Liebe Leserinnen und Leser, am 24. Oktober 1975 stand wirklich ein Land nahezu still. Stellen wir uns das einmal vor: Heute bleiben die Kitas geschlossen, Schulunterricht findet nicht statt, Flugzeuge bleiben am Boden, in Supermärkten, Kaufhäusern und Einkaufsmeilen herrscht absolutes Chaos – aus einem ganz einfachen Grund: Die Frauen sind nicht zur Arbeit gekommen.
Genau das ist am 24. Oktober 1975 in Island geschehen. An diesem Tag traten 90 Prozent der isländischen Frauen in den Streik; und dieser Tag sollte das Land verändern. Am 13. März kam bei uns der Dokumentarfilm „Ein Tag ohne Frauen“ in die Kinos. Pünktlich zum 50. Jahrestag des Streiks im Jahr 2025 erzählt er diese unglaubliche Geschichte und legt Zeugnis ab über die kollektive Kraft der Frauen, ihre Gesellschaft zu verändern.
Humorvoll und hintersinnig berichtet der Film vom Alltag der isländischen Frauen damals vor 50 Jahren: Sie sind früh aufgestanden, haben sich geschminkt, damit die Männer sie schön finden. Sie haben fleißig gearbeitet und dazu noch den Haushalt und die Kinder versorgt, doch die Führungsjobs hatten die Männer. Mädchen haben früh gelernt: Bestimmte Berufe dürfen nur Männer machen. Kapitänin auf einem Schiff? Keine Chance, denn du bist ein Mädchen.
Der Film erzählt: Die Frauen haben sich gewehrt, und zwar mit Einfallsreichtum und Entschlossenheit. So haben sie bspw. im Supermarkt einfach nur 70 Prozent des Preises für Mehl bezahlt. Denn im Vergleich mit den Männern haben sie nur 70 Prozent von deren Gehalt verdient. Und dann haben sie Island lahmgelegt. Die Schulen blieben geschlossen, Flüge wurden abgesagt und auch das Telefonnetz funktionierte nicht mehr.
Die Männer, die den Streik anfangs belächelt haben, sind plötzlich in Panik geraten: Zehntausende Frauen haben sich auf dem Lækjartorg, dem zentralen Platz von Islands Hauptstadt Reykjavík, versammelt. Der Protest ist wie ein schwelender Vulkan gewesen – kraftvoll, ruhig, aber unaufhaltsam.
Und er hat Wirkung gezeigt: Island hat sich verändert. Ein Jahr später passiert ein erstes Gesetz zur Gleichberechtigung im isländischen Parlament. Nur fünf Jahre später wählt die Inselnation 1980 mit Vigdís Finnbogadóttir eine Frau zur Präsidentin, eine der ersten demokratisch gewählten weltweit. Heute ist das Land ein Vorbild: Seit Jahren führt Island den Gender Gap Index des Weltwirtschaftsforums an als das Land mit der weltweit geringsten Ungleichheit bei der Bezahlung.
Auch in Deutschland wünschen sich viele Chancengleichheit. Also gleiche Bezahlung, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Schutz vor Gewalt und Diskriminierung. Im aktuellen Bundestag zum Beispiel liegt der Frauenanteil bei unter einem Drittel. Vielleicht liegt hier der Schlüssel. Die Juristin Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski kämpft deshalb aktuell für Parität im Bundestag.
Also 50 Prozent der Sitze für Frauen. Damit Frauen in der Politik endlich genauso gehört werden wie Männer. Sie betont: „Ohne Frauen keine Demokratie!“ Island hat vorgemacht, was möglich ist. Vielleicht täte solch ein „Tag ohne Frauen, ohne Schwule, ohne Schwarze …“ auch den USA ganz gut, deren Regierung nichts Besseres zu tun hat, als Diversitäts-, Gleichstellungs- und Inklusionsprogramme (DEI-Programme) abzuschaffen und mit einer sprachlichen Zensur bei öffentlichen Verlautbarungen gegen Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion vorzugehen.
Auch die Zerschlagung des Bildungsministeriums zielt in diese Richtung. Ich werde den Verdacht nicht los, dass sich diese US-Regierung von einer gut gebildeten Gesellschaft mit der Fähigkeit zu kritischem Denken bedroht fühlt. Und ich staune über den ausbleibenden öffentlichen Protest gegen diese Politik seitens der Universitäten, der Hochschulen und Schulen, der Frauen und der Schwarzen.
In weiten Teilen der USA galten bis in die 1960er Jahre hinein rassistische Gesetze, die Schwarze systematisch benachteiligten. Dank der Bürgerrechtsbewegung wurden sie nach und nach aufgehoben. Präsident Lyndon B. Johnson erließ bspw. 1965 eine Exekutivorder, welche staatliche Arbeitgeber zu einem diskriminierungsfreien Umgang mit ihrem Personal verpflichtete und diese Bedingung auch an staatliche Auftragnehmer knüpfte. Noch am Tag seiner Rückkehr ins Weiße Haus widerrief Trump diese Exekutivorder mit einem eigenen Dekret. Es ist traurig mitanzusehen, wie die (auch religiösen) amerikanischen Rechte die Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung Stück für Stück beseitigen. Nehmen wir uns daher besser ein Beispiel an Islands mutigen Frauen als am amerikanischen Präsidenten. Ihr Pfarrer Ronny Baier