Mit „Wider das Vergessen“ lud die Spätlese e. V. zu einer Veranstaltungsreihe ein, die die Gäste mit auf eine ganz besondere Zeitreise nahm. Den Beginn machte der Gottesdienst am Sonntag, 20. Oktober, mit einer sehenswerten Vernissage zu diesem Thema, während die Veranstaltungen an den zwei darauffolgenden Tagen zwei starken Frauen aus Baiertal ehrten. Mit Pauline Maier und Elisabeth Schroth gedachte und erinnerte man zwei Frauen, die sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg beispiellos um Opfer und Überlebende kümmerten.
Mit einem Rundgang startete die erste Veranstaltung am Montag, 21. Oktober, geplant und moderiert von Karl-Heinz Markmann. Orientierte sich der Weg am einstigen jüdischen Leben in Baiertal, ging es vorbei an Stolpersteinen und Ecken, in denen sich damals ein besonderes Leben abgespielt hatte. Elisabeth Schroth lebte lange Zeit in Israel und versuchte zeit ihres Lebens an den menschlichen Banden zu weben, die durch den Krieg zerstört worden waren. Der Rundgang endete im Anwesen des Bruders Fritz Schroth. Die TeilnehmerInnen erwartete ein wunderschöner und liebevoll geschmückter Hof. Hunderte von Kerzen, die Menora (auch bekannt als siebenarmiger Leuchter) sowie jüdisches Gebäck und Brot verzauberten diesen Abend und erzeugten eine festliche und besinnliche Stimmung. Mit dem Schofarhorn, einem Widderhorn mit Ursprung in der jüdischen Religion, wurde der Festakt eröffnet. In Anwesenheit von Dr. Helmut und Grete Bergdolt (Stifter der Pauline-Maier-Büste vor dem Bürgerhaus Baiertal), Bürgermeister Ludwig Sauer, Ortsvorsteher Michael Glaser sowie dem Baiertaler Künstler Pit Elsasser, der beide Gedenktafeln entworfen hat, endete der offizielle Teil mit der Enthüllung der Gedenktafel von Elisabeth Schroth durch ihren Bruder Fritz Schroth. Künftig wird dieser Hof für sogenannte Hofgespräche genutzt werden können, die die Spätlese e. V. zusammen mit Fritz Schroth organisieren wird.
Der Dienstag stand dann neben Elisabeth Schroth ganz im Zeichen der zweiten starken Frau aus Baiertal, Pauline Maier. Als Schwester Oberin im jüdischen Krankenhaus Mannheim ging sie mit den ersten Deportationen nach Gurs, ein KZ in Frankreich. Danach machte sie sich gegen den Befehl des damaligen Kommandanten mit den Gefangenen und Kranken freiwillig auf den Weg nach Auschwitz, wo sie 1942 ermordet wurde. Mit alten Bildern und überlieferten Berichten wurde fast schon lebendig, was zu der Zeit damals in Baiertal geschah. Bereits im Treppenhaus des Bürgerhauses konnte man sich mit vielen alten Bildern von Baiertal, die dank Dieter Hitzelberger ausgestellt werden konnten, auf den Abend einstimmen. Bürgermeister Sauer, Ortsvorsteher Glaser und Vertreter beider Kirchen wohnten einer Veranstaltung bei, die nicht nur laut dem 1. Vorstand der Spätlese e. V. Stefan Weisbarth „interessant, spannend, aber viel mehr noch berührend und ergreifend“ war. Als Fazit der Veranstaltungen zog er: „Es ist eines, eine Dokumentation zu diesem Thema zu sehen. Aber es ist etwas ganz anderes, an diesen Abenden in die Geschichte einzutauchen und fast schon zu erleben“.
Danach gelangte diese Veranstaltung zu ihrem Höhepunkt: die Enthüllung der Gedenktafel für Pauline Maier durch Ortsvorsteher Michael Glaser und Stefan Weisbarth.
Beide Gedenktafeln wurden von Spätlese e. V. – gemeinsam für Baiertal gestiftet. Sie stehen bzw. hängen am Haus in der Alten Bahnhofstr. 54 sowie am Parkplatz vor dem Bürgerhaus. Einen Moment innehalten lohnt sich auf jeden Fall. Den passenden und würdigen Schlusspunkt des Abends und damit der Veranstaltungen setzten die Damen vom Frauenchor Bellacanta des MGV Frohsinn Baiertal. Unter der Leitung des Dirigenten Tobias Freidhof entließ der Chor nach zwei gefühlsbetonten Stücken die Gäste in den Abend. Die Spätlese e. V. gemeinsam für Baiertal bedankt sich bei allen Gästen sowie den VertreterInnen der Kirchen, Bürgermeister Ludwig Sauer und Ortsvorsteher Michael Glaser. Besonderer Dank geht an Pfarrer Matthias Flender für einen beeindruckenden Gottesdienst, an Fritz Schroth für die Unterstützung sowie an Karl-Heinz Markmann für die sehr intensive und ausführliche Vorbereitung aller Veranstaltungen. (steff)