Dies und das

Russland 1869: „Greif und Zarenadler“

Wer als beamteter Lehrer in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit des „Kalten Kriegs“ Post aus der Sowjetunion erhielt, konnte nicht ausschließen,...
Foto: Briefmarkensammlerverein Ettlingen

Wer als beamteter Lehrer in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit des „Kalten Kriegs“ Post aus der Sowjetunion erhielt, konnte nicht ausschließen, ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten. Noch Mitte der 1980er Jahre musste z.B. ein Rechtsreferendar aufgrund des seinerzeitigen Status als Beamter auf Widerruf eine geplante Urlaubsreise in ein Land jenseits des „Eisernen Vorhangs“ anzeigen. – Im 19. Jahrhundert war der Postverkehr zwischen Russland und einem Mitgliedsstaat des damaligen Deutschen Bunds hingegen recht unproblematisch. Hier achteten eher die russischen „Genzer“ darauf, dass keine verbotene politische Literatur ins Zarenreich gelangte. Viele Deutsche waren nach Russland ausgewandert. Prinzessin Luise, die Schwester des späteren Großherzogs Karl von Baden, war mit Zar Alexander I. verheiratet, und auch die späteren Zaren ehelichten mit Ausnahme von Alexander III. Prinzessinnen aus deutschen Fürstenhäusern. Hans Leopold Zollner beschrieb in seinem Buch „Greif und Zarenadler“ über 200 Jahre badisch-russischer Beziehungen u.a. von der Brautschau Luises durch Katharina die Große bis zur Flucht Lenins 1917 über badische Bahngleise.– Daher nahm niemand Anstoß an dem hier abgebildeten Poststück aus dem Jahre 1869, welches aus der damaligen russischen Hauptstadt St. Petersburg „vor die Tore“ Karlsruhes und damit zu den „badischen Greifen“ gesandt wurde:


Der Umschlag ist mit 3 russischen Freimarken der Ausgaben ab 1866 zu 1 Kopeke schwarz/gelb, 3 K schwarz/grün und 10 K braun/blau frankiert, die jeweils das russische Staatswappen in Form des bekrönten Doppeladlers als Motiv besitzen. Die einwandfrei gezähnten und farbfrischen Marken sind mit 2 ovalen Stempeln „C.П.Б“ (= S.P.B.= St. Petersburg) entwertet. Der St. Petersburger Ortsstempel vom 5.8.1869 ist zusätzlich unten rechts abgeschlagen, wobei dieses Datum nach jul. Kalender dem 17.8.1869 greg. Zeitrechnung entspricht. Demgemäß datiert der oben rechts sehr klar abgeschlagene rote Grenzübergangsstempel „Aus Russland über Bur(eau) XI. EDK-BRG“ vom 18.8.1869. Die Ortsabkürzungen stehen für Eydtkuhnen-Bromberg, denn Eydtkuhnen war die Endstation der Preußischen Ostbahn. Wegen der russischen Breitspurbahnen mussten Passagiere und Frachtgüter aus Russland in Eydtkuhnen den russischen Zug verlassen, um in einem preußischen Zug mit normaler Spurweite weiterbefördert zu werden. So geschah es auch mit unserem an „Herrn Lehrer Ch.E.Mezger in Grünwettersbach bei Durlach (Großherzogtum Baden)“ gerichteten Brief, der via Heidelberg (20.8.) noch am 20.8.1869 nach Durlach gelangte. Die Laufzeit unseres schönen Briefs betrug somit nur 3 Tage, heute kaum noch vorstellbar, insbesondere im Zuge der westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs.

Die Tauschtage finden regelmäßig am 2. und 4. Sonntag eines Monats ab 10 Uhr im St. Vincentius-Haus, Heinrich-Magnani-Str. 2-4, statt. Gäste sind jederzeit willkommen. www.bsv-ettlingen.de, Ralf Vater, Tel. 07243 13420

Erscheinung
Amtsblatt Ettlingen
Ausgabe 26/2025
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