Verantwortung übernehmen – nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch in der Gesellschaft. Unter diesem Leitgedanken organisierte die Spielvereinigung Baiertal 1928 e. V. (SpVgg) am vergangenen Freitag einen Vortrag zum Thema Konfliktmanagement, Gewaltprävention und Kommunikation im Bürgerhaus Baiertal. Geleitet wurde die Veranstaltung vom erfahrenen Trainer für Gewaltprävention Rainer Frisch von der Gesellschaft für Konfliktmanagement (GfK), der mit seiner direkten Kommunikation die Teilnehmer beeindruckte. Gesponsert wurde der Abend von der Volksbank Baiertal e.G. und Obstbau Zuber stellte Äpfel als kleine Stärkung bereit.
Rainer Frisch, auffällig tätowiert und gepierct – wer ihn zum ersten Mal sieht, rechnet nicht unbedingt mit einem konsequenten Gegner von Gewalt. „Was denkt ihr über mich?“, lautete seine erste Frage an die Teilnehmenden. Ein mutiger Einstieg, der zeigte, wie schnell Menschen anhand von Äußerlichkeiten bewertet werden. Die ehrliche Rückmeldung der Teilnehmenden bestätigte die Wirkung des ersten. Doch Frisch stellte schnell klar: „Ich verabscheue Gewalt und hatte noch nie eine Schlägerei.“ Eine anschauliche Demonstration zum Thema Fehleinschätzungen und Vorurteile.
Mit schonungsloser Offenheit sprach Frisch über die realen Konsequenzen von Gewalt – bis hin zur unabsichtlichen Tötung bei Schlägereien. Eindrücklich machte er den Teilnehmenden klar, dass in Gewaltsituationen das rationale Denken der Gewalttäter aussetzt und welche Gefahren sich daraus ergeben.
Im Zentrum des Abends standen Techniken zur Deeskalation. Frisch brachte zahlreiche Beispiele aus seinem Berufsalltag, häufige Situationen aus dem Alltag von Jugendlichen und Erwachsenen, gut bekannte Konfliktherde in Zweierbeziehungen in den Workshop ein. Anhand der sogenannten „Konfliktwippe“ oder „Statuswippe“ erklärte er, wie sich 95 Prozent aller Auseinandersetzungen durch verletzten Stolz und gegenseitige Provokation hochschaukeln. Was kann man tun, um „nicht auf die Wippe zu gehen“? Ignorieren vermeidet die Eskalation. Nach Nachfrage von Frisch bestätigen die Anwesenden, dass es sich in der Regel nicht gut anfühlt, nach einer erniedrigenden Bemerkung einfach kommentarlos auszuweichen. Das Gegenüber nun ebenfalls zu erniedrigen, trägt zur Eskalation bei und fühlt sich genauso schlecht gut an. Frisch rät zu selbstbewusster Reaktion, eventuell mit einer witzigen Bemerkung. Durch ein persönliches Beispiel verstehen die Teilnehmer, was er als „Königsweg“ empfiehlt. Einige haben jedoch Zweifel, die nötige Schlagfertigkeit aufzubringen.
Bei einer Gruppenübung sollten sich die Teilnehmer – ohne miteinander zu sprechen – anhand farbiger Markierungen einordnen. Binnen Minuten entstanden Gruppen, während einige isoliert blieben. Frisch stellte die Frage: „Wie fühlt sich das an?“ Daraufhin setzte ein Gruppenprozess ein, der die Ausgrenzung beendete. Ein starkes Zeichen für soziale Dynamiken – und wie sie durch Bewusstsein und Empathie verändert werden können.
Frisch ist nicht nur Theoretiker, der Vorträge zur Gewaltprävention anbietet. Mit seiner Organisation begleitet er über 120 Familien – meist im Auftrag der Jugendämter – um mit Jugendlichen Gewaltkreisläufe frühzeitig zu durchbrechen. Seine Erfahrungen aus diesem Arbeitsfeld machten den Abend umso glaubwürdiger und greifbarer. Trotz des engagierten Konzepts blieb die Besucherzahl hinter den Erwartungen zurück. „Wir hätten den Termin noch früher bewerben müssen“, vermutet Bernd Titze von der SpVgg Baiertal ein. Eine zusätzliche Flyerverteilung habe offenbar nicht ausgereicht, um das Interesse zu wecken. Dabei ist das Thema brandaktuell, nicht nur im Sportverein, sondern in Schule, Beruf und Familie.
Mit der Veranstaltung zeigt die SpVgg Baiertal: Sie nimmt ihre gesellschaftliche Rolle ernst. Gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen ist es ein starkes Signal, wenn ein Sportverein sich für respektvolles Miteinander und Konfliktkompetenz starkmacht – auf dem Spielfeld wie im Leben. (ch)
Weitere Informationen zur GfK: www.gfkmbh.online