„Führt es wirklich zum Niedergang einer Stadt, wenn sie die Residenz verliert?“ - Antworten auf diese Frage gibt Sebastian Mönnich beim „Freundeskreis Pfinzgaumuseum – Historischer Verein Durlach e. V.“ im Rathaus Durlach. „Bittere Wittwen- und Waysen-Thränen – Der Durlacher Residenzverlust im Vergleich des 18. Jahrhunderts“ heißt das Thema, unter dem er seine Überlegungen vorstellt.
Die gehen zurück auf die Dissertation „Vom Fürsten verlassen. Folgen des Residenzverlusts in Klein- und Mittelstädten des 18. Jahrhunderts am Beispiel von Barby, Durlach und Wolfenbüttel“. Die hat der Historiker am Institut für Geschichtswissenschaft der TU Braunschweig vorgelegt.
Der Titel des Vortrags wiederum beruht auf einem Gedicht, das der Durlacher Rat zum Tod des Markgrafen 1738 veröffentlichte. Nun müsse sich Durlach „Wayß‘ und Wittwe“ nennen lassen, steht dort.
„Der Hauptschuldige am Niedergang ist jedoch der Umstand, dass die Geschichtswissenschaft einen Residenzverlust als einen Niedergang beurteilt“, sagt Sebastian Mönnich. „Es muss nämlich nicht zwangsweise eine strukturschwache Nachresidenz-Zeit folgen.“
Im 18. Jahrhundert habe es im Alten Reich 60 Großstädte mit mehr als 10.000 Einwohnern, 400 Mittelstädte mit 4.000 bis 10.000 und 3.000 Kleinstädte mit bis zu 4.000 Einwohnern gegeben. Die 350 Hofhaltungen könnten also mehrheitlich nicht in Großstädten gewesen sein. Diese jedoch seien am besten erforscht.
Durlach war, wie Sebastien Mönnich berichtet, mit Unterbrechungen von 1565 bis 1715 über 150 Jahre Residenzstadt mit einem „hausväterlichen Musenhof“. Geld wurde für den Wiederaufbau und ein bescheidenes Kulturprogramm ausgegeben. Es bestand eine gewisse Bindung zwischen Hof, Stadtgesellschaft und Militär. 1710 hatte Durlach 3.000 Einwohner und war vom Weinbau geprägt. Verwaltet wurden mit elf fürstlichen Ämtern 1.595 Quadratkilometer Territorium. Die höfischen Kreise siedelten vor allem entlang der Hauptstraße und ihren Abzweigungen. Als 1718 Durlach vom Markgrafen aufgegeben wurde, wanderten kurzfristig hofnahe Kreise ab und es standen Gebäude leer. Die Bevölkerung ging mittelfristig, auch wegen Epidemien und Kriegen, zurück.
„Langfristig wird der Zentralitätsverlust von der Forschung überbetont“, sagt Sebastian Mönnich. „In Durlach gab es weiterhin Lateinschulen, Marktplätze und Amtsverwaltungen. Es blieb bis 1777 der Sitz der Markgräfin.“ In einzelnen höfischen Versorgungsgebäuden sei in Durlach eine Fayencen-Manufaktur eingerichtet worden. „Durlach hat sich zur ‚landwirtschaftlichen Manufakturstadt‘ entwickelt“, so Sebastian Mönnich. „Die Ackerfläche im Umland wurde erweitert, bis zum frühen 19. Jahrhundert etablierten sich 15 Manufakturen. Durch die Nähe zur neuen Residenzstadt fanden die Durlacher Landwirtschaft und das Stadtgewerbe in Karlsruhe einen festen Abnehmerkreis.“ Durlach sei also in Bezug auf Zulieferung die „Mutter Karlsruhes“ gewesen.
Ist Durlach nun also niedergegangen, als Markgraf Karl Wilhelm 1715 seine Fächerstadt gründete? Nein, so Sebastian Mönnich, es hat sich gewandelt. Die infrastrukturellen und institutionellen städtischen Strukturen hätten über die Residenzzeit hinaus gewirkt. Kleinere Städte hätten weniger Folgen in Bezug auf Bevölkerungsrückgang und wirtschaftlicher Rezension gespürt als größere. Die ehemals höfische Infrastruktur sei anders genutzt worden, was sich auf die Lebensumstände der Menschen ausgewirkt habe. „Das konnte überregionale Wirkung entfalten“, sagt Sebastian Mönnich. (rist)