Die Idee kommt eigentlich aus unserem Nachbarland Frankreich. Dort strömen traditionell am 21. Juni, dem Tag der Sonnenwende, die Menschen auf die Straße, um mit Musik und Tanz gemeinsam den Start in den Sommer sowie das Leben zu feiern. Der im Jahre 2014 gegründete Verein „Flurkultur – Initiative für nachhaltige Entwicklung“ aus Weingarten hat die schöne Tradition aufgegriffen und im Vorjahr erstmals eine solche Veranstaltung auf die Beine gestellt – mit durchschlagendem Erfolg, wie die Vereinsspitze um das Vorstandstrio Wanda Wieczorek, Caro Barber und Timo Meisel anmerkte.
Am vergangenen Samstag startete die Zweitauflage und der Kirchplatz mit seinen zwei Musikbühnen verwandelte sich in ein rauschendes Fest der Lebensfreude, zumal auch das Wetter mitspielte, das Menschen ins Freie und insbesondere Kinder an das lebendige, erfrischende Wasser am nahen Walzbach lockte. „Dieses Event ist ein Fest von allen für alle, kostet keinen Eintritt und die Bühnenkünstler treten allesamt ohne Gage auf“, hatten Stephan Sperling und Markus Klee vom Organisationsteam im Vorfeld betont. Die Besucher, die aus allen Ecken der Region in den Weinort gekommen waren, machten es sich auf Campingstühlen oder Decken bequem und genossen ihr mitgebrachtes Picknick. Die Unkosten wurden über den Getränkeverkauf gedeckt. Nicht weniger als sieben Bands oder kleinere Ensembles sorgten am kalendarischen Sommeranfang für musikalische Vollbedienung und neben der vierköpfigen Gruppe „Gojo“, die mit Klezmer-Musik aufwartete und nicht nur für das Stück „Bei mir bist du schön“ Beifall erhielt, war auch eine Gypsy-Swing-Formation mit dem lustigen Namen „Hot Club de Baugebiet“ am Start. Dass sie an diesem sonnenverwöhnten Tag ausgerechnet den Song „Wintergarten“ im Repertoire hatte, sorgte für allgemeine Erheiterung. Ebenso, als sich ein Paar auf die „Tanzfläche“ wagte und einen flotten Schieber hinlegte. Chapeau!
Ein eigens für die Fête zusammengestelltes, vielköpfiges A Capella-Ensemble aus Weingarten zeigte auf, dass Musik keine Sprachbarriere kennt und die internationalen Stücke „Dindirindin“, „Mon Amant de Saint-Jean“, „Seidaamdei“ und „Kirialesa“ stießen auf offene Ohren. Beim finalen Song „Freedom Is Coming“ nahm die Gruppe ein Bad in der Menge und die Gästeschar sang begeistert mit. Bunte Vielfalt und überall fröhliche Gesichter. Mit der vierköpfigen Band „Bloshka“ („Kleiner Floh“), dessen Mitglieder aus der Ukraine, Russland, England und Deutschland kommen, hatte das Fest durch besondere Indie-Rock-Klänge einen von vielen Höhepunkten zu bieten. „Angeloop“ nennt sich Martin Angelo aus Weingarten, der mit seinem Bruder Lorenz Spöhrer an der Loop-Station unter anderem Ed Sheeran’s Hit „Shape Of You“ zu Gehör brachte. Klasse! Das Trio „Advanced Ambient Monster“ bestach am Abend, als es etwas abkühlte und die Menschen die Bachbühne endgültig für sich einnahmen, mit einer Mischung aus Experimental-Rock und Dark-Electro eine absolute Uraufführung ihrer Kunst. „Das wird es in der Form nie wieder geben“, hieß es.
Zu guter Letzt kam eine sechsköpfige Alternative-Rock-Band auf die Bühne, die sich wohl auf keinen Namen einigen konnte, mit viel Understatement einfach „Wir proben nur!“ nannte und das Walzbachufer zum Übungsraum umfunktionierte. Hat geklappt! Nein, den Song „In The Heat Of The Night“ haben sie nicht gespielt, doch jede Menge Hits und Klassiker zum Mitsingen und Mitwippen. Gut war, dass durch zwei Bühnen-Pavillons an der Kirchtreppe keine Umbaupause notwendig war und die Gäste vom Nachmittag bis in die Abendstunden einen unvergesslichen „Tag der Gemeinschaft“ mit viel Musik, Gesang, Tanz und Spaß erleben durften. „Einen schöneren Platz als diesen, gibt es in ganz Weingarten nicht“, meinte eine begeisterte Besuchergruppe aus dem Ort und alle Umstehenden nickten zustimmend. Werner und Silke, die aus Untergrombach mit dem Fahrrad in die Nachbargemeinde gekommen waren: „Das fühlt sich heute an wie ein Urlaubstag.“
Das Schönste: Alle hatten recht! Ein Fest für alle Sinne mit musikalischer Vollbedienung für jeden Geschmack hatte am längsten Tag des Jahres sein Ende gefunden. Zum guten Schluss zogen die Veranstalter um Cheforganisator Stephan Sperling ein überaus positives Fazit: „Es hat alles gepasst. Wir sind super zufrieden!“ Keine Frage – auch im nächsten Jahr wird es an gleicher Stelle wieder eine „Fête de la Musique“ geben. Das ist so sicher wie das gesprochene Amen in den beiden nahen Kirchen.
Auf der Seite www.flurkultur.org heißt es: flurkultur ist eine Initiative zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Weingarten und der Region. Wir setzen uns dafür ein, dass wir als Konsumenten wieder mehr Entscheidungskraft über die Art des Anbaus, des Transports, der Entlohnung und letztlich über alle Faktoren, die in der Nahrungsproduktion eine Rolle spielen, erlangen. Diese Entscheidungsmöglichkeiten wollen wir zugunsten einer ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltigen Nahrungsproduktion nutzen, mit der nicht nur die Gesundheit der Böden und der Konsumenten erhalten bleibt, sondern auch die kleinteilige Wirtschaftskraft der Region gestärkt wird.
Die Initiative entstand mit dem Aufbau der „Solidarischen Landwirtschaft Gutes Gemüse“ im Jahr 2014 und dem Motto: „Wir wollen Gemüse essen, das gut schmeckt und gesund ist, kurze Transportwege hat und die Wirtschaft vor Ort stärkt“. Dieser Idee folgten viele Interessierte und noch mehr Taten, sodass die „Solawi“ mittlerweile ein eigenständiger Verein ist, der rund 80 Familien ganzjährig mit besten Feldfrüchten versorgt. Siehe auch www.gutesgemuese.de. Kreative Ideen, Professionalität in der Umsetzung und der Glaube an ein großes Ziel machen die Initiative aus, heißt es. Wer sich für nachhaltige Entwicklung in Weingarten engagieren möchte, kann sich auf den angegebenen Seiten informieren, wobei eine Mitgliedschaft nicht zwingend erforderlich ist. Man könne zu einem offenen Treffen, der „Ideenküche“, kommen und sich einbringen. (hjo)