Im Jahr 1953 wurde vom Land Baden-Württemberg in der Stadt eine Ausbildungseinrichtung für Rechtspflegemitarbeiter eingerichtet, die als Rechtspflegerschule bekannt ist. Diese Schule hatte das Ziel, sowohl Justizbeamte des mittleren Dienstes als auch Abiturienten auf den Beruf des Rechtspflegers vorzubereiten und ihnen die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln.
Im Jahr 1979 fand eine bedeutende Umstrukturierung statt, als die Rechtspflegerschule gemäß dem Fachhochschulgesetz in eine Fachhochschule überführt wurde. Dies ermöglichte eine akademische Ausrichtung der Ausbildung und eine Vertiefung der fachlichen Kompetenzen. Im Jahr 1994 wurde das Studium erneut reformiert, um den Anforderungen der Hochschulbildung besser gerecht zu werden. Schließlich wurde im Jahr 2016 auch ein dreijähriger Bachelorstudiengang für Gerichtsvollzieher eingeführt, der die Ausbildungsangebote der Institution weiter bereichert und den Studierenden zusätzliche berufliche Perspektiven eröffnet.
Der Studiengang „Rechtspfleger“, der nicht nur in Schwetzingen, sondern auch in Ulm angeboten wird, hat eine Dauer von sechs Semestern. Er richtet sich an angehende Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Bewerben kann sich, wer eine Hochschulzugangsberechtigung - meist Abitur oder Fachhochschulreife - oder eine andere Zusatzqualifikation hat.
Dieser Studiengang wird als duales Studium konzipiert, was bedeutet, dass die Studierenden zwölf Monate lang an der Hochschule an Präsenzveranstaltungen teilnehmen (dies wird als Studium I bezeichnet). Anschließend folgt ein praktisches Studienjahr, das ebenfalls zwölf Monate dauert und in Gerichten sowie Staatsanwaltschaften absolviert wird. Nach dieser praktischen Phase gibt es erneut ein Jahr mit Präsenzunterricht an der Hochschule, das Studium II.
Der Rechtspfleger ist ein eigenständiges Organ innerhalb der Rechtspflege, das eine wichtige Rolle im Justizsystem spielt. In vielerlei Hinsicht ist die Position des Rechtspflegers mit der eines Richters zu vergleichen, da auch der Rechtspfleger in seiner Entscheidungstätigkeit unabhängig ist und einzig an Recht und Gesetz gebunden ist.
Die Ausführung seiner Aufgaben erfolgt ohne jegliche Weisungen von Vorgesetzten und orientiert sich lediglich an den geltenden Gesetzen sowie den einschlägigen Verfahrensordnungen. Zu den verschiedenen Aufgaben des Rechtspflegers zählen unter anderem das Treffen von Entscheidungen in Fragen des Grundbuchs, die Durchführung von Zwangsversteigerungen von Grundstücken, die Abwicklung von Insolvenzverfahren, das Vornehmen von Entscheidungen bezüglich Eintragungen im Handelsregister sowie das Bestellen von Vormündern, Betreuern und Pflegern.
Darüber hinaus gehört die Eröffnung von Testamenten und die Vollstreckung von Strafsachen zu seinem Verantwortungsbereich. Nach einer dreijährigen Probezeit besteht die Möglichkeit, in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen zu werden.
Derzeit sind an der Hochschule für Rechtspflege Schwetzingen (HfR) 340 Studierende immatrikuliert, während die Universität in Ulm etwa 100 Studierende zählt. Das Studium beginnt im September und dauert drei Jahre, sodass es im Regelfall nach drei Jahren im Oktober mit einer mündlichen Prüfung endet. Im Rahmen des Prüfungsjahrgangs 2024 hatten am 14. November in der Stadthalle Hockenheim insgesamt 168 frisch graduierte Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger die Gelegenheit, ihre Diplomurkunde aus den Händen von Marion Gentges, der Ministerin für Justiz und Migration, entgegenzunehmen.
Diese feierliche Übergabe ist ein wichtiger Meilenstein in der akademischen Laufbahn der Absolventinnen und Absolventen und symbolisiert den erfolgreichen Abschluss ihres Studiums, welches intensive sowohl theoretische als auch praktische Kenntnisse vermittelt hat.
Nach der herzlichen Begrüßung der frisch gebackenen Absolventinnen und Absolventen sowie der zahlreichen Ehrengäste in der vollständig gefüllten Stadthalle durch den Rektor der Hochschule für Rechtspflege (HfR) folgte der Festvortrag von Marion Gentges. In ihrem Vortrag mit dem Titel „Nachwuchsgewinnung - Herausforderung und Chancen“ sprach sie über die ausgezeichneten Karrieremöglichkeiten, die den Absolventinnen und Absolventen offenstehen – die Leiter der Justizbehörden würden sich regelrecht um sie reißen. Gleichzeitig betonte sie, dass ein bemerkenswerter Rückgang der Immatrikulationszahlen zu verzeichnen sei.
Nach einer Grußbotschaft des Oberbürgermeisters Matthias Steffan, einer Rede von Noemi Anika-Avallone und Nicole Linder, die für die Absolventen sprachen, sowie einer Ansprache von Sintje Leßner, der Präsidentin des Landesprüfungsamts Baden-Württemberg, die mit interessanten statistischen Informationen zu den Ergebnissen der diesjährigen Prüfungen aufwarten konnte, war der große Moment endlich gekommen: Die strahlenden Absolventinnen und Absolventen erhielten ihre Diplomurkunden.
Die Diplomandinnen und Diplomanden teilten sich nach den Oberlandesgerichten (OL) wie folgt auf: Am Oberlandesgericht Karlsruhe waren es insgesamt 42 Teilnehmer, während das Oberlandesgericht Stuttgart mit 75 Teilnehmern die größte Gruppe stellte. Innerhalb dieser Gruppe befanden sich 37 Teilnehmer, die am Außenkurs in Schwetzingen und 38 Teilnehmer, die am Außenkurs in Ulm teilnahmen. Ferner hatten wir 28 Teilnehmer am Oberlandesgericht Koblenz, sowie jeweils 11 Teilnehmer am Oberlandesgericht Zweibrücken und am Oberlandesgericht Saarland. Zusätzlich gab es einen externen Prüfungsteilnehmer.
Die besonders leistungsstarken Absolventen des Jahres wurden ebenfalls geehrt und erhielten besondere Auszeichnungen für ihre hervorragenden Leistungen. Als Jahrgangsbeste der Rechtspflegerprüfung 2024 wurden Anika-Avallone, Noemi Jahli (OL Karlsruhe), Linder, Nicole (OL Stuttgart), Martin, Franziska Maria (OL Stuttgart) und Nußbaumer, Kira Alleen (OL Stuttgart) geehrt. (gk)