Schulmeister, Schultheiß und Alchemist

Löchgaus berühmter Sohn Christoph Fahrner erlangte in der Zeit nach dem 30-Jährigen Krieg Bekanntheit, ja sogar Berühmtheit Von Cosima Kroll Über...
Im Löchgauer Rathaus war Christoph Fahrner als Schultheiß tätig
Im Löchgauer Rathaus war Christoph Fahrner als Schultheiß tätigFoto: Kroll

Löchgaus berühmter Sohn Christoph Fahrner erlangte in der Zeit nach dem 30-Jährigen Krieg Bekanntheit, ja sogar Berühmtheit

Von Cosima Kroll Über den kleinen Flecken hinaus war der 1616 in Sulz am Neckar geborene Christoph Fahrner anerkannt. Während seines Lebens kam er unter anderem mit Herzog Eberhard III., aber auch mit dem renommierten Chemiker Johann Rudolph Glauber, der das heute noch bekannte Glaubersalz entwickelte, in Kontakt.

1642 trat der 26-jährige Fahrner die Stelle des Schulmeisters in Löchgau an. Traditionell nahm er als Lehrer auch gleichzeitig das Amt eines Gerichts- bzw. Dorfschreibers wahr. In dieser Funktion lernte Christoph Fahrner den Herzog kennen, als er ihm eine Supplikation (Bittschrift) der Gemeinde persönlich übergab.

Tragisch war sein Privatleben, denn seine erste Frau, aber auch eine Vielzahl seiner Kinder starben – entweder im Kindbett oder in den frühen Säuglings- und Kinderjahren. Die Ehe mit seiner zweiten Frau endete mit einem Totschlag, als er sie in flagranti beim Ehebruch ertappte. Kurzerhand „entleibte“ er den Liebhaber seiner Frau, wie es im Löchgauer Totenbuch stand. Doch vom Vorwurf des Totschlags wurde er beim Gerichtsprozess vor dem Bietigheimer Gericht freigesprochen. Die Ehefrau verstieß er und heiratete kurz darauf zum dritten Mal. Auch in dieser Ehe verstarben einige Kinder sehr früh. Erst die späteren Kinder überstanden die gefährlichen ersten Monate.

Der Mord am Geliebten seiner damaligen Ehefrau hatte dem Ansehen Christoph Fahrners im Ort nicht geschadet. Vielmehr wurde er 1656 zum Schultheißen ernannt. Bereits seit 1647 übte er das Amt des Speyerer Schaffners, also des Verwalters der speyerischen Güter Löchgaus, aus. Inzwischen war er auch zu einigem Vermögen gekommen, was im Jahr 1662 zu einigem Unmut führte, denn als Schultheiß musste er keine Steuern und Abgaben bezahlen. Die Bürger Löchgaus wollten jedoch in dem vom Krieg hart mitgenommenen Dorf eine gerechtere Verteilung der Lasten durchsetzen, weshalb es auch zum Streit kam. Schließlich gewährte ihm die Regierung einen Steuernachlass von 20 Gulden jährlich. Alles Übrige sollte er jedoch wie jeder andere Bürger auch bezahlen.

Bekannt und berühmt wurde Christoph Fahrner jedoch nicht als Schulmeister oder Schultheiß, sondern als Alchemist. Eine entscheidende Wendung in seinem Leben bedeutete die Begegnung mit dem Chemiker Johann Rudolph Glauber, der noch heute für das von ihm entwickelte milde, körperverträgliche Abführ- und Blutreinigungsmittel Glaubersalz bekannt ist und als einer der Pioniere der Chemie jener Zeit gilt. Fahrner schloss 1651 mit Glauber einen Handel: Glauber sollte ihm gegen eine „Lizenzgebühr“ einige seiner chemischen Präparate und Verfahren zur Nutzung überlassen. Im Gegenzug sollte Fahrner sein halbes Vermögen an Haus, Hof, Gärten und Mobilien (Möbel im Haus) an Glauber überschreiben. Darüber hinaus verpflichtete sich Fahrner zur Zahlung der Hälfte des Verdienstes an den „Secreten“.

Christoph Fahrner hielt sich jedoch nicht an die Vereinbarungen, sondern verkaufte munter die nach dem von Glauber entwickelten Produkte. Darüber hinaus verleumdete Fahrner auch noch den Chemiker, was diesen verbitterte und ihm erheblich schadete. Das Verhalten Fahrners veranlasste Glauber zu ungewöhnlichen Gegenmaßnahmen. 1655 ließ er eine „Apologia oder Verthaidigung gegen Christoff Farners Lügen und Ehrabschneidungen“ drucken. Damit sie auch im Ausland gelesen werden konnte, ließ er das Werk in Latein drucken. Fahrner, der sich dadurch angegriffen fühlte, suchte hierauf Hilfe bei Herzog Eberhard III. und bat ihn um eine Druckgenehmigung für eine Antwortschrift. 1656 erschienen so gleich zwei Schriften Fahrners, in denen er sich rechtfertigte. Fahrner griff in seinen Schriften auch die von Glauber verfasste Schrift „Miraculum mundi“ an, in der Glauber behauptete, ein allgemeines Auflösungs- und Heilmittel für alle Krankheiten entdeckt zu haben. Es kam zu weiteren Schriften Glaubers, in denen er Fahrner des Neids und Hasses bezichtigte. Doch inzwischen hatte der Ruf Glaubers Schaden genommen, sodass er dauerhaft nach Amsterdam übersiedelte. Weitere schriftliche Auseinandersetzungen folgten, doch 1662 erkrankte Glauber schließlich schwer. Zuletzt musste er sein Laboratorium verkaufen und verstarb 1670 in Amsterdam.

Beim schriftlichen Schlagabtausch nahmen die beiden Alchemisten kein Blatt vor den Mund und beschimpften sich aufs Äußerste. Zielgruppe der Schriften war sowohl das gelehrte Publikum, als auch insbesondere das gehobene Bürgertum, das zu den Hauptkunden der beiden zählte. Die Schriften wurden vor allem auf Jahrmärkten von reisenden Buchhändlern angeboten, wovon sich glücklicherweise noch einzelne Exemplare bis heute erhalten haben.

Es sei dahingestellt, ob Fahrners Arzneien aufgrund eigener Experimente und Erkenntnisse oder nur als Nutzer Glauberscher „Secrete“ durchschlagenden Erfolg hatten. Seine Arzneien, insbesondere seine Medizin gegen „Podagra“ – dies war ein Sammelbegriff für rheumatische Leiden oder Gicht – waren überaus gefragt. Auch gegen Gallen- oder Nierensteine hatte er die passenden Medikamente. Christoph Fahrner galt trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Glauberschen Medienkampagne als weit über Württemberg hinaus bekannte Autorität. Die große Anzahl von Lieferaufträgen und Dankesbriefen bestätigt auch die Wirkung seiner Arzneien. Zahlreiche Schriften belegen, dass Fahrners chemisches Wissen auch im Bereich der Erz- und Silbergewinnung gefragt war.

Noch bis zu seinem Tod waren Fahrners Arzneien gefragt, besonders als Truppen durch Löchgau und weitere Orte in der Umgebung zogen, die ein tödliches Fieber mit sich brachten. Über 60 Jahre bis zu seinem Tod 1688 übte er seine Heilkunst aus – nicht nur in Löchgau, sondern im ganzen Land. Herzog Eberhard III. gestattete ihm die freie Praxis in der Medizin und erlaubte, dass seine Kinder diese ebenfalls ausüben dürften. So folgte ihm sein Sohn Johann Jakob ins Amt des Schultheißen und des Speyerischen Schaffners nach und arbeitete als Chirurg.

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