Im Oktober 2024 hat die neue RPK-Einrichtung in Wiesloch ihren Betrieb aufgenommen. Unter der Leitung von Dr. Gustav Wirtz werden hier Menschen mit psychischen Erkrankungen auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben begleitet. Der Fokus liegt auf der beruflichen Rehabilitation – ein Schritt, der vielen nach einer langen Krankengeschichte besonders schwerfällt. Die RPK (Rehabilitation für psychisch Kranke) versteht sich dabei als Schnittstelle zwischen Klinik und Arbeitswelt mit berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen.
In Baden-Württemberg gibt es neun RPK-Einrichtungen, bundesweit sind es ca. 60, die mehr oder weniger karg verteilt sind, so gibt es zum Beispiel in Rheinland-Pfalz nur eine Einrichtung. Grund dieses Mangels? Die Finanzierung. Wie Wirtz in einem Gespräch mit der WieWo ausführt, lasse sich zwar eine solche Einrichtung wirtschaftlich gut führen, jedoch stehe die finanzielle Rentabilität nicht im Vordergrund.
Haupteinzugsbereich der Einrichtung sind Wiesloch und der Rhein-Neckar-Kreis, aber auch Heidelberg sowie der Landkreis Karlsruhe. Schlussendlich, meint Wirtz, sei es wie in anderen Lebensbereichen auch: „Jeder Mensch soll frei entscheiden können, wo er sich am besten aufgehoben fühlt – auch bei der Rehabilitation“, so der Psychiater.
Die RPK Wiesloch richtet sich an Menschen, deren psychische Erkrankung meist schon früh im Leben aufgetreten ist – häufig mit multiplen Diagnosen und mehreren Klinikaufenthalten. Anders als in vielen öffentlichen Debatten über Burnout oder Stressfolgen konzentriert sich die RPK auf tiefergehende Krankheitsbilder. Ziel ist es, diesen Menschen eine tragfähige Perspektive zu eröffnen. Der Begriff „Rehabilitand“ steht dabei für einen Rollenwechsel – weg vom passiven Patienten, hin zur aktiven Mitgestaltung des eigenen Lebens. Zurzeit gibt es etwa elf Rehabilitandinnen und Rehabilitanden. Insgesamt gibt es 30 stationäre und zehn ganztagsambulante Plätze.
Psychisch Erkrankte sollen nach ihrer Behandlung berufliche Zukunftsaussichten erhalten. Um diesen Übergang zu gewährleisten, wird auch der erwähnte Rollen- und Perspektivwechsel – vom Patienten zum Rehabilitanden – vollzogen. Das heißt, ihre Behandlung ist größtenteils abgeschlossen und sie sind bereit, wieder in den beruflichen Alltag zu treten. Um die Rehabilitanden bestmöglich auf das zukünftige Berufsleben vorzubereiten, wendet die RPK eine Mischung aus Ergo- und Bewegungstherapie zusammen mit kognitivem Training an. Der berufliche Alltag wird durch kaufmännische und handwerkliche Übungsräume simuliert, wobei auf eine erleichterte Nutzung für die Rehabilitanden, gemäß ihren jeweiligen Kompetenzen, geachtet wird.
Das kognitive Training der Rehabilitanden ist ein Schwerpunkt der Einrichtung. Wirtz erklärt, dass die Kognition bei den meisten psychischen Erkrankungen beeinträchtigt werden kann und dass diese Defizite trotz der Behandlung und des Rückgangs der eigentlichen Krankheitssymptome in vielen Fällen weiterhin bestehen bleiben. Ziel der RPK ist daher, Fähigkeiten wie das Lernen zu erlernen, Konzentrationsvermögen und die Aufmerksamkeitsspanne zu fördern. Rehabilitanden mit starken Defiziten in der Schulbildung, zum Beispiel in der Mathematik oder Rechtschreibung, werden zurzeit noch am Standort Karlsbad durch ein Weiterbildungsprogramm gefördert – zukünftig soll dies auch in Wiesloch möglich sein. „Das Training von Konzentration, Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit ist für die berufliche Perspektive fast genauso wichtig wie die Reduktion von Symptomen“, weiß Wirtz.
Die RPK will mit ihrem Förderprogramm die individuellen Stärken und Fähigkeiten der Rehabilitanden feststellen, die Krankheit spielt hierbei keine Rolle. Eine berufliche Aus- oder Weiterbildung findet hier allerdings nicht statt, die RPK dient ausschließlich zur Übung und Vorbereitung auf die berufliche Welt.
Eine Mischung aus verschiedenen Ansätzen der Verhaltens- und Tiefenpsychologie sei ausschlaggebend, um den Rehabilitanden bestmöglich helfen zu können, so Wirtz. „Ich finde das auch für die Zusammenarbeit wichtig, dass wir wirklich Wissen aus unterschiedlichsten Perspektiven zusammenbringen“, meint Wirtz. So könne man besser auf die jeweiligen Personen eingehen und gegebenenfalls auch mal die Methodik korrigieren. „Wir haben das Programm so gestaltet, dass von Anfang an klar ist: Hier wird gearbeitet, geübt, strukturiert – aber immer im Tempo der Rehabilitanden.“
Auch das bauliche Umfeld der RPK Wiesloch ist bewusst gewählt und gestaltet worden – als Kontrapunkt zur oft sterilen Atmosphäre klassischer Kliniken. Mittels großzügiger Büroräume, offener Fensterfronten und warmer Farben will die RPK Wiesloch alltägliche Räumlichkeiten, die Freundlichkeit und Lebensqualität ausdrücken, ermöglichen. Auch Ruhe- und Rückzugsbereiche für die Rehabilitanden werden von dem Standort Wiesloch zur Genüge angeboten: Alle Apartments sind schallisoliert und es gibt einen Ruheraum, in denen sich sowohl stationäre als auch tagesambulante Rehabilitanden ausruhen und zurückziehen können. Wichtig für die Bewohner ist auch die klare Abgrenzung zwischen öffentlichen Bereichen, in denen sie externen Personen begegnen können, und den Bereichen nur für Bewohner und Personal (Wohnbereiche/Therapieräume).
Wie Wirtz erzählt, wurden bei der räumlichen Planung des neuen Standorts sowohl die Rehabilitanden als auch die Erfahrung von Mitarbeitenden aus Karlsbad mit einbezogen. Die wichtigsten Wünsche für die Bewohner aus Karlsbad seien barrierefreies WLAN, eine eigene Küche und Gesellschaftsräume gewesen. Also Räume, in denen Zusammenkunft stattfindet, und sozialer Kontakt nach außen. Diese Empfehlungen wurden entsprechend im Standort Wiesloch integriert. Uneingeschränktes WLAN, Zugriff auf Soziale Medien und die Möglichkeit zur eigenen Einrichtung des Apartments sollen dabei helfen, eine nahe Lebensrealität für die Rehabilitanden zu schaffen. „Wenn wir hier eine Welt schaffen, die künstlich ist, entsteht hier eine Art Blackbox. Sobald die Rehabilitanden die Einrichtung verlassen, wissen wir eigentlich nicht mehr, was passiert“, sagt Wirtz. Es gäbe zwar allgemein geltende Hausregeln wie Ruhezeit, Drogen- und Gewaltverbot, an die sich die Bewohner halten müssen, ansonsten ist ihre Freizeitgestaltung ihnen selbst überlassen. Auch die freie Nutzung des Wohnraums und der Umgang mit den eigenen Sachen sage, laut Wirtz, viel über den Menschen aus, ob er strukturiert oder diffus lebt und arbeitet.
Die einladende Atmosphäre der RPK-Räumlichkeiten soll einerseits das soziale Miteinander fördern und andererseits die Lebensqualität erhöhen. Die heutigen psychiatrischen Einrichtungen sind weit weg vom negativen Bild in Film und Fernsehen, wie Wirtz bestätigt. Das zeigt auch die Dachterrasse: Wenn der Sommer dann kommt, ist sie sicherlich ein schöner Ort zum Verweilen. (kw/dj)