Antisemitismus begegnen im Austausch mit Landesbeauftragtem Dr. Michael Blume
Am Mittwochvormittag, dem 30. April, verlief der Unterricht anders als sonst, denn Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen der Gemeinschaftsschule und der Realschule des Schulverbunds Süßen versammelten sich in der Süßener Kulturhalle, um sich mit einem der drängendsten gesellschaftlichen Themen unserer Zeit auseinanderzusetzen: dem Antisemitismus.
Das Thema wurde schulartübergreifend in den letzten Wochen im Unterricht intensiv behandelt, denn als Gast und Hauptredner konnte Dr. Michael Blume, Antisemitismus-Beauftragter des Landes Baden-Württemberg, gewonnen werden, um mit den Jugendlichen in den Austausch darüber zu kommen. Die Veranstaltung, die zugleich den Abschluss der diesjährigen „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“-Aktivitäten bildete, zog neben zahlreichen Lernenden auch Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinde, Herr Bühler, Frau Kuhn, Frau Wagner und Frau Ludmann an, der Elternschaft mit der Vorsitzenden Frau Spremberg von der GMS sowie Frau Ministerin Nicole Razavi an, die wir stolz unsere Schulpatin des Projektes nennen dürfen.
Statt eines klassischen historischen Abrisses eröffnete Dr. Blume seinen halbstündigen Impulsvortrag überraschend als Türöffner mit einer interaktiven Umfrage zur Mediennutzung unter den Gästen. Schnell wurde klar, warum: „Wer versteht, wie Information ‚verpackt‘ wird, kann auch begreifen, wie Vorurteile entstehen und sich verbreiten“, so Blume eingangs. Über Schrift und Sprache – so seine These – werde das Thema Antisemitismus besonders verständlich. Er wies darauf hin, dass das Judentum als erste Religion eine ausgeprägte Verschriftlichung entwickelte und dass der Begriff „Bildung“ aus der Idee erwächst, der Mensch sei „im Bilde Gottes“ geschaffen. „Bildung ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht“, betonte Blume unter dem Beifall der Anwesenden.
Mit einem Dialog auf Augenhöhe im Anschluss öffnete sich eine lebhafte Fragerunde. Viele der anwesenden Schülerinnen und Schüler nutzten die Expertise des Gastredners und stellten Fragen, beispielsweise zum Berufs-Alltag eines Antisemitismus-Beauftragten und zur Wirksamkeit: Welche erfolgreichen Projekte gegen Antisemitismus gibt es im Land? Auch zur Rolle der Religion, mit der Frage, warum Religion immer wieder instrumentalisiert werde, um Gewalt zu rechtfertigen? Es interessierte auch, wie er als Beauftragter des Landes den Krieg im Gazastreifen heute einordne und warum Antisemitismus heute offener und teilweise sogar gesellschaftlich akzeptiert sei?
Dr. Blume ging auf jeden einzelnen Punkt mit großer Sachkenntnis und Empathie und in einer für die Jugendlichen verständlichen Sprache ein. Besonders eindrücklich war sein Appell, bei der eigenen Einstellung zu beginnen: „Wer Vorurteile bekämpfen will, muss zuerst sich selbst hinterfragen“, so Blume. Seine Mahnung an die Medienkompetenz lautete: „Gewinnen Sie die Kontrolle über Ihr Leben zurück! Seien Sie bei sozialen Medien und den dahinterstehenden Konzernen kritische Nutzer.“ Demokratie lebe von der Mitwirkung und dem Mut jedes Einzelnen.
Die Veranstaltung wurde ebenfalls politisch begleitet durch eine kurze Rahmung zur politischen Verantwortung: Frau Ministerin Nicole Razavi, in ihrer Funktion als Schulpatin des Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, würdigte in einem Grußwort das Engagement der Schulgemeinschaft. Sie betonte: „Die Würde jedes Menschen ist unantastbar – diese Maxime ist für mich tägliche Motivation in der Politik. Wir alle tragen Verantwortung dafür, dass sich Geschichte nicht wiederholt.“ Razavi hob hervor, dass niemand persönlich Schuld an historischen Verbrechen habe, aber jede und jeder von uns Verantwortung trage, damit solches Unrecht nie wieder geschehe.
Die Impulse werden für die Schulgemeinschaft nachhaltig wirken. Einige Schülerinnen und Schüler bedankten sich im Anschluss an die Veranstaltung für den „ehrlichen, authentischen und direkten“ Vortrag, der sie zum Nachdenken angeregt habe und sie seine deutlichen Worte schätzten. Schon während der Veranstaltung bot Dr. Blume dem Schulverbund an, beispielsweise in einem Podcast-Format, weiter im Dialog zu bleiben, denn „‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage‘ sein heißt nicht nur, eine Auszeichnung zu tragen, sondern die Werte Tag für Tag aktiv zu leben und weiterzuleben.
Mit dieser Veranstaltung hat der Schulverbund Süßen einen deutlichen Akzent gesetzt: Bildung und kritisches Hinterfragen sind die zentralen Instrumente im Kampf gegen Antisemitismus und für eine offene, solidarische und demokratische Gesellschaft.
Text / Bilder: Antje Tramacere