Im Schreiben hieß es weiter: „Ferner Landrat Wenz aus Pforzheim und Dr. Ludwig vom Gesundheitsamt Pforzheim, welcher den Todesschein für das Standesamt ausstellte. Der Verurteilte wurde am Vollstreckungstag (27. Mai 44) auf Anordnung der Geh. Staatspolizei Karlsruhe durch den Gendarmeriemeister Herrmann vom Gerichtsgefängnis Pforzheim nach Königsbach abgeholt. Die Vollstreckung wurde durch zwei polnische Gefangene ausgeführt, welche die Gestapo-Beamten mitgebracht hatten. Zur Absperrung des Richtplatzes hatte die Gestapo den Ortswachtmeister Ott und den Ortsdiener Kern befohlen. Die Leiche wurde in das Krematorium nach Pforzheim verbracht.“
Natürlich haben wir uns über dieses Verbrechen unsere Gedanken gemacht. Zuerst kam die Frage auf, warum die Witwe ihren Liebhaber so beschuldigt und damit dem Tod ausgeliefert hatte. Dazu ist nachfolgender Hintergrund wichtig, welcher das „Museum Zwangsarbeit“ so beschreibt: „Ein besonderes Augenmerk der Sicherheitsbehörden lag auf der Verfolgung von Kontakten zwischen Zwangsarbeitern und Deutschen. Diese sollten unbedingt vermieden werden, um die beschworene ethnische 'Reinheit' der sogenannten Volksgemeinschaft nicht zu gefährden. Sexuelle Beziehungen, die verbotener Umgang genannt wurden, waren streng untersagt. […] Bei der Bestrafung sexueller Kontakte schlug der Rassismus mit ganzer Wucht durch: Westlichen Kriegsgefangenen drohte Gefängnishaft, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen aus Polen und der Sowjetunion die Hinrichtung.“
Dieser Umgang zeigt sich auch in einer Anweisung im Ortsarchiv, die den Umgang und die Bewachung der Zwangsarbeiter regelt – vom Aufenthalt (Übernachtung im Lager) bis zum privaten Kontaktverbot und dem Verbot, den Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern irgendwelche Waren zukommen zu lassen. Bei „verbotenem Umgang“ sei der beteiligte Zwangsarbeiter zum Tode zu verurteilen. Im letzten Abschnitt heißt es: „Es erscheint an sich so gut wie ausgeschlossen, dass eine deutsche Frau oder ein deutsches Mädchen sich mit einem Gefangenen einlässt. Sollte dies aber doch vorkommen, so ist diese Person sofort zu verhaften und in das KZ einzuliefern.“
Was uns sofort auffiel: Es ging nur um die deutsche Frau. Deutschen Männern drohten wegen „verbotenen Umgangs“ mit Zwangsarbeiterinnen anscheinend keine Strafen. Dann wurde uns bewusst, dass die Witwe keine Chance hatte, den Ukrainer zu retten – er war auf jeden Fall zum Tode verurteilt. Auch die Aussage, dass der Kontakt freiwillig erfolgt sei, hätte keine Änderung gebracht. Sie konnte nur mit der Behauptung, sie sei vergewaltigt worden, ihr eigenes Leben retten. Nach dieser Erkenntnis mussten wir der Frau innerlich Abbitte leisten. Das war bestimmt nicht leicht für sie.
Bei unserem Vortrag wurde ich darauf angesprochen, dass man der Witwe die Haare abgeschnitten und sie durch das Dorf „getrieben“ hätte. Falls jemand darüber etwas weiß, bitte melden.
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