Kirche & Religion

//Stabübergabe nach 36 Jahren an die nächste Generation//

„Gefährdetenhilfe ist praktisches Christentum“ Es war ein Fest voller Dankbarkeit, Emotionen und Aufbruchsstimmung: Nach 36 Jahren aktiver Leitung...
Mit 90 Jahren auf der Bühne: Dekan i.R. Martin Holland blickt auf das Lebenswerk von Wolfgang und Gaby Isenburg – voller Wertschätzung und bewegender Worte.
Mit 90 Jahren auf der Bühne: Dekan i.R. Martin Holland blickt auf das Lebenswerk von Wolfgang und Gaby Isenburg – voller Wertschätzung und bewegender Worte.Foto: Maren Moster

„Gefährdetenhilfe ist praktisches Christentum“

Es war ein Fest voller Dankbarkeit, Emotionen und Aufbruchsstimmung: Nach 36 Jahren aktiver Leitung der Gefährdetenhilfe Wegzeichen gaben Wolfgang und Gaby Isenburg am Wochenende in der Enzklösterler Festhalle symbolisch den Stab an die nächste Generation weiter – an Sohn Elias Isenburg und dessen Frau Lena. Rund 300 Gäste waren gekommen, um diesen besonderen Moment zu feiern.

Den musikalischen Auftakt gestaltete Katharina Isenburg mit einem bewegenden Lied über einen Mann, der viele Jahre im Gefängnis verbracht hat. Gitarre und Gesang erzählten von Verlorenheit und Neuanfang – ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch den Nachmittag zog. Moderiert wurde die Veranstaltung von Manfred Wägerle, seit 25 Jahren im Vorstand der Gefährdetenhilfe aktiv.

"Damit es im Leben wieder hell wird"

In den Grußworten wurde schnell deutlich, welch enormes Gewicht die Arbeit der Familie Isenburg in den vergangenen Jahrzehnten hatte. Dekan Joachim Botzenhardt sprach von „praktiziertem Christentum“ und hob hervor, dass Wolfgang Isenburg sich immer dort eingebracht habe, wo Not sei – tröstend, anpackend, helfend. „Er gibt Menschen in Not eine Heimat auf Zeit“, so Botzenhardt. Dass nun die eigene Familie weitermacht, sei ein großartiges Zeichen der Kontinuität. „Ich wünsche Elias und seiner Familie, dass sie Licht der Welt sind.“

Auch Bürgermeisterin Sabine Zenker fand klare Worte: „Ihr habt nicht nur Geschichten geschrieben, sondern Geschichte. Geschichten der Menschlichkeit.“ Sie würdigte das Engagement der Familie Isenburg und versprach der neuen Leitung volle Unterstützung der Gemeinde. Als Dankeschön überreichte sie Wolfgang und Gaby ein kleines Abenteuer für ihren „Unruhestand“.

Dekan i. R. Martin Holland, mit 90 Jahren der älteste Gratulant des Tages, erinnerte sich an die Anfangszeit, als Wolfgang und Gaby sogar auf Gehalt verzichteten. „Ihr habt den Menschen immer Grenzen gesetzt, aber ihnen gleichzeitig eure Liebe zu Gott spüren lassen.“

Freundschaften, Wegbegleiter, ein Leben für andere

Manfred Ruch, Schulfreund von Wolfgang Isenburg seit der siebten Klasse, blickte auf die gemeinsame Jugendzeit zurück – „chaotisch, aber herzlich“. Die radikale Lebenswende durch den Glauben habe beide geprägt. Ruch schenkte seinem alten Freund drei Kisten voller Bücher – „damit dir im Ruhestand nicht langweilig wird.“

Ein besonders weiter angereister Redner war Jan Saßmannshausen, der eigens aus Kanada kam. Zehn Jahre lang hatte er in Enzklösterle mitgearbeitet, bevor er sich der evangelistischen Arbeit unter kanadischen Ureinwohnern widmete. „Was Wolfgang hier gemacht hat, war für mich prägend. Familie ist das Fundament der Gesellschaft – und das habt ihr gelebt.“

Langjährige Verbundenheit besteht auch zur Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (EFG) in Bretten, deren Vertreterin Kraft, Freude und Mut zum Loslassen für den neuen Lebensabschnitt wünschte.

Tobias Merckle, Geschäftsführer von Seehaus e.V., beschrieb das Engagement der Isenburgs als außergewöhnlich: „Ihr habt alles gegeben. Euer Leben hingegeben für die Männer. Und ihr habt euch nicht beirren lassen – trotz eigener Schicksalsschläge. Das ist Wahnsinn!“ Zugleich richtete er ermutigende Worte an Elias und Lena: „Ihr müsst nicht alles gleich machen – findet euren eigenen Weg.“

Dank, Rückblick und bewegende Geschichten

Wolfgang Isenburg selbst nahm sich Zeit für einen ausführlichen Rückblick. Er bedankte sich bei Manfred Wägerle für 25 Jahre gemeinsamer Arbeit – „immer kompromissbereit, immer treu an der Seite“. Als Nachfolger im Vorstand wurde Ruben Wahl vorgestellt, der aus der Schweiz stammt und beim Christusbund im Schwarzwald tätig ist. Mit viel Ehrlichkeit sprach Wolfgang Isenburg über schwere Zeiten: „Ich habe nie gehört, dass Gaby keine Zeit für mich hatte. Wir haben zusammen gebetet, wenn ich nicht mehr konnte.“ Er erinnerte sich an einen Einbruch in ihr Schlafzimmer oder an die Todesangst, als ihr Sohn Manuel im Sterben lag.

Bilanz nach 36 Jahren: 275 Männer wurden begleitet – über die Hälfte schaffte den Weg in ein neues Leben. Und die anderen? „Die Hälfte dieser Hälfte ist tot“, sagte Isenburg leise. Sein Rat an Elias: „Nah bei Jesus bleiben, Ehe als Team führen, nicht alles zu ernst nehmen und ein Hobby außerhalb der Gefährdetenhilfe finden.“

Neue Generation, neuer Elan

Elias Isenburg erzählte von seiner Kindheit in einer ganz besonderen Familie: „Acht bis zehn Männer lebten bei uns – das war für mich normal.“ Die Geschichten aus dem Milieu faszinierten ihn, aber die Weihnachtsfeiern mit weinenden Männern, die zum ersten Mal so etwas wie Familie erlebten, prägten ihn noch mehr. Schwierige Abschiede gehörten dazu – vor allem, wenn Männer plötzlich gingen und die Familie anschließend verleumdeten. „Aber ich bin mit dem Glauben aufgewachsen und will mein Leben für Jesus einsetzen.“ Auch Gaby Isenburg sprach offen: „Wir leben in einer Zwischenwelt. Wir gehören weder zur normalen Gesellschaft noch zur kriminellen Szene.“ Sie kann Menschen ein Zuhause geben, das war ihre Stärke – auch in schweren Zeiten. Gemeinsam mit Wolfgang blickte sie auf Freud und Leid, auf Verurteilungen und auf tief empfundene Dankbarkeit zurück.

Zeremonieller Stabwechsel

Der symbolische Moment des Stabwechsels wurde von Ulrich Holland, dem 1. Vorsitzenden der Gefährdetenhilfe Wegzeichen e.V., eingeleitet. Zunächst wurden Wolfgang und Gaby Isenburg offiziell entpflichtet, indem ihnen die rechte Hand gereicht wurde. Dann folgte die Verpflichtung von Elias und Lena Isenburg – mit einem klaren doppelten „Ja, Gott helfe mir“ und einem ebenfalls feierlich gereichten Handschlag.

Abgeschlossen wurde der bewegende Nachmittag mit einem Lied von Katharina Isenburg: „Weil du anders bist“ – ein Lied über die Herausforderung, einen Menschen zu lieben, der direkt von der Straße kommt. Nur mit Jesus sei das möglich, so die Botschaft. (mm)

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von Stadt Bad Wildbad
26.06.2025
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