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Reutlinger Streuobstwiesen: Lebensraum für tausende Tiere und Pflanzen

„Jeder zweite Streuobstbaum Deutschlands steht in Baden-Württemberg“, weiß David Horle vom städtischen Fachgebiet Natur-, Arten- und Bodenschutz....
David Horle und Katrin Reichenecker zeigen den Lebensraum Streuobstwiese
David Horle und Katrin Reichenecker zeigen den Lebensraum Streuobstwiese

„Jeder zweite Streuobstbaum Deutschlands steht in Baden-Württemberg“, weiß David Horle vom städtischen Fachgebiet Natur-, Arten- und Bodenschutz. Gemeinsam mit seiner Fachgebietsleiterin Katrin Reichenecker hatte er am Freitag, 2. August, zum Pressetermin auf eine stadteigene Wiese nahe Degerschlacht geladen. Die beiden machten dabei klar: Gepflegte Streuobstwiesen bieten einen großen Mehrwert für die Natur.

„Bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten finden hier ihre Nische“, so Horle. Dazu zählen neben Bäumen und Sträuchern sowie allerlei Insekten auch diverse Vogelarten. Viele Säugetiere sind ebenfalls gerne auf Streuobstwiesen unterwegs, zum Beispiel Füchse und Mäuse. Die Tiere finden auf den Wiesen Nahrung und Unterschlupf – wenn die Wiesen intakt sind. Das sind aber bei Weitem nicht alle der Streuobstwiesen in Reutlingen, deren Gesamtfläche knapp 700 Hektar beträgt.

Sowohl für Wiesen in öffentlichem als auch im privaten Besitz gilt daher: Auf die richtige Pflege kommt es an. Zweimal jährlich sollten sie gemäht werden, die Bäume regelmäßig geschnitten und Misteln entfernt werden. Letztere hätten sich in den vergangenen Jahren zur Pandemie der Obstbäume entwickelt, so Katrin Reichenecker. Deshalb sind sich die beiden Fachleute einig: Die Wiesen sind auf den Menschen angewiesen.

Auf der Fläche, die sich die Experten für den Pressetermin ausgesucht hatten, gibt es hingegen viele Beispiele, die zeigen, was eine gepflegte Streuobstwiese zu bieten hat. Neben jungen und vitalen Bäumen gibt es solche, die langsam morsch werden oder schon abgestorben sind. Dieser „Mix“ ist gewollt und Voraussetzung dafür, ein ausgewogenes Ökosystem zu erschaffen.

Jeder einzelne Baum bietet dabei auf mehreren „Etagen“ Lebensraum für Tiere aller Art. Im Wurzelbereich unter der Erde sind Insekten und Larven zu finden. Im und am Stamm, dem ersten „Obergeschoss“, fühlen sich kleine Tiere wie Käfer, Spinnen oder Bienen und sogar Vögel, Fledermäuse und Siebenschläfer wohl – vor allem, wenn eine Höhle Schutz bieten kann. In der Baumkrone, dem „Dachgeschoss“, tummeln sich zahlreiche Insekten wie Vögel und erfreuen sich an Blüten und Früchten.

Und selbst in Totholz steckt auf Streuobstwiesen viel Leben, zum Beispiel als Wohnquartier für Spechte. Das Besondere: Die Vögel bauen oft mehr Höhlen, als sie brauchen. So profitieren auch andere Tiere von den „Bauwerken“, die dort einziehen können.

Selbst Ast- und Reisighaufen können als Lebensraum dienen. Eidechsen bieten sie Versteck- und Jagdmöglichkeiten, Igel nutzen diese als Winterquartiere. Deshalb sei es wichtig, die Haufen auf keinen Fall anzuzünden, etwa als Sonnwendfeuer. „Für solche Angelegenheiten sollten die Haufen frisch aufgeschichtet werden“, ist es Katrin Reichenecker ein Anliegen.

Um die Kulturlandschaft Streuobstwiese zu erhalten, ist auch das Land Baden-Württemberg zuletzt aktiv geworden. Seit März 2022 zählen Streuobstwiesen ab einer Größe von 1.500 Quadratmetern zu den gesetzlich geschützten Biotopen: Besitzer sind verpflichtet, sie zu erhalten und zu pflegen. Mit der Streuobstwiesenkonzeption 2030 verabschiedete das Land zudem im Juli ein Konzept mit Maßnahmenvorschlägen zum Streuobsterhalt. Für die beiden Expertinnen der Stadt ist dies ein wichtiger Baustein. Nun sei überbehördliche und interkommunale Zusammenarbeit gefordert, um privaten Streuobstwiesenbesitzern wie auch Kommunen gute und vor allem konkrete Werkzeuge an die Hand zu geben, um Streuobstwiesen nachhaltig zu pflegen und das Kulturgut zu erhalten.

Erscheinung
Ohmenhäuser Blättle – Bekanntmachungen des Stadtteils Reutlingen- Ohmenhausen
NUSSBAUM+
Ausgabe 36/2024
von Bezirksamt Ohmenhausen
05.09.2024
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