„Alle Hebel auf Go“ – mit diesen Worten stellte Bauministerin Nicole Razavi ihre Reform der Landesbauordnung vor. Ihr Ziel: „Bauherren sollen schneller, leichter und mit weniger Papierkrieg zu ihrem Baurecht kommen“. Ab dem 28. Juni gilt die neue Landesbauordnung in Baden-Württemberg.
Einer der Gründe für die Änderung war, dass Bauherren in vielen Kommunen oftmals über viele Monate auf ihre Baugenehmigung warten müssen. Das ändert sich nun. Denn sobald dem Baurechtsamt die Unterlagen vollständig vorliegen, läuft quasi die Uhr. Nach drei Monaten gilt der Bauantrag durch die neue Genehmigungsfiktion automatisch als genehmigt, wenn es zwischenzeitlich keinen anderen Bescheid von der Baurechtsabteilung gibt. Für die Gaggenauer Bauherren wird sich damit in diesem Punkt nichts ändern. „Wir haben auch bisher schon rund 95 Prozent aller Anträge innerhalb von ein bis zwei Monaten entschieden“, erklärt Abteilungsleiterin Nina Langer. Lediglich bei Großprojekten könne es auch mal länger dauern.
Neu ist auch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in bau- und denkmalrechtlichen Verfahren. Bereits seit dem 1. Juni 2025 können keine Widersprüche gegen Entscheidungen der Baurechtsbehörde mehr eingelegt werden, sondern es muss direkt Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Für den Bauherrn hat dies den Vorteil, dass er deutlich schneller Rechtssicherheit hat, denn die Bearbeitung von Widersprüchen dauerte im Schnitt sechs bis 14 Monate. In dieser Zeit haben sich viele Bauherren nicht getraut, trotz vorliegender Baugenehmigung zu bauen. Wird tatsächlich Klage erhoben, dann dauert es allerdings deutlich länger. In der Vergangenheit haben sich gerichtliche Verfahren oftmals über Jahre gezogen. Ein Blick in die Statistik des Gaggenauer Baurechtsamtes zeigt allerdings auch: Gegen circa fünf Prozent aller Entscheidungen werden jährlich Widersprüche eingelegt. Seit jedoch kaum noch Angrenzer angehört werden dürfen, ging die Anzahl der Widersprüche auf ca. zwei Prozent zurück. Erfolgreich sind davon weniger als ein Prozent. „Bei circa 400 Bauanträgen hatten wir letztes Jahr nur einen erfolgreichen Widerspruch“, fasst Abteilungsleiterin Nina Langer zusammen.
Bereits zum November 2023 wurde im Rahmen der Einführung des digitalen Baugenehmigungsverfahrens in der Landesbauordnung neu geregelt, dass Nachbarn nicht mehr über Bauanträge informiert werden. „Wir bitten Bauherren immer, es freiwillig dennoch zu tun“, berichtet Langer. Angrenzer werden nur noch angehört, wenn nachbarschützende Vorschriften betroffen sind und von diesen Vorschriften Ausnahmen, Abweichungen oder Befreiungen beantragt werden. Nach der nun erneuten Aktualisierung des Landesgesetzes wird die Nachbarbeteiligung von vier auf zwei Wochen reduziert.
Erleichtert hat die Landesregierung auch das Bauen im Bestand. Gerade für die Schaffung von Wohnraum gibt es nun mehr Möglichkeiten für Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen. Als ein Beispiel dafür nennt Langer die Umwandlung eines ehemaligen Ladengeschäftes in eine Wohnung. „Das ist jetzt deutlich einfacher“, weist sie darauf hin, dass auch Dachgauben oder Aufstockungen künftig nicht mehr den strengeren Abstandsflächen unterworfen sind – „aber sie müssen trotzdem natürlich planungsrechtlich zulässig sein“, betont sie. Ziel ist es, dass vorhandene Gebäude besser genutzt und einfacher umgebaut werden können. Nina Langer weist auf einen weiteren Knackpunkt hin: Auch wenn kein Antrag auf Nutzungsänderung mehr gestellt werden muss – Bauherr und Architekt tragen dafür aber die Verantwortung, dass die Nutzungsänderung allen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht.
Künftig können Bauherren ihre Spielplatzverpflichtung ablösen, indem sie einen entsprechenden Geldbetrag an die Stadt bezahlen: Das Geld wird dann in Gaggenauer Spielplätze investiert. Die Stadt Gaggenau erarbeitet hierzu gerade eine Richtlinie.