Trotz Schulferien, Sommerloch und Olympischen Spielen läuft der Schachbetrieb im Clara-Zetkin-Haus weiterhin. Freitags von 18.30 Uhr bis Open End steht immer ein Schachspieler zur Verfügung, um sich mit jungen oder älteren Gästen ans Brett zu setzen. Leider musste das von unseren jungen Spielern Max Stadtmüller und Bastian Cancedda organisierte zweite Einladungs-Blitzturnier am 12. Juli ausfallen, der Termin war wohl nicht gut gewählt. Die Organisatoren werden einen neuen Anlauf unternehmen.
Vom 30.08. bis 07.09. 2024 findet in Vaihingen Rohr das traditionelle Ü55-Seniorenturnier statt. Vom SC Sillenbuch wird eine Quadriga teilnehmen, bestehend aus Dr. Heinrich Motzer, Martin Strauß, Gert Wrobel und Hans-Ulrich Jäger. Die bisher gemeldeten Teilnehmer zittern schon vor uns. Für die Saison 2024/25 in der Bezirksliga, beginnend am 15.September, wurden die Begegnungen festgelegt. Sillenbuch startet mit einem Heimspiel gegen Schwaikheim und beschließt die Saison bei DJK Stuttgart Süd am 27.April 2025. Die 1. Mannschaft des SC Sillenbuch hat das Glück, weder nach Nagold im Schwarzwald noch zu Murrhardt im Schwäbischen Wald reisen zu müssen. Die Mannschaften bestehen wieder wie vor der Corona-Epidemie aus 8 Spielern, kein Problem für Sillenbuch.
In der Frauenbundesliga hat Schwäb.Hall seinen Vorjahressieg wiederholt, als letztes ihrer Opfer wurde Leipzig mit 5,5 zu 0,5 überrollt. Bei den Sächsinnen spielte Dr. Anita Just, schon ziemlich krank, ihre letzte Saison. Kurz danach starb sie. Die promovierte Ärztin hatte gegen die ca. 400 Elo-Punkte stärkere Deimante Cornette Gewinnchancen, konnte sie aber nicht nutzen. Dr. Just war dreimalige DDR-Meisterin in den 1960iger Jahren und regelmäßige Gewinnerin des Damenpreises bei den Ba-Wü- Seniorenmeisterschaften in Freudenstadt. Wir werden sie ihres freundlichen Wesens wegen, aber auch wegen ihrer Kampfkraft vermissen. Nicht nur zu DDR-Zeiten, auch heute beeindrucken die starken Frauen aus dem Osten. Wer kennt schon den Ort Dippiswalde irgendwo in Brandenburg oder Mecklenburg? Der Verein Seeblick Dipppiswalde ist ein Familienunternehmen der Mutter Peglau und ihrer 6 Töchter, verstärkt durch zwei Gastspielerinnen. Zu aller Überraschung haben die Peglaus den Aufstieg in die Frauenbundesliga geschafft. Immer noch liegt der Frauenanteil organisierter Schachspieler in Deutschland unter 10%. Der Ruf der Deutschen Schachjugend sollte gehört werden: „Mädchen gehören hinters Brett!“
In der Bundesliga der Männer wurde Baden-Baden von Viernheim abgelöst, beide werden sich in der kommenden Saison in Acht nehmen müssen vor Düsseldorf mit Noch-WM Ding Liren aus China und dem Inder Gukesh, seinem Herausforderer. Auch vor St. Pauli mit dem weltbesten Spieler Magnus Carlsen und unserem ehemaligen Schachschüler Aljoscha Feuerstack. Die Deutsche Bundesliga ist die stärkste der Welt, hier wird das meiste Geld in die Vereine gepumpt von mehr oder weniger honorigen Sponsoren. Schon vor bald 2000 Jahren hies es: pecunia non olet (Geld stinkt nicht), als man in der südfranzösischen Provinz Gallia Cisalpina Klohäuschen aufstellen ließ und dafür Geld einstrich. Geld stinkt aber schon, wenn Vereine sich von Wettanbietern sponsern lassen, ihre Trikots mit dem Werbelogo den Besuchern im Stadion vorführen und so der Spielsucht Vorschub leisten. Der Schreiber dieser Zeilen hat in seiner Funktion als Mediator erlebt, wie Familien aufgrund von Spielsucht auseinanderbrechen.
Wir erinnern an herausragende Spieler, aber auch an die Spielorte, vor allem die Kaffeehäuser, in denen nicht nur Schach gespielt wurde, der Spielbetrieb umfasste auch Billard und alle Arten von Kartenspielen. Ihre Hochzeit hatten die Kaffeehäuser und Coffeehouses im 18. und 19. Jahrhundert, manche bis ins 20. Jahrhundert. Das berühmteste Lokal dieser Art war das Café de la Régence in Paris, eines von 600 Kaffeehäusern der Stadt. Die stärksten Spieler waren Philidor mit der einzigartigen Doppelbegabung Schach und Musik, dazu sei Lehrmeister Legal, dessen Seekadettenmatt heute noch gegen schwächere Spieler praktiziert wird. In seiner Oper „Der Seekadett“ wird das Matt mit lebenden Figuren gezeigt, wie der Schwarze unter Aufopferung der weißen Dame in wenigen Zügen matt gesetzt wird. Dort verkehrten Geistesgrößen wie Voltaire, Rousseau und Diderot, Militärs wie Napoleon und seine Offiziere, aber auch schreckliche Gestalten wie Robespierre, der durch seine Anwesenheit Spieler und ,Kiebitze' vom Besuch abhielt, aus Sorge, einen Kopf kürzer gemacht zu werden. In London war der berühmteste Spielort das Salopian’s Coffee House, später abgelöst von Parsloe’s, in dem Philidor von 1775 bis 1792 vier Monate im Jahr als Schachpartner fest angestellt war. Die Nähe von Schach und Musik hat sich immer wieder gezeigt, so hat Bobby Fischer auf seinem Weg zur Weltmeisterschaft den Sowjetrussen Mark Taimanow aus dem Weg geräumt, einen hochkarätigen Großmeister und berühmten Konzertpianisten. In Wien gab es das Café Central als Treffpunkt vieler Spieler der Wiener Schachschule. Stärkster Vertreter war Carl Schlechter, in seinem Match um die Schachkrone 1910 nur hauchdünn an Emmanuel Lasker gescheitert. Schlechter verhungerte buchstäblich, als er sich im schlimmen Hungerjahr 1918 weigerte, die Hilfe ungarischer Schachfreunde anzunehmen. In Berlin war die Dichte an Kaffeehäusern besonders dicht im Bereich Friedrichstr./ Unter den Linden und den angrenzenden Seitenstraßen. Sehr bekannt war das Café Bauer, Hotspot der Kerkau-Palast, in dem allein 1918 drei Turniere gespielt wurden. Das Turnier im November war das bekannteste, Endstand Lasker, Rubinstein, Schlechter und Tarrasch. Der Lasker-Biograph Dr.Hannak vermerkt: „Man merkt den Partien die allgemeine seelische Depression bei Kriegsende an“. In Stuttgart war der Eberhardsbau vor seiner Zerstörung Treffpunkt der Württ. Meisterspieler, später nach Kriegsende das Tabaris gegenüber dem Hauptbahnhof. In Sillenbuch gab es eine zeitlang täglichen Spielbetrieb in der Konditorei Treiber (nicht zu verwechseln mit der Bäckerei-Kette Treiber).
Von Bobby Fischer stammt der Spruch:
Schach auf höchstem Niveau ist so kampferfüllt wie Fußball,
so aufregend wie ein Pistolenduell,
ein ästhetischer Genuss wie ein großes Kunstwerk
und geistig so anspruchsvoll
wie die komplizierteste wissenschaftliche Arbeit.
Hans–Ulrich Jäger (Tel. 0711-478337)