Würdigung und Ehrung von Hans-Georg Latt

Seit 25 Jahren ist Johannes Kepler im Städtle unterwegs

Seit 25 Jahren ist Hans-Georg Latt als Johannes Kepler in Weil der Stadt unterwegs.
Ehrung von Hans-Georg Latt (Mitte): Bürgermeister Christian Walter und Katrin Fischer vom Heimatverein
Ehrung von Hans-Georg Latt (Mitte): Bürgermeister Christian Walter und Katrin Fischer vom HeimatvereinFoto: Stadt Weil der Stadt

Seit 25 Jahren ist Hans-Georg Latt als Johannes Kepler in Weil der Stadt unterwegs. Er schlüpft in sein historisches Kostüm und nimmt viele Menschen mit auf eine schöne Tour durch die Heimatstadt des großen Astronomen. Kürzlich wurde er von der Stadtverwaltung und dem Heimatverein Weil der Stadt für seinen langjährigen Einsatz geehrt. Wir haben mit Hans-Georg Latt über sein Engagement gesprochen.

Herr Latt, wie ist diese tolle Idee entstanden?

Latt: Am 11. August 1999 gab es eine totale Sonnenfinsternis über Mitteleuropa. Ein solches kosmisches Ereignis konnte sich – durfte sich – die Keplerstadt natürlich nicht entgehen lassen. Die Keplergesellschaft und der Heimatverein sowie eine wissenschaftliche Zeitschrift taten sich zusammen und berieten, was zu tun sei, was machbar war – und in welcher Form dieses himmliche Schauspiel sich gestalten ließe. Wer mich zur Hauptperson erkor, weiß ich nicht – obwohl ... (überlegt). Auf jeden Fall beschäftigte ich mich wochenlang mit der Person Keplers, verfasste zwei Sketche. Mich hatte man an der Spitalkapelle auf ein Pferd steigen lassen und bis zum Marktplatz geführt. So hatte ich Gelegenheit – sozusagen ungefährdet – die 8.000 Besucher huldvoll vom hohen Ross herab bei meiner Rückkehr in meine Geburtsstadt zu begrüßen. Bekanntlich fiel in Weil der Stadt das Geschehen über uns ins Wasser und war nicht zu beobachten.

Wie sind Sie vorgegangen in Sachen Kostümplanung?

Latt: Dem glücklichen Umstand, dass das Ehepaar Stütz an der Staatsoper in Stuttgart arbeitete und in Weil der Stadt wohnte, war es zu verdanken, dass ich ohne Schwierigkeiten zu einem Kostüm kam. Mein Beitrag bestand darin, termingerecht zur Anprobe zu erscheinen. Der Mann vom Fach murmelte „... spanischen Habsburger ... 16./17. Jahrhundert ...“. Alles passte auf Anhieb. Die Stiefel hatte wohl ein Tänzer aus der John-Cranko-Zeit getragen, der im Jahr 2024 als Choreograf seine Karriere in Hamburg beendete. Kostüm und Stiefel waren gebraucht. Meine Versuche, das Kostüm zurückzugeben, beendete Herr Stütz mit den Worten: „Ach, nun behalten Sie mal das Gewand“. Sie sehen, dass es keinen Plan gegeben hat: Ich bin durch Zufall zu dem Kostüm, in den Besitz des Kostüms gekommen und somit in die Rolle eines Kepler-Kostüm-Gästeführers hineingewachsen.

Was machen Sie alles in ihrer Rolle als Johannes Kepler und wie haben Sie die beliebte Kepler-Führung konzipiert?

Latt: „Meinen Dienst und Gruß zuvor, meine sehr verehrten Damen und Herren!“ Mit diesen Worten begrüße ich meine Gäste. Zur Veranschaulichung: Eine Führung mit den Landfrauen von Z. unterscheidet sich wesentlich von einer Führung, an der der Lehrstuhl für Astro-Physik teilnimmt. Die Frauen interessieren sich vorrangig für Keplers Lebensumstände. Den Herren von der Uni Tübingen brauchte ich die Keplerschen Gesetze nicht zu erklären. Flexibilität zeichnet gute Gästeführer aus. Ich sage keinen Text auf! Wie eine Führung gestaltet wird, hängt von den (interessierten) Menschen ab, die ich vor mir habe, auf die ich eingehen muss (ist ein Grundwissen vorhanden?) und denen ich gerecht werden sollte. Dass das Kepler-Denkmal ein idealer und anschaulicher Stichwortgeber ist, versteht sich. In der Spitalkapelle gelingt es mir meist, mit einer Besuchergruppe in einen Dialog einzutreten, in dem offene Fragen beantwortet werden, geklärt werden.

Jede Führung ist ein Unikat. Meine Hochachtung vor Keplers Leben und vor seiner wissenschaftlichen Leistung (nach Kepler hat die NASA die „Kepler-Mission“ benannt) haben mich immer davon abgehalten, die Persönlichkeit des großen Astronomen irgendeinem Klamauk auszusetzen. Wer sich mit Kepler gründlich befasst, wird mir rechtgeben. Er ist auch heute noch ein Vorbild für (junge) Menschen. In Europa tragen mehr als 20 Gymnasien seinen Namen. Ich habe 35 Jahre lang am Johannes Kepler Gymnasium in Leonberg unterrichtet, am Progymnasium Johannes Kepler in Weil der Stadt habe ich meine ersten Pennälerjahre verbracht und meine Kinder machten auf dem Galgenberg Abitur.

Erinnern Sie sich an ihre erste Führung?

Latt: Im Rahmen eines Symposions in München nahm der damalige Chef der NASA, Mr. Koch, eine Einladung in die Keplerstadt mit Freuden an und war bereit, hier einen Vortrag zu halten. Wolfgang Schütz führte den Gast (und seine Begleiter) in englischer Sprache ein und bei den Worten „May I proudly present Mister Johannes Kepler“ erschien ich im Keplerkostüm. Das hat die Amis umgeschmissen, sie waren sichtlich berührt.

Erscheinung
exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUM, Wochenblatt der Stadt Weil der Stadt
23.08.2024
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