Spiegel der Geschichte

„Die Weiße Frau vom Turmberg“ ist den Straßennamen auf der Spur Von Susanne Hilz-Wagner Von meinem Hohen Turm auf dem Turmberg blicke ich...
Hier ist das Straßenschild der Werrabronner Straße in Grötzingen zu sehen.
Hier ist das Straßenschild der Werrabronner Straße in Grötzingen zu sehen.Foto: sh

„Die Weiße Frau vom Turmberg“ ist den Straßennamen auf der Spur

Von Susanne Hilz-Wagner

Von meinem Hohen Turm auf dem Turmberg blicke ich immer wieder auf das sehr geschichtsträchtige Malerdorf Grötzingen. Dabei studiere ich immer wieder die Straßennamen und erinnere mich dabei an viele Begebenheiten und Hintergründe, die mit diesen Namen verbunden sind. Von diesen berichte ich euch heute.

„Werrabronner Straße“ und „Werrenstraße“

Laut dem offiziellen Straßennamensverzeichnis des städtischen Vermessungs- und Liegenschaftsamtes bekam die „Werrabronner Straße“ im Jahre 1966 ihren Namen. Namensgeber soll dabei das im Volksmund so genannte „Werrenhäusle“ gewesen sein. Dabei soll es sich um die im Jahre 1780 abgebrochene Zollstation gehandelt haben, die an der heute noch existierenden Bundesstraße 3 stand, die von Durlach, über Grötzingen, nach Weingarten führt. Gleichzeitig markierte das „Werrenhäuschen“ auch die Landesgrenze zwischen Baden und der Pfalz. In der nahen Werrenstraße soll sich der Schlagbaum („Werren“) an der Landesgrenze tatsächlich befunden haben. Nach einem Bericht aus dem Jahre 1683 waren oberhalb des „Werrenhäusles“ auch die Scheidepunkte der Durlacher, Grötzinger und Weingartener Markungen.

Schultheiß-Kiefer-Straße

Die Schultheiß-Kiefer-Straße erhielt im Jahre 1974 laut städtischem Straßennamensverzeichnis ihren Namen. Zuvor hieß sie „Mittelstraße“. Von 1653 bis 1672 war Erhard Kiefer Schultheiß von Grötzingen. In seine Amtszeit fiel die Wiederaufbauphase nach dem Dreißigjährigen Krieg; damals wurden 1662 das Pfarrhaus, 1668 das zerstörte Fachwerkobergeschoss des Rathauses und 1672 die Pfinzmühle wieder errichtet. Die Aufgaben des Schultheiß' umfassten im Prinzip ähnliche wie die des späteren Bürgermeisters, der aber in späteren Zeiten vom Bürgertum, meist aus den Reihen der Zünfte, gewählt wurde. Die Bezeichnung „Schultheiß“ gibt Aufschluss darüber, dass er noch direkt vom jeweiligen Herrscher eingesetzt und ausgewählt wurde, also ohne Volksbeteiligung.

Roßwagstraße

Die „Roßwagstraße“ erhielt laut städtischem Straßennamensverzeichnis im Jahre 1982 ihren Namen. Nach dieser Beschreibung soll es sich bei dem Namen „Roßwag“ um ein Grafengeschlecht gehandelt haben, das Lehensträger des Klosters Weißenburg war. Im 13. und 14. Jahrhundert soll dieses Geschlecht demnach kleinere Besitzungen in Grötzingen und Durlach als Lehen des Klosters erhalten haben. Seit dem 17. Jahrhundert tauchte der Name in verschiedenen Schreib-Varianten auch als bürgerlicher Familienname in Grötzingen, im Pfinztal und im näheren Umland auf. Auch in meinem eigenen Ahnenstammbaum ist der Name enthalten. Insofern habe ich auch persönlichen Bezug zu „Rosswag“. Diese Erkenntnis habe ich meinem Groß-Cousin Herbert Hilz (er war Cousin meines Vaters) zu verdanken, der nicht nur Ahnenforschung für unsere Familie betrieben hat, sondern auch für die Publikationsreihe „Grötzinger Heimatbrief“ geschrieben und seine geschichtlichen Forschungen dort veröffentlicht hat. In der 34. Ausgabe des Jahres 1995 veröffentlichte er auf Seite 44 darin zwei Beiträge über „Die Herren von Rosswag“ und über „Beurkundungen der Herren von Rosswag“. Er hat mir aber auch viel über dieses Geschlecht persönlich mitgeteilt, das ich jetzt versuche, nachfolgend kurz zusammenzufassen: Dieses Adelsgeschlecht der Herren von Rosswag waren gleichzeitig um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Herren der Burg Grötzingen auf dem heutigen Turmberg, dem ehemaligen Sitz der Grötzinger Pfinzgaugrafen. Ihr eigentlicher Stammsitz war die Burg Alt-Rosswag im gleichnamigen Dorf an der Enz in der Nähe von Vaihingen. Nach Herbert Hilz besaß dieses starke Rittergeschlecht noch weitere Burgen; so nannten sich einige unter ihnen u. a. nicht nur Herren von Grötzingen, sondern auch Herren von Schmalenstein, Herren von Bönnigheim oder Herren von Aurich. Hier im Pfinztal, aber auch im Enzgau verfügten sie sowohl über eigenen Besitz, als auch über Lehen wie z. B. vom Kloster Weißenburg oder von den badischen Markgrafen und hatten auch selbst eigene Lehensleute. Der bekannte Autor, Heimatforscher und Gymnasiallehrer des Gymnasiums Illustre in Durlach, Karl Gustav Fecht, schrieb ebenfalls in seinem Werk „Geschichte der Stadt Durlach“ über diese Herren u. a.: „Die Gretzinger Rosswag“ hießen „viri liberi et nobiles“, führten das Calwer Ebersteiner Wappen, eine Rose im silbernen Feld und besaßen u. a. im Enz-, Kraich-, Oos- und Pfinzgau, in Durlach, in Grötzingen, in Weingarten und in anderen Orten viele Eigengüter, Rechte und Lehen von Weißenburg, Eberstein, Vaihingen und Baden. … Als badische Vasallen infolge der Ebersteinischen Erbschaft Rudolfs I. 1243 - 88, hielten sie sich an des Markgrafen Hof auf und in dieser Zeit, als der Markgraf schon seit 1227 die Stadt Durlach besaß, kaufte er von den Rosswags auch Grötzingen, Burg und Dorf mit Zubehörden als Weißenburgisches Lehen". Es gibt Beurkundungen der Herren von Rosswag aus den Jahren 1148, 1152, 1160, 1178 und 1181, bei denen auch das Kloster Maulbronn erwähnt wurde. Da es wenig Literatur über die Herren von Rosswag gibt, versuchte Herbert Hilz mit diesem Aufsatz alle verstreuten diesbezüglichen Nachrichten und Urkunden für die Nachwelt zusammenzufassen. Mir gegenüber hat er persönlich noch geäußert, dass dieses Geschlecht vermutlich einst „von Rosewaag“ hieß. Aber angeblich soll durch eine spätere Verarmung zunächst ein Vokal „a“ aus dem Namen gestrichen worden sein („von Rosewag“), später noch das „e“ entfernt („von Roswag“) und schließlich mit einem weiteren Konsonanten „s“ versehen worden sein („von Rosswag“), bevor dann letztlich auch das „von“ als Adelstitel entfallen war („Rosswag“). So soll es zur späteren einfacheren Schreibweise gekommen sein, wobei man früher noch keine genormte Rechtschreibung hatte und man Namen einfach auch willkürlich geschrieben hat. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch bei anderen Namen überliefert. Schriftliche Quellen sind mir dazu allerdings nicht bekannt; umso wichtiger, dass es einmal schriftlich festgehalten wird. Wie die Verarmung allerdings in Anbetracht des einstigen Wohlstands geschehen sein soll, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Gerne können sich jetzt alle „Rosswags“ oder mit Namen in ähnlicher Schreibweise aus Grötzingen, Durlach oder dem Umland wie im Pfinztal melden und vor allem gerne aus ihren Ahnenforschungen etwas über ihren Namen berichten. Schreibt einfach an die Redaktion. Wir sind gespannt. Herzliche Sommergrüße sendet euch allen eure „Weiße Frau vom Turmberg“.

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Grötzingen Aktuell
Ausgabe 35/2024
von Redaktion Nussbaum
30.08.2024
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