Dies und das

Sagen aus Hechingen und seinen Stadtteilen

(Fortsetzung aus Stadtspiegel Nr. 18 „Hechingen mit nächster Umgebung“) Ein Waldbruder lebte nach den Erzählungen alter Leute im Fichtenwalde bei...
Hechingen um 1740
Hechingen um 1740

(Fortsetzung aus Stadtspiegel Nr. 18 „Hechingen mit nächster Umgebung“)

Ein Waldbruder lebte nach den Erzählungen alter Leute im Fichtenwalde bei Hechingen. Er soll aus fremdem Lande und ehemals ein Kriegsmann gewesen sein. Leute aus der nahen und fernen Umgebung suchten ihn in seiner Einsamkeit auf, brachten ihm Nahrungsmittel und holten sich Rath in Angelegenheiten des Leibes und der Seele. Er sammelte Heilkräuter und gab zu deren Gebrauch den Hülfesuchenden Belehrung. Als die Ostseite des Fichtenwaldes vor etwa 40 Jahren kahl gehauen und in Ackerland umgewandelt wurde, zeigte man noch die etwas vertiefte Stelle, wo der Waldbruder seine Hütte sich erbaut hatte.

Wie die meisten alten Städte war auch die Stadt Hechingen mit Thürmen und Mauern umgeben. Nach Merian standen im Jahre 1662 noch 8 Stadtthürme, welche die Mauern flankirten. Das alte Schloß, die Friedrichsburg, war mit 6 größeren und kleineren Thürmen geziert. Gegenüber der alten Stadtkirche (Stiftskirche) stand der hohe sogenannte Schäferthurm. Von diesem Thurme wird erzählt: Ein Graf von Zollern, der Oettinger genannt, ritt einmal von der Jagd kommend, mit seinem Gefolge durch die Stadt. Da sah er einen Maurer auf dem Thurmdache mit Ausbesserung desselben beschäftigt. Der Graf ließ sein Gefolge halten, legte die Armbrust an und schoß den Maurer vom Dache herunter. Mit einem Halloh! jagte nach dieser That der Graf mit seinem Gefolge zum Thore hinaus dem Hohenzoller zu.

Auf dem heute noch stehenden sogenannten Unterthurme ist eine alte Glocke, welche noch vor etwa 10 Jahren Morgens 3 Uhr, 5 Uhr, Nachmittags 5 Uhr und Abends 9 Uhr geläutet wurde. Ebenso bei Brandfällen. Diese Glocke soll eine Stiftung einer hohenzollernschen Gräfin sein, aus der Zeit, da noch dicht bis Hechingen heran der große Butzenwald stand, um den verirrten Wanderer auf die rechte Bahn zu bringen. Im Volksmunde wurde diese Glocke auch die „Eichelglocke“ genannt, weil die Bürger in der Gemeindewaldung nicht eher Eicheln sammeln durften, als bis Morgens 5 Uhr die Unterthurmglocke geläutet war.

Dem Grafen Friedrich von Zollern, genannt der Oettinger, der ein sehr abenteuerliches Leben führte und nebenbei – wie oben vermeldet – auch manche Frevelthat beging, soll eine alte Frau aus Hechingen die Zerstörung der Burg Hohenzollern und Vertreibung des Grafen aus seinem Besitzthum prophezeit haben. Nachdem ihre Worte in Erfüllung gegangen, sei die Frau in Hechingen als Hexe verbrannt worden.

Eine geborene Gräfin von Zollern, verehelichte Truchsessin von Zimmern, wurde durch den Grafen Jost Niklaus von Zollern ihrem leichtsinnigen Gemahl in Oberndorf gewaltsam entführt und auf der Burg Hohenzollern in Verwahrung genommen. Da begab es sich, wie die Zimmernsche Chronik berichtet, einsmals im Sommer, als Graf Jos Niklaus nit ainhaimsch (nicht zu Hause) war, daß ein groß Wetter über Zollern ging; es thät fünf Donnerstraich in das Schloß, darunter zween in den Thurm oder das Gemach gingen, darin die Truchseß gefangen und da wenn Graf Josen gemahl sie nit eine kleine Weil davor user der Gefengknuß gelassen, so wär unmöglich gewesen, daß sie und ihr Dienerin mit dem Leben davon hätten kommen mögen, da der Thurm, auch die Stube und die Cammer von Wetter und Donderstraichen zerschmettert worden. ... Wenige Jahre darauf ist diese Truchsessin auf Zollern gestorben. Sie ist zu Hechingen in die Zollerische Begräbniß (Stiftskirche) begraben worden. Man sagt, es sei auf ein Zeit, darnach der Messner von Hechingen eines Morgens (beim Gebetläuten) gar frühe in die Kirche gangen, da habe er eine lange schwarze Frau in einem weißen Sturz bei dem Grab (Gruft im Chor) sehen knien; sie sei gar bald verschwunden. Der Messner soll, ob dem Gespenst so erschrocken sein, daß er krank geworden und kümmerlich wieder auf sei kommen. Es sei diese (Erscheinung) der Truchsessin Geist gewesen.

Der Hexen- und Geisterglaube war in Hechingen sehr verbreitet. Häuser, Wälder, Fluren waren durch Geisterspuck berüchtigt. Ein amtliches Ausschreiben vom Jahr 1525 sichert eine Belohnung von fünf Gulden demjenigen zu, „welcher einen Kobold, eine Nixe oder ein anderes dergleichen Gespenst in seinem Hause, seinen Ställen, in Bächen und Teichen einfange und lebendig oder todt beim Oberjägermeister abliefere.“ Es wurde bei all dem Aberglauben geklagt, daß nicht mehr so viel Andacht in der Welt sei, wie vor Jahren und wird als Beispiel größerer Gläubigkeit erzählt, daß zu Jost Niklaus I. Zeit zu Hechingen ein in der Nähe der Kirche wohnender Metzger eben ein Kalb abgestochen, als die Schelle des Meßmers aus der Kirche erklang. Der Metzger lief von der Arbeit weg, um seine Andacht zu verrichten. Inzwischen aber kamen seine zwei noch nicht achtjährigen Knaben, wovon der eine sich auf den Schragen legte und alsdann von dem Bruder, wie es der Vater bei dem Kalbe that, in den Hals gestochen wurde. Die Mutter, welche eben das jüngste Kind badete, wollte auf das Geschrei des Gestochenen zu Hülfe eilen und ließ im Schrecken darüber das Kind ertrinken. Als der Vater aus der Kirche kam und „das groß Herzlaid ersah“, entleibte er sich angesichts aller Umstehenden mit einem Brodmesser. Die Mutter mußte lange Zeit behütet werden, damit sie sich nicht auch ein Leids anthat. Sie stiftete „zu langwieriger Gedächtniß der sachen“ ein ewig Licht ins Kloster Stetten. Der Knabe, welcher das Unheil angerichtet, wurde eingesperrt und peinlich beklagt. Um seine Zurechnungsfähigkeit zu erproben, legten ihm die Richter einen glänzenden neuen Goldgulden und einen schönen großen Apfel vor. Der Knabe nahm den Apfel und bewies dadurch „seine Kindheit und unverstandt“; es wurde ihm das Leben gelassen, doch scheint er ausser Landes geschafft worden zu sein. (Nach der Zimmernschen Chronik. Bd. II S.174.)

Eines der ältesten Wirthshäuser in Hechingen ist das in der Altstadt am Fuß der Staige gelegene Gasthaus „zum Ochsen“. Nach der Sage lebte vor vielen Jahren in diesem Hause ein Wirth, der nicht zu den redlichen Gastgebern zählte und nebenbei Filz und Wucherer war. Es wurde bekannt von ihm, daß er Wasser unter den Wein goß und Spreuer unter das Korn mischte. In einem Nothjahr soll er noch viel Vorrath an Korn gehabt und dafür immer größere Summen gefordert haben, so daß es Niemand mehr kaufen konnte. Da soll das Korn schließlich lebendig geworden und zu dem Bühneladen hinausgeflogen sein. Das Volk hörte dieses und machte seiner berechtigten Schadenfreude in jeder Weise Luft. Kaum war der Wirth gestorben, so mußte sein Geist schon umgehen, man hörte ihn rufen: „O weh! Wasser unter den Wein, Spreuer unter das Korn!“ Ja, als man beim Leichenbegängniß den Sarg mit der Leiche vom Hause wegtrug, wollen die Leute gesehen haben, wie der Wirth leibhaftig unter dem Bühneladen erschien und dem Leichenzuge nachsah. Der Geist des Wirthes ging auch ferner im Hause um und belästigte die Inwohner so sehr, daß Niemand mehr daselbst bleiben wollte. Im Kloster St. Lutzen lebte damals ein frommer Franziskaner Pater, welcher in der ganzen Umgegend als Geisterbanner und Wetterbeschwörer bekannt war; dieser wurde von dem neuen Besitzer des Ochsenwirthshauses berufen, den lästigen Geist zu bannen und dadurch die Ruhe im Hause wieder herzustellen. Der Franziskaner that das Seine und bannte den Geist in eine Flasche, welche nun weit von der Stadt tief hinein in einen finsteren Wald getragen und dort in die Erde begraben wurde. Da scheint der Geist seinem engen Gefängniß denn doch wieder entschlüpft zu sein, denn es dauerte nicht lange, so spuckte es in dem Waldreviere in ganz erschrecklicher Weise, so daß dasselbe nur ungern von Jemanden betreten wurde. Holzhauern und Holzsammlern erschien der Geist in verschiedenen Gestalten, bald als grüngekleideter Jäger zuweilen den Kopf unter dem Arme tragend, bald als ein fremdartiges Thier. Nicht selten setzte er sich unsichtbar den Holzsammlern auf ihre Bürde und sprang dann mit höhnischem Gelächter ab, wenn die armen Leute mit der Last den steilen Berg heraufgekeucht waren. Auch Jäger neckte er gerne, indem er denselben als stattlicher Hirsch erschien und dann, wenn sie auf ihn angelegt hatten, plötzlich verschwand, um an anderer Stelle das gleiche Spiel zu treiben. Der Waldgeist wurde der Hagenmann genannt und das Revier, in welchem er sein Wesen trieb, heißt der Hagenmannswald. An der südlichen Grenze desselben, oberhalb des Hagemanns Graben, stehen auf einem Wurzelstocke vier stattliche Eichen – die „Vier Eichle“ genannt –, in welchen ein Marienbild und seit neuerer Zeit ein Kreuz angebracht ist, wozu gewallfahrtet wird. Vielleicht sollten diese heiligen Zeichen zur Sicherung dienen, daß der Hagenmann seinen Bann nicht überschreite.

Niederhechingen.

Am nordöstlichen Fuße des St. Martinsberges, an welchem vorüber einst eine Römerstraße führte, wovon noch Spuren zu finden sind, stand noch im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts das uralte St. Martinskirchlein, auch das Niederhechinger Kirchlein genannt. Der Sage nach soll ehemals die Stadt Hechingen um dieses Kirchlein gelegen haben. Die Schenken von Staufenberg, von deren Stammburg im Schlößleswald über den Staufenburger Hof noch Trümmer zeugen, sowie die Familien der Edlen von Walch ([Fußnote:] Die Walch stammen ohne Zweifel aus dem Räto-Romanischen und ist der Name Walch = Wälscher zu deuten.) und Synchingen waren in Niederhechingen begütert. Der Pfauenhof daselbst kam 1390 durch Kauf an das Kloster Stetten, in welchem auch die Familie Walch, von welcher ein Zweig in Niederhechingen ansäßig war, ihr Erbbegräbniß hatte. Vor dem Kirchlein lag, im Halbkreise von einem Tannenwalde umgeben, ein großer Weiher, der Wüstenweiher genannt, welcher sehr fischreich war. Das Kirchlein wurde längere Zeit vor seinem Abbruche nicht mehr zu gottesdienstlichen Zwecken benutzt und alte Leute erzählten, daß um die Mitternachtsstunde aus den kleinen Fenstern oft ein heller Lichtschimmer gestrahlt habe. Als ein Neugieriger es einmal wagte, hineinzusehen, bemerkte er einen Priester, der am Altare stand und Messe las. Im Gestühl des Kirchleins flimmerten viele kleine Lichtlein, die später auf den Gräbern des ehemaligen kleinen Friedhofes zu sehen waren und dann plötzlich erloschen. Niederhechingen ging in Kriegszeiten ab und die Bewohner zogen nach Hechingen, wo sie schon vorher (seit 1413) eingebürgert waren. Da, wo Niederhechingen lag, wurden in diesem Jahrhundert noch alte Waffen ausgegraben.

Der Weihergeist spuckte auf dem Wege, der in der Nähe des Schafhauses von der Lindichstraße abzweigt und über die Wiesen zwischen Weiher und Starzel nach der Friedrichstraße führt. Der Geist schreckte die Leute und leitete sie irre.

Erscheinung
Stadtspiegel Hechingen – Lokalzeitung mit den Amtlichen Bekanntmachungen
Ausgabe 20/2024
von Stadt Hechingen
17.05.2024
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