Das politische Interesse der jungen Generation zeigte sich in der vollbesetzten Aula des Berufsbildungswerks der SRH. Die Podiumsdiskussion, akribisch vorbereitet und organisiert durch Susanne Ebert, wurde von einem engagierten Team moderiert.
Den Auszubildenden des BBW bot sie eine wertvolle Gelegenheit, sich mit den brennenden Themen der aktuellen europäischen Politik auseinanderzusetzen. Schulleiter Ulf Kager eröffnete die Veranstaltung und bedankte sich bei allen Mitwirkenden, die die Podiumsdiskussion ermöglichten. Thomas Gaßner, Abteilungsleiter für Allgemeinbildung, betonte in seinem Grußwort: „Diskutieren Sie hart, aber fair. Lassen Sie andere Meinungen zu, aber verteidigen Sie auch unumstößliche Werte.“ Er wies darauf hin, dass Nichtwählen undemokratische Kräfte unterstütze. Aleyna Isbilir, eine angehende Kauffrau im zweiten Ausbildungsjahr, führte souverän durch die Veranstaltung.
Ein Manko war, dass nicht alle eingeladenen politischen Vertreter erschienen waren. Jan Spatz von der AfD sagte kurzfristig ab, Dr. Marta Schmidt (CDU) verspätete sich wegen Staus und Alexander Herrmann (FDP) kam nicht. Die komplette Zeit über anwesend waren die Europa-Kandidaten Annalena Wirth (SPD), Tanja Hilton (Die Linke) und Emil Schenkyr (Grüne).
Die Diskussionsrunde war in drei Themenkomplexe geteilt: Sicherheit, Flüchtlings- und Wirtschaftspolitik. Die Besucher konnten ihre Fragen per E-Mail einreichen. Wirth sah die größte Herausforderung darin, die Interessen der 27 Mitgliedsstaaten zu vereinen. Hilton nannte die Klimakrise das größte Problem. Emil Schenkyr betonte den gerechten Umbau zur Klimaneutralität bis 2050. Schmidt sah als größte Herausforderung für die EU-Präsidentschaft, die demokratischen Prozesse beizubehalten, die seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine torpediert würden. Schlagfertig antwortete sie auf das ihr gegebene Stichwort „Russland“ mit „Frieden“.
In Sachen Sicherheitspolitik sah Schenkyr die Notwendigkeit, eine gemeinsame europäische Verteidigung aufzubauen. Hilton verwies auf die Wurzeln ihrer Partei in der Friedensbewegung und sprach sich gegen militärische Aufrüstung und für diplomatische Lösungen aus. Auch Wirth plädierte für eine gemeinsam starke europäische Kraft in Europa, um überhaupt Einfluss nehmen zu können. Mit einem Jein beantwortete sie die Frage nach mehr Waffen für die Ukraine. Waffenlieferungen sollten nur unter bestimmten Bedingungen erfolgen. Diese Ansicht teilte Schenkyr nicht, der das Verteidigungsrecht der Ukraine nicht einschränken wollte. Gleichwohl seien parallel dazu diplomatische Anstrengungen zur Beendigung des Krieges zu unternehmen. Mit „keine Waffen in Kriegsgebiete“ beschrieb Hilton die Haltung von Die Linke. Wichtiger sei es, die Grundbedürfnisse der ukrainischen Bevölkerung im Blick zu haben und diese zu versorgen.
Alle drei Europakandidaten bekannten sich zum im Grundgesetz verankerten Asylrecht: Jeder Mensch auf der Flucht habe das Recht auf Schutz. Dabei räumte man Kindern und schwangeren Frauen einen bevorzugten Schutzstatus ein und unterschied die Begriffe Flucht und Einwanderung. Wirth erwähnte die von der Ampel beschlossenen neuen Gesetze, die die Einwanderung für Personen mit beruflichen Qualifikationen erleichtern. Die Abschiebung von straffällig gewordenen Personen in Kriegsgebiete lehnten alle drei ab. Mit dem deutschen Justiz- und Vollzugssystem wollte Schenkyr das Problem angehen, das dem Täter je nach Schwere der Tat ermögliche, einmal wieder Teil der Gesellschaft zu sein. Die schlimmen Zustände in den Flüchtlingslagern an den EU-Außengrenzen wollten alle durch Unterstützung der betroffenen Länder abmildern und sich für eine europaweite Verteilung der Flüchtlinge einsetzen.
In der Wirtschaftspolitik forderte Schmidt ein vorsichtiges Tempo beim Umbau zur CO2-Neutralität und sprach sich für innovative Ideen aus. Schenkyr kritisierte die Ablehnung des Renaturierungsgesetzes durch die christdemokratische EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Wirth sah gutes wirtschaftliches Wachstum durch den Umbau der Energiewirtschaft. Hilton mahnte einen vorsichtigen Umgang mit Ressourcen an und stellte die Versorgung der Menschen in den Mittelpunkt. (du)