Grundsteuerreform allgemein
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12) die Bewertungsvorschriften für die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Seine Entscheidung hatte das BVerfG damit begründet, dass das Festhalten des Gesetzgebers am Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen führt, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt.
Mit dem Beschluss wurde gleichzeitig bestimmt, dass der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2019 eine gesetzliche Neuregelung zu treffen hat. Diese Verpflichtung wurde durch die Verkündung des Grundsteuerreformpakets des Bundes im November/ Dezember 2019 erfüllt. Damit durften und dürfen die bisherigen Bewertungsregeln noch für eine Übergangszeit bis 31. Dezember 2024 angewandt werden.
Neben dem eigentlichen Grundsteuerreformgesetz war auch eine Grundgesetzänderung Teil des Reformpakets. Der geänderte Artikel 105 Abs. 2 des Grundgesetzes ermächtigt die Länder nun, vom Grundsteuerrecht des Bundes (Bundesmodell) abzuweichen. Von dieser Länderöffnungsklausel haben mehrere Bundesländer Gebrauch gemacht. Zu ihnen gehört das Land Baden-Württemberg, wo der Landtag am 4. November 2020 das Landesgrundsteuergesetz (LGrStG) beschlossen hat.
Sowohl im Bundesrecht als auch im Landesgrundsteuergesetz wird die Grundsteuer wie im bisherigen Recht in einem dreistufigen Verfahren ermittelt:
Für das Grundvermögen (Grundsteuer B) hat der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg mit dem modifizierten Bodenwertmodell einen eigenen Weg gewählt. Bei diesem Modell wird die Grundstücksfläche mit dem vom örtlichen Gutachterausschuss auf den 01.01.2022 festgestellten Bodenrichtwert multipliziert. Die Gebäudewerte auf den entsprechenden Grundstücken sind dagegen nicht relevant. Dies stellt eine echte Verwaltungsvereinfachung für die Finanzämter dar, welche künftig Gebäude nicht mehr bewerten müssen.
In Baden-Württemberg bleibt die Bebauung eines Grundstücks und damit ein etwaiger Gebäudewert auf der Ebene der Bewertung damit unberücksichtigt. Der sich ergebende Grundsteuerwert (Grundstücksfläche x Bodenrichtwert) wird mit der sogenannten Steuermesszahl, für die insbesondere für bebaute Wohngrundstücke ein Abschlag von 30 % vorgesehen ist, vervielfacht.
Bei der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) hat der Landesgesetzgeber das Bundesmodell übernommen. Die Bewertung erfolgt hier auf Basis eines typisierenden durchschnittlichen Ertragswertverfahrens. Während im bisherigen Recht bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben die Wohngebäude der Betriebsinhaber, seiner Familienangehörigen und die Altenteiler bei der Grundsteuer A mitbewertet worden sind, werden diese zukünftig als eigenes Grundsteuerobjekt bei der Grundsteuer B bewertet.
Aufgrund der neuen, ab 2025 geltenden Bemessungsgrundlagen sind auch die Hebesätze 2025 neu zu beschließen.
Aufkommensneutralität
Der Gemeinderat ist dem Vorschlag der Verwaltung gefolgt und hat beschlossen, dass es durch die Grundsteuerreform nicht zu einer Erhöhung des Grundsteueraufkommens gegenüber dem Jahr 2024 kommt. Der Hebesatz wurde somit so festgelegt, dass das zu erwartende Grundsteueraufkommen genauso hoch ist wie in 2024. Die sogenannte „Aufkommensneutralität“ ist somit gegeben.
Die neuen Hebesätze
Auf der aktuellen Grundlage würde das Grundsteueraufkommen wie im Jahr 2024 bei der Grundsteuer B im Jahr 2025 erreicht werden mit einem Hebesatz von 215 v. H. Dieser Hebesatz wurde vom Gemeinderat so beschlossen. (Bisheriger Hebesatz 420 v.H.)
Da viele Steuererklärungen der Grundsteuer A noch nicht der Verwaltung vorliegen, würde auf der aktuellen Grundlage das Grundsteueraufkommen wie im Jahr 2024 bei der Grundsteuer A im Jahr 2025 erreicht werden mit einem Hebesatz von 485 v. H. Diesen Hebesatz sah die Verwaltung jedoch als nicht sinnvoll und zielführend an, da erwartungsgemäß im Jahr 2025 noch der Großteil der Steuererklärungen folgen wird.
Die Verwaltung schlug deshalb vor, den Hebesatz bei der Grundsteuer A von bisher 400 v.H. im ähnlichen Maß wie bei der Grundsteuer B auf zukünftig 200 v. H. zu halbieren. Auch dieser Hebesatz wurde so vom Gemeinderat beschlossen.
Belastungsverschiebungen
Die bereits erwähnte Aufkommensneutralität bezieht sich ausschließlich auf das Grundsteueraufkommen in einer Gemeinde insgesamt, nicht jedoch auf die Höhe der Grundsteuer für den einzelnen Steuerpflichtigen. Sinngemäß könnte man sagen, dass die Aufkommensneutralität lediglich eine Aussage darüber trifft, ob man als Gemeinde mit Inkrafttreten der Reform in etwa genauso viele Einnahmen aus der Grundsteuer anstrebt wie zuvor. Auch bei einer aufkommensneutralen Gestaltung, in Bezug auf die Grundsteuereinnahmen insgesamt, wird es jedoch trotzdem zwangsläufig Verschiebungen im Hinblick auf die zu zahlende Grundsteuer je Steuerpflichtigen geben.
Demnach werden manche Steuerpflichtige, auch bei einer aufkommensneutralen Hebesatzgestaltung, mehr bezahlen müssen als bisher und andere wiederum weniger als bisher. Dieser Umstand wird häufig als sogenannte „Belastungsschiebungen“ beschrieben. Die Belastungsverschiebungen ergeben sich insbesondere zwischen verschiedenen Grundstücksarten.
Belastungsverschiebungen sind eine zwangsläufige Folge der o.g. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die dadurch notwendige Grundsteuerreform musste zwangsläufig zu Belastungsverschiebungen führen. Eine Nachfolgeregelung, welche darauf abgezielt hätte, genau die bisherigen Ergebnisse in der Steuerbelastung eines jeden einzelnen Steuerpflichtigen nachzubilden, wäre absehbar wiederum rechtswidrig gewesen.
Darüber hinaus ist die Höhe der Belastungsverschiebungen im Bereich der Grundsteuer B auch Ausdruck des Bodenwertmodells des Landesgrundsteuergesetzes, bei dem die Gebäudewerte nicht berücksichtigt werden. Da ausschließlich die Bodenwerte maßgeblich sind, führt bspw. eine Bebauung mit einem hochwertigen Neubau zu keiner höheren Grundsteuerbelastung für den Steuerpflichtigen, andererseits führt jedoch auch ein eher einfaches und altes Gebäude für den entsprechenden Steuerpflichtigen auch nicht zu einer geringeren Grundsteuerbelastung.
Vergleich mit Hebesätzen benachbarter Gemeinden
Die Veränderung zwischen bisherigem Hebesatz und dem für das Jahr 2025 aufkommensneutralen Hebesatz ist – je nach Entwicklung der Bodenrichtwerte in den jeweiligen Gemeinden während der letzten Jahrzehnte – selbst zwischen benachbarten Gemeinden unterschiedlich, so dass ein Vergleich der Hebesätze umliegender Gemeinden kaum mehr aussagekräftig ist.
Grundsteuerbescheide 2025
Aufgrund der Grundsteuerreform werden sämtliche Grundsteuerbescheide postalisch an Sie zugestellt. Diese enthalten eine Beilage mit Hinweisen zur Grundsteuerreform. Bitte lesen Sie diese sorgfältig durch.
Bei Fragen dürfen Sie sich an Frau Raiser vom Steueramt unter der Telefonnummer 07033 403-270 oder per E-Mail unter s.raiser@gemeindegrafenau.de wenden.
Ihre Gemeindeverwaltung Grafenau
Landkreis Böblingen
Auf Grund von § 4 der Gemeindeordnung und §§ 2 und 9 des Kommunalabgabengesetzes für Baden-Württemberg in Verbindung mit §§ 1, 50 und 52 des Landesgrundsteuergesetzes für Baden-Württemberg und §§ 1, 4 und 16 des Gewerbesteuergesetzes hat der Gemeinderat der Gemeinde Grafenau am 27.11.2024 mit Wirkung zum 01.01.2025 eine neue Hebesatzsatzung beschlossen.
§ 1 Steuererhebung
(1) Die Gemeinde Grafenau erhebt von dem in ihrem Gebiet liegenden Grundbesitz Grundsteuer nach den Vorschriften des Landesgrundsteuergesetzes für Baden-Württemberg.
(2) Sie erhebt Gewerbesteuer nach den Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes von den stehenden Gewerbebetrieben mit Betriebsstätte in der Gemeinde Grafenau und den Reisegewerbebetrieben mit Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit in der Gemeinde Grafenau.
§ 2 Steuerhebesätze
Die Hebesätze werden festgesetzt
1. für die Grundsteuer
a) für die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) auf 200 v. H.
b) für die Grundstücke (Grundsteuer B) auf 215 v. H.
2. für die Gewerbesteuer auf 390 v. H.
der Steuermessbeträge.
§ 3 Geltungsdauer
Die in § 2 festgelegten Hebesätze gelten erstmals für das Kalenderjahr 2025.
§ 4 Grundsteuerkleinbeträge
Grundsteuerkleinbeträge im Sinne des § 52 Abs. 2 des Landesgrundsteuergesetzes für Baden-Württemberg (LGrStG (BW) werden fällig
a) am 15. August mit ihrem Jahresbetrag, wenn dieser 15,00 Euro nicht übersteigt;
b) am 15. Februar und 15. August zu je einer Hälfte ihres Jahresbetrags, wenn dieser 30,00 Euro nicht übersteigt.
§ 5 Inkrafttreten
Diese Satzung tritt zum 01.01.2025.
Grafenau, den 28.11.2024
gez.
Martin Thüringer
Bürgermeister
Hinweis:
Eine etwaige Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) oder von aufgrund der GemO erlassener Verfahrens- und Formvorschriften beim Zustandekommen dieser Satzung ist nach § 4 Abs. 4 GemO unbeachtlich, wenn sie nicht schriftlich oder elektronisch und unter Bezeichnung des Sachverhalts, der die Verletzung begründen soll, innerhalb eines Jahres seit dieser Bekanntmachung bei der Stadt/Gemeinde geltend gemacht worden ist. Wer die Jahresfrist verstreichen lässt, ohne tätig zu werden, kann eine etwaige Verletzung gleichwohl auch später geltend machen, wenn