Mit dem Namen Reinhardt assoziiert man ganz schnell Sinti-Jazz, denn zwei der bekanntesten Musiker dieser Spielrichtung sind der Franzose Django Reinhardt und der Deutsche Franz Schnuckenack.
Die beiden Musiker sind familiär weitläufig, im Herzen ganz eng miteinander verwandt, ebenso wie die Gitarristen Jermaine und Taylor Reinhardt sowie Grancino Reinhardt; und zur musikalisch Wahlverwandtschaft gehören auch der Bassist Sebastian Christ und der Violonist Sunny Franz.
Das Reinhardt Sinti-Jazz Ensemble besteht aus diese fünf letztgenannten Musikern und spielten am Samstagabend im voll besetzten Schlossrestaurant „Zum Blauen Loch“. Mit einem ungarischen Volkstanz, einem Csárdás, stimmte das Reinhardt Sinti-Jazz Ensemble sein Publikum fröhlich ein.
Gleich darauf interpretierte das Quintett den Jazz-Standard „I can give you anything but love“ auf ganz eigene Weise mit Violine als melodieführendes Instrument und einem virtuosen Solo auf der akustischen Gitarre, während die anderen beiden Gitarren und der Bass für den Rhythmus sorgten, denn ein Schlagzeug wie im amerikanischen Jazz gibt es nicht. A propos: Virtuosität.
Flinke Finger hatte nicht nur der Gitarrenvirtuose Jermaine Reinhardt, sondern auch der Violinist Sunny Franz; das zeigte sich spätestens beim dritten Stück des Abends, „For Saphora“ von Sinto Stochelo Rosenberg.
Nach diesen flotten Stücken kündigte Sunny Franz, der die Moderation des Abends übernahm, eine langsamere Ballade an: „C’est ce soir“. Ganz im Sinne von Django Reinhardt und dem Esprit Manouche, wie sich viele Sinti in Frankreich bezeichnen, folgten noch mehr beschwingte französische Titel wie „Coquette“ und das temporeichen „Joseph Joseph“. Das Publikum war begeistert und zollte heftigen Applaus.
Nach der Pause begann das Quintett mit einem Jazz-Standard „All of me“ von Gerald Marks; an das Solo von Jermaine Reinhardt schloss sich – ebenfalls solistisch – diesmal Taylor Reinhardt an, um schließlich die Melodieführung an Violinist Sunny Franz abzugeben.
Auch das folgende Stück gilt als ein Jazz-Standard, wenngleich es ein Bossa-Nova aus Brasilien ist: „Black Orfeo“. Jermaine Reinhardt führte mit einem langen mitreißenden Solo durch die tiefen Emotionen der griechischen Tragödie. Danach übernahm die Sunny Franz die Melodieführung auf der Violine und Taylor Reinhardt schloss mit tiefen Akkorden die Geschichte ab. Eine herrliche Interpretation des so oft gespielten Stücks. Das applaudierte begeistert.
Als Hommage an Django Reinhardt spielte die Band die Ballade „Nuages“ (dt.: Wolken), das als Metapher für die eigentliche Heimat der heimatlosen Sinti und Roma gesehen wurde. Die Komposition führte für Django Reinhardt zum Durchbruch als Star und in Frankreich zu einem veritablen Jazz-Standard. Dann folgte eine echte Überraschung: Sunny Franz rief seinen Vater Romeo Franz auf die Bühne.
Der ehemalige Meisterschüler von Schnuckenack Reinhardt und seither selbst ein großer Musiker war völlig überrascht und gab dann doch nach. Zusammen mit der Band sang er das fröhlich-beschwingte Lied „Schukka reili Taschai“. Als weiterer Gastsänger trat schließlich Manfred Kern auf und sang Passagen der Charlie Chaplin Komposition „Smile“, die von Violinen- und Gitarrensoli eingerahmt wurden.
Noch ein rasantes Stück Sinti-Jazz, dann verbeugten sich die Musiker des Ensembles unvermittelt als Zeichen, dass das Konzert jetzt zu Ende sei. Das Publikum war so begeistert, dass unbedingt noch Zugabe folgen musste.
Es folgte „Those were the days“, ein Popsong von Mary Hopkins. Applaus und Pfeifen des Publikums zeigten Begeisterung an. Schließlich interpretierte die Band noch ein Stück: „Minor Swing“ von Django Reinhardt und seinem Freund Stéphane Grappelli, bei dem nun sogar der Bassist Sebastian Christ ein kleines Solo spielte. Das zahlreiche Publikum zollte tosenden, stehenden Applaus. (rw)