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Rückblick zum Männerfrühstück am 12. Juni 2025: Martin Schultheiß: Armenien – ein Reisebericht

Der langjährige Pfarrer in Wolfschlugen, Martin Schultheiß, hat die Teilnehmer mitgenommen in ein reizvolles kaukasisches Land. Seine Bilder vermittelten...

Der langjährige Pfarrer in Wolfschlugen, Martin Schultheiß, hat die Teilnehmer mitgenommen in ein reizvolles kaukasisches Land. Seine Bilder vermittelten einen lebendigen Eindruck vom Leben der Menschen und der Natur. Armenien ist ein kleines Gebirgsland (seine Fläche vergleichbar mit Brandenburg), mit Höhen- und Klimaunterschieden zwischen 380 und 4090 m. Das vulkanische Gestein ist fruchtbar, aber das Gebiet ist erdbebengefährdet. Die Folgen des letzten großen Bebens von 1988 sind bis heute zu spüren. Armenien liegt zwischen der Türkei, Georgien, Aserbaidschan und dem Iran. Das alte Land (Gründung eines Königreichs um 188 v. Chr.) geriet auch während seiner Geschichte immer wieder in die Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Großmächten hinein, seien es Römer und Parther, Byzanz und die Araber, Mongolen, Seldschuken, Persien, Russland und die Osmanen. Diese teilten das Land unter sich auf. Als das Osmanische Reich während des 1. Weltkriegs (als Verbündete Deutschlands) in die Krise kam, versuchten die Jungtürken, eine Gruppe junger Offiziere, die veralteten Strukturen zu reformieren. Dabei dienten die tüchtigen Armenier als Sündenböcke; ihre Intellektuellen wurden verhaftet und deportiert. Bei Massakern und Todesmärschen und der Vertreibung wurden 1915/16 zwischen 300 000 und 1,5 Millionen Menschen getötet. 1922 wurde das Land erneut zwischen der Türkei und der Sowjetunion aufgeteilt. Beim Auseinanderbrechen der Sowjetunion 1991 wurde die frühere armenische Sowjetrepublik selbständig, wenn auch abhängig von Russland. Viele Armenier flohen aus dem verarmten Land, so dass einer Bevölkerung von 3 Millionen doppelt so viele Armenier im Ausland gegenüberstehen, die aber ihre Heimat treu unterstützen. Das Land wird heute eingeschränkt demokratisch regiert, mit einem Parlament und einem Präsidenten, bei dessen Wahlen es zu Unregelmäßigkeiten, Protesten und Gewalt kam. Die Meinungsfreiheit ist eingeschränkt. Obwohl die Wirtschaft von oligarchischen Strukturen und Korruption beeinträchtigt wird und das pro-Kopf-Einkommen niedrig ist, kam es in jüngster Vergangenheit zu einem bescheidenen Wachstum. Es dominiert die Landwirtschaft und Ernährung mit Obst, Gemüse, Tabak, Käse (und einem wunderbaren Brot!). Traditionell spielen auch die Energiewirtschaft und Rohstoff-Förderung mit Kupfer, Bauxit, Gold und Molybdän eine wichtige Rolle. Dabei wird wenig Rücksicht auf die Gesundheit von Beschäftigten und Bevölkerung genommen, so durch ein Kupferbergwerk, dessen giftige Abgase ein ganzes Tal verseuchen und zu früher Sterblichkeit führen. Die Gesellschaft ist stark patriarchalisch ausgerichtet: Männer, aber auch die Frauen der Familien-Chefs, haben das Sagen. Es handle sich um ein hochdiszipliniertes Volk, so Martin Schultheiß. Obwohl das Land so arm ist und kaum Geld für Schulgebäude und Unterrichtsmaterial hat, spielt Bildung eine herausragende Rolle. 100 % der Bevölkerung sind alphabetisiert. Martin Schultheiß hat Schulklassen besucht, in denen Deutsch gelernt und Goethe-Gedichte aufgesagt wurden. Es gibt mehrere Universitäten in dem kleinen Land. Interessant ist die armenische Literatur und Volksmusik mit ihren Saiten- und Blasinstrumenten. Vielleicht hat das damit zu tun, dass das Christentum relativ früh als Staatsreligion eingeführt wurde (301 bzw. 315 durch Gregor den Erleuchteten). Der Mönch Musrop Maschtoz hat bereits 405 das armenische Alphabet erfunden, mit seiner wunderschönen, malerischen Schrift. Die Armenisch-Orthodoxe Kirche legt viel Wert auf Liturgie und Zeremonien (Sie verfügt sogar über einen eigenen Papst!). Aber die Entkirchlichung sei auch hier spürbar, so Pfarrer Schultheiß. Da keine Kirchensteuer erhoben wird, treffe man immer wieder einfache Priester, die versuchen, durch kirchliche Handlungen wie Taufen oder bloßes Handauflegen den Lebensunterhalt ihrer Familien zu finanzieren. (Nur der höhere Klerus lebt im Zölibat.) Das Männerfrühstück dankt Herrn Schultheiß für die anschauliche Einführung in eine uns fremde, aber reizvolle Kultur.


Erich Schmidtblaicher

Erscheinung
Amtsblatt der Gemeinde Wolfschlugen
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Ausgabe 27/2025
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