„Gens una sumus“ (wir sind eine Familie), so lautet das Logo der FIDE, des Weltschachverbandes. Das gilt auch für die 32 Teilnehmer des alljährlich in der letzten Woche der Sommerferien stattfindenden Seniorenturniers der SG Vaihingen/Rohr. Es ist quasi ein Familientreffen der Schachspieler, die sich seit vielen Jahrzehnten auf ihrem Kampfplatz, dem Schachbrett, beharkt haben. Mit dabei seit etlichen Jahren das Ehepaar Wraga aus Osnabrück, mit dabei auch der nicht nur körperlich gewichtige „BMW“ (Bernd Michael Werner), der die tägliche Zugfahrt von München nach Stuttgart auf sich genommen hat. Die meisten Spieler aber kamen aus der Region, von Böblingen bis Kirchheim/Teck. Das Turnier wurde von Martin Scholl aus Esslingen gewonnen, vor Brettschneider aus Leinfelden. Die Sillenbucher Quadriga war auf ein Trio geschrumpft, das sich allerdings kampfstark zeigte und auf den 7. Platz (Dr. Motzer), dem 11. (Strauß) und dem 17. (Jäger) über die Ziellinie kam. Vor allem Dr. Heinrich Motzer und Martin Strauß spielten ein gutes Turnier und können sich über einen Zuwachs an Elo-Wertungspunkten freuen. Für Hans-Ulrich Jäger lief die 1. Hälfte des Turniers schlecht, er konnte sich aber fangen und erreichte sein 50 %-iges Minimalziel von 4,5 Punkten aus 9 Partien. Dr. Motzer, der Sillenbucher Mannschaftskapitän der Bezirksligatruppe, erzielte gute 5,5 Punkte, Strauß deren 5. Der Altersunterschied der Spieler war gewaltig, da das Turnier Ü50 ausgeschrieben war, reichte er von ca. 90 Jahren bis hinunter zu den jungen Hüpfern von knapp über 50. Die Namensvettern Hans-Ulrich Höschele und Hans-Ulrich Jäger heimsten die Nestorenpreise ein. Der frühere Württ.Meister Höschele kam auf 5 Punkte, einen halben Punkt vor Jäger. Manfred Lube hat das Seniorenturnier wieder einmal hervorragend geleitet, er wird altershalber die Leitung in andere Hände übergeben.
Totgesagte leben länger. Was den Tod unserer Schachfreundin Dr. Anita Just angeht, sind wir einer Falschmeldung aufgesessen. Die neue Deutsche Meisterin Tetjana Kostak hat bestätigt, dass bei der Deutschen Meisterschaft in Ruit Dr. Just in alter Frische, d. h. hoch in den 80ern, das Turnier gespielt hat.
Grigory Bogdanovic hat eine Biographie über den letzten Ritter des Königgambits geschrieben. Die ehemaligen Weltmeister Dr. Lasker und Capablanca hatten dem Schach den Remistod vorher gesagt, da immer nur Spanisch und Damengambit gespielt wurde und dies in engen dogmatischen Varianten. Unter dem Vorbild des Österreichers Rudolf Spielmann, geboren vor 140 Jahren, wuchs eine neue Generation heran, allen voran Michail Tal, der Zauberer aus Riga. Heute spielt man wieder Königsgambit, Schottisch, Wiener Partie und Ähnliches. Auch versucht man mit verschiedenen Formaten das Schach schneller und damit zuschauerfreundlicher zu machen. Bei offenen oder Einladungsturnieren wird die Bedenkzeit verkürzt bis zu beinahe unglaublichen 1-Minuten-Partien, dem Bullet-Schach. Rudolf Spielmann sah sich gezwungen, nach dem Anschluss Österreichs an Großdeutschland zu emigrieren, zuerst in die Tschechoslowakei, dann nach Schweden, wo er 1942 den Freitod suchte. Damit teilte er sein Schicksal mit anderen Intellektuellen wie Kurt Tucholsky. Sein Buch „ Erfolgreich Opfern“ mit 38 selbstkommentierten Partien sollte in keiner privaten Schachbibliothek fehlen. Die sogenannten Romantiker des Schachs waren nicht auf der Suche nach der blauen Blume der Romantik, sie gingen vielmehr mit herunter gelassenem Visier aufeinander los wie die alten Ritter und fürchteten weder Tod noch Teufel.
Von dem als Groß-Dick- und Breitmeister apostrophierten Georg Marco stammt der Spruch, der sehr gut auf den Romantiker Spielmann passt: „Gewinnen beim Schach heißt, den Mut zu haben, sich Gefahren auszusetzen“.
Hans-Ulrich Jäger