Einordnung solcher Phänomene. Warum das ein Problem ist, erklärt Journalistin Christina Schäfer.
Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen. Fast die ganze letzte Woche war der Himmel in einem milchig-trüben Dunst gehüllt. Mal weißlich, mal gelb, selten blau. Schaute man von der weitläufigen Wiese am Vierritterturm nach Westen, reichte der Blick teils nicht mal bis Mannheim, geschweige denn bis zum Pfälzer Wald. Der Grund: Durch die Westwetterlage gelangten eine große Menge Rußpartikel von den massiven Waldbränden in Kanada nach Mitteleuropa – und im Anschluss zog auch noch Saharastaub in den Norden.
Ein Anblick, den wir in Hemsbach und in der Region künftig wohl häufiger zu sehen bekommen. Denn durch den Klimawandel steigt nicht nur vielerorts die Waldbrandgefahr, sondern auch Saharastaubereignisse werden häufiger, da intensivere Tiefdruckgebiete mehr Staub aufwirbeln. Man kann sagen: Der Klimawandel ist vor unserer Haustür angekommen – oder eben über unseren Köpfen. Er begegnet uns nicht nur, wenn wir uns nach einem langen Arbeitstag auf der Couch ausruhen und Tagesschau gucken. Er begegnet uns direkt hier vor Ort. Dennoch haben viele Lokalzeitungen Schwierigkeiten, angemessen über das Thema zu berichten – unsere Redaktion nicht ausgenommen.
Christina Schäfer ist freie Journalistin aus Hemsbach. Sie schreibt seit Jahren für verschiedene Lokalmedien in der Rhein-Neckar-Region, darunter auch für die Hemsbacher Woche. In ihrer Arbeit begegnet ihr der Klimawandel vor allem in Form von Einsatzmeldungen: Wald- oder Flächenbrände häufen sich, Starkregenereignisse treten häufiger und teils unerwartet auf. All das landet regelmäßig in den Polizeiberichten – doch die dahinterliegenden Ursachen bleiben oft unerklärt.
Eine größere, erklärende Einordnung fehle in vielen Fällen, meint Schäfer. Zwar würden die Einzelereignisse korrekt berichtet, doch der Zusammenhang zum Klimawandel werde selten hergestellt. „Es müsste viel stärker eingeordnet werden“, sagt sie, „und zwar ohne erhobenen Zeigefinger.“ Gerade auf der lokalen Ebene sei es wichtig, deutlich zu machen, welche konkreten Auswirkungen die Klimakrise auf das Leben der Menschen habe – gesundheitlich, gesellschaftlich, wirtschaftlich.
Dass diese Einordnung oft ausbleibt, führt Schäfer auch auf eine gewisse Zurückhaltung in Redaktionen zurück. Ihrer Einschätzung nach herrscht vielfach die Sorge, Leser könnten sich durch Klimathemen bevormundet oder belastet fühlen – insbesondere angesichts der politischen Debatten und emotional aufgeladenen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. „Der Klimawandel ist ein riesiges Thema, das viele überfordert. Manche wollen das gar nicht hören, weil es ihre Komfortzone betrifft“, sagt sie. Der dauerhafte Krisenmodus sei für viele Menschen schwer auszuhalten.
Dabei sieht Schäfer gerade hier eine große Chance. Denn im Lokalen lasse sich der Klimawandel greifbarer machen – Wer einen Weg finde, darüber zu berichten, ohne gleich das große Krisennarrativ zu bedienen, könne Ängste abbauen und Handlungsspielräume eröffnen. „Wenn man nicht immer nur dieses große Überthema serviert, mit dem alle überfordert sind, sondern zeigt, was für den Einzelnen möglich ist – ohne Verbote, einfach durch konkrete Beispiele – dann kann daraus etwas in Bewegung kommen. Und das ist ja das, was wir brauchen.“
Gerade Lokalredaktionen seien hier besser aufgestellt als die großen Medienhäuser, meint sie. Denn sie könnten konkret auf das eingehen, was vor Ort geschieht. Politische Entscheidungen zum Klimawandel seien oft so weit weg, dass sie eher lähmten als motivierten. „Man fühlt sich extrem abhängig und verliert den Blick für das, was vor Ort passiert – und was man dort selbst tun kann“, sagt sie. Doch genau dort beginne Veränderung. „Wir leben mit über 80 Millionen Menschen in Deutschland. Wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet, kann daraus etwas Großes werden.“ Als Beispiel nennt sie den viel diskutierten Steingarten im Vorgarten – keine moralische Verurteilung, sondern eine Einladung zum Umdenken: weniger Steine, mehr Insekten – und damit langfristig auch mehr Vögel.
Solche Impulse könnten ihrer Ansicht nach von Lokalredaktionen glaubwürdiger und wirksamer vermittelt werden als von überregionalen Medien. Denn vor Ort sei der Klimawandel konkreter und unmittelbarer spürbar. Oder, wie sie es zum Schluss formuliert: „Ich glaube, die Leute sind auf dieser Ebene viel empfänglicher als bei der Tagesschau. Da kann man es viel eher nachvollziehen, es ist ja direkt vor der Haustür.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
dieser Artikel markiert den Auftakt einer neuen Serie in der Hemsbacher Woche. Wie meine Kollegin Christina Schäfer in unserem Gespräch schon festgestellt hat – gerade im Lokalen, lässt sich der Klimawandel viel näher am Menschen erzählen. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung, über das Thema gut zu berichten. In einem Journalismus-Seminar brachte einer meiner Dozenten die Schwierigkeiten auf Punkt: Jede Geschichte braucht einen Antagonisten (Bösewicht) und einen Protagonisten (Held), der diesen Antagonisten überwindet. Doch der Klimawandel ist als Antagonist so umfassend und gewaltig, dass er von einem einzelnen Protagonisten gar nicht bezwungen werden kann – eine gute Geschichte auf diese Weise zu erzählen, scheint also kaum möglich.
Doch was, wenn wir gar keinen einzelnen Protagonisten brauchen, sondern ganz viele, die durch Zusammenarbeit im Kleinen ihr Ziel erreichen? Und was, wenn der Klimawandel gar nicht der Antagonist ist, sondern vielmehr der Mensch, wie er lebt, wie er wirtschaftet, wie er mit seiner Umwelt umgeht? Und kann der Mensch, indem er sich ändert, vielleicht doch noch zum Protagonisten werden?
In dieser Serie blicken wir gemeinsam auf die kleinen Geschichten. Wir werden sehen, wo der Klimawandel in Hemsbach jetzt schon spürbar ist und was uns in Zukunft erwartet. Wir werden Geschichten von Hemsbachern hören, die schon jetzt aktiv sind im Kampf um unsere Zukunft. Und hier kommen Sie ins Spiel, liebe Leserinnen und Leser. Denn in diese Serie gehören auch Ihre Geschichten. Haben Sie Ihren Garten besonders insektenfreundlich angelegt? Oder sogar einen Schottergarten zurückgebaut? Verzichten Sie aufs Auto? Bringen Sie Klimathemen im Verein ein? Und was denken Sie eigentlich ganz allgemein zum Klimawandel? Sind Sie besorgt oder hoffnungsvoll? Bitte melden Sie sich gerne mit Ihren Geschichten bei unserer Redaktion. Am besten per E-Mail an hemsbach@nussbaum-medien.de.
Alle Artikel der Serie "Hemsbach.Klima.Wandel." gibt es hier.